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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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wiederum eine leichtere Bedeutung einschließen durfte, gestattet,
nachdem alles religiöse Bedenken unabsehlich weit zurückgewichen
ist, die leichtsinnigste, fröhlichste Auffassung und, hinsichtlich der
hineingelegten Bedeutung, die willkührlichste Abweichung von
allen den mannichfaltigen Deutungen des Alterthumes, über
welche wir einige Kunde besitzen. Als Raphael diesen Kunst-
stoff zuerst in größerer Fülle benutzte, und in sein eigenthüm-
liches Gebiet hinüberzog, fühlte und bediente er sich dieser
Freyheit. Er selbst, (wie auch Giulio und andere, welche
hierin seinem Vorbilde gefolgt sind) stützte sich seines eigenen
Standpunctes eingedenk, besonders auf die späteste und will-
kührlichste Auffassung mythischer Dinge, den Apulejus, den
Ovid und ähnliche Schriftsteller. Erst in den neueren, gelehr-
teren Zeiten ist man auf die Grille verfallen, solche Aufgaben
mit religiöser Beachtung des Typischen und Symbolischen auf-
zulösen, darin eine müssige und meist sehr bedenkliche Gelehr-
samkeit auszulegen, welche der Darlegung des eigentlich Künst-
lerischen entgegenzuwirken scheint, gewiß dem Geschmacke unse-
rer Zeitgenossen nicht durchhin genügt und hie und da ein ent-
schiedenes Vorurtheil gegen moderne Behandlungen mytholo-
gischer Gegenstände hervorgerufen hat.

An und für sich soll der Künstler, in so fern er Hand-
werker ist und bürgerlich und häuslich zu bestehen hat, gesinnt
und möglichst gerüstet seyn, jeder ehrlichen Anforderung seiner
Zeitgenossen zu genügen; und gewiß würde man die Frage:
ob neuere Künstler nur christliche und moderne, oder im Ge-
gentheil nur antike Aufgaben behandeln sollen, nicht, ohne ver-
lacht zu werden, aufwerfen können, wenn es nicht bey den
mannichfaltigsten Anstalten, Künstler zu erziehen und auszu-
statten, in unseren Tagen doch überall an dem Entschlusse,

wiederum eine leichtere Bedeutung einſchließen durfte, geſtattet,
nachdem alles religioͤſe Bedenken unabſehlich weit zuruͤckgewichen
iſt, die leichtſinnigſte, froͤhlichſte Auffaſſung und, hinſichtlich der
hineingelegten Bedeutung, die willkuͤhrlichſte Abweichung von
allen den mannichfaltigen Deutungen des Alterthumes, uͤber
welche wir einige Kunde beſitzen. Als Raphael dieſen Kunſt-
ſtoff zuerſt in groͤßerer Fuͤlle benutzte, und in ſein eigenthuͤm-
liches Gebiet hinuͤberzog, fuͤhlte und bediente er ſich dieſer
Freyheit. Er ſelbſt, (wie auch Giulio und andere, welche
hierin ſeinem Vorbilde gefolgt ſind) ſtuͤtzte ſich ſeines eigenen
Standpunctes eingedenk, beſonders auf die ſpaͤteſte und will-
kuͤhrlichſte Auffaſſung mythiſcher Dinge, den Apulejus, den
Ovid und aͤhnliche Schriftſteller. Erſt in den neueren, gelehr-
teren Zeiten iſt man auf die Grille verfallen, ſolche Aufgaben
mit religioͤſer Beachtung des Typiſchen und Symboliſchen auf-
zuloͤſen, darin eine muͤſſige und meiſt ſehr bedenkliche Gelehr-
ſamkeit auszulegen, welche der Darlegung des eigentlich Kuͤnſt-
leriſchen entgegenzuwirken ſcheint, gewiß dem Geſchmacke unſe-
rer Zeitgenoſſen nicht durchhin genuͤgt und hie und da ein ent-
ſchiedenes Vorurtheil gegen moderne Behandlungen mytholo-
giſcher Gegenſtaͤnde hervorgerufen hat.

An und fuͤr ſich ſoll der Kuͤnſtler, in ſo fern er Hand-
werker iſt und buͤrgerlich und haͤuslich zu beſtehen hat, geſinnt
und moͤglichſt geruͤſtet ſeyn, jeder ehrlichen Anforderung ſeiner
Zeitgenoſſen zu genuͤgen; und gewiß wuͤrde man die Frage:
ob neuere Kuͤnſtler nur chriſtliche und moderne, oder im Ge-
gentheil nur antike Aufgaben behandeln ſollen, nicht, ohne ver-
lacht zu werden, aufwerfen koͤnnen, wenn es nicht bey den
mannichfaltigſten Anſtalten, Kuͤnſtler zu erziehen und auszu-
ſtatten, in unſeren Tagen doch uͤberall an dem Entſchluſſe,

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[390/0408] wiederum eine leichtere Bedeutung einſchließen durfte, geſtattet, nachdem alles religioͤſe Bedenken unabſehlich weit zuruͤckgewichen iſt, die leichtſinnigſte, froͤhlichſte Auffaſſung und, hinſichtlich der hineingelegten Bedeutung, die willkuͤhrlichſte Abweichung von allen den mannichfaltigen Deutungen des Alterthumes, uͤber welche wir einige Kunde beſitzen. Als Raphael dieſen Kunſt- ſtoff zuerſt in groͤßerer Fuͤlle benutzte, und in ſein eigenthuͤm- liches Gebiet hinuͤberzog, fuͤhlte und bediente er ſich dieſer Freyheit. Er ſelbſt, (wie auch Giulio und andere, welche hierin ſeinem Vorbilde gefolgt ſind) ſtuͤtzte ſich ſeines eigenen Standpunctes eingedenk, beſonders auf die ſpaͤteſte und will- kuͤhrlichſte Auffaſſung mythiſcher Dinge, den Apulejus, den Ovid und aͤhnliche Schriftſteller. Erſt in den neueren, gelehr- teren Zeiten iſt man auf die Grille verfallen, ſolche Aufgaben mit religioͤſer Beachtung des Typiſchen und Symboliſchen auf- zuloͤſen, darin eine muͤſſige und meiſt ſehr bedenkliche Gelehr- ſamkeit auszulegen, welche der Darlegung des eigentlich Kuͤnſt- leriſchen entgegenzuwirken ſcheint, gewiß dem Geſchmacke unſe- rer Zeitgenoſſen nicht durchhin genuͤgt und hie und da ein ent- ſchiedenes Vorurtheil gegen moderne Behandlungen mytholo- giſcher Gegenſtaͤnde hervorgerufen hat. An und fuͤr ſich ſoll der Kuͤnſtler, in ſo fern er Hand- werker iſt und buͤrgerlich und haͤuslich zu beſtehen hat, geſinnt und moͤglichſt geruͤſtet ſeyn, jeder ehrlichen Anforderung ſeiner Zeitgenoſſen zu genuͤgen; und gewiß wuͤrde man die Frage: ob neuere Kuͤnſtler nur chriſtliche und moderne, oder im Ge- gentheil nur antike Aufgaben behandeln ſollen, nicht, ohne ver- lacht zu werden, aufwerfen koͤnnen, wenn es nicht bey den mannichfaltigſten Anſtalten, Kuͤnſtler zu erziehen und auszu- ſtatten, in unſeren Tagen doch uͤberall an dem Entſchluſſe,

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/408>, abgerufen am 23.11.2024.