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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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sen frische und belebte Hervorbringungen sicher nicht über das
Jahr 1500 hinausgehn. Wie wenig es ihm späterhin um
die Kunst ein Ernst gewesen, wie handwerksmäßig er sein
Geschäft betrieben, zeigt eine Tafel mit seinem Namen und
der Jahreszahl 1518. in der Gallerie Rinuccini zu Florenz.
Die mit dem Pinsel gezeichnete Aufschrift dieses Altargemäl-
des ist schwerlich verfälscht, da sie augenscheinlich so alt ist,
als das Bild selbst. Andererseits ist die Manier der Ausfüh-
rung nicht peruginisch, sondern altlombardisch, woraus zu schlie-
ßen, daß Pietro eben damals einen reisenden Norditaliener als
Gesellen in seiner Werkstatt angestellt habe, dem es unmöglich
gefallen seiner angelernten Manier zu entsagen und jener des
Perugino in dem Maße sich anzuschmiegen, als dessen Lehr-
linge und Schüler.

Demnach hatte Pietro die schönste und würdigste Stelle
seiner Künstlerlaufbahn bereits überschritten, als Raphael sein
Lehrling ward; doch mußte der Grundsatz, nach welchem der
Meister in seinen besten Tagen das Vortreffliche hervorge-
bracht hatte, in dessen Lehren nachklingen. Allerdings war
Pietro, gleich so viel anderen Meistern, geneigt, den Lehr-
lingen seine Eigenthümlichkeit einzuprägen, deren Aufdruck man-
cher mittelmäßige Geselle, z. B. Tiberio d'Asisi *), sein Le-
ben lang bewahrt hat. Hingegen erriethen die fähigen, ein
Spagna **), und besonders Raphael, aus den Studienbü-

*) Zu Montefalco malte Tiberio fast in allen Kirchen des
Städtchens und seiner umliegenden Klöster, meist mit Beyfügung
seines Namens und des Jahres. Zu Asisi und Perugia an verschie-
denen Stellen. Er ist daran kenntlich, daß er in seinen Köpfen
das Ovale des Pietro noch ungleich mehr beschnitten und eckiger
gehalten, als dieser in seinen besseren Tagen sich gewöhnt hatte.
**) Sein Hauptbild stehet gut erhalten in der Kappelle des

ſen friſche und belebte Hervorbringungen ſicher nicht uͤber das
Jahr 1500 hinausgehn. Wie wenig es ihm ſpaͤterhin um
die Kunſt ein Ernſt geweſen, wie handwerksmaͤßig er ſein
Geſchaͤft betrieben, zeigt eine Tafel mit ſeinem Namen und
der Jahreszahl 1518. in der Gallerie Rinuccini zu Florenz.
Die mit dem Pinſel gezeichnete Aufſchrift dieſes Altargemaͤl-
des iſt ſchwerlich verfaͤlſcht, da ſie augenſcheinlich ſo alt iſt,
als das Bild ſelbſt. Andererſeits iſt die Manier der Ausfuͤh-
rung nicht peruginiſch, ſondern altlombardiſch, woraus zu ſchlie-
ßen, daß Pietro eben damals einen reiſenden Norditaliener als
Geſellen in ſeiner Werkſtatt angeſtellt habe, dem es unmoͤglich
gefallen ſeiner angelernten Manier zu entſagen und jener des
Perugino in dem Maße ſich anzuſchmiegen, als deſſen Lehr-
linge und Schuͤler.

Demnach hatte Pietro die ſchoͤnſte und wuͤrdigſte Stelle
ſeiner Kuͤnſtlerlaufbahn bereits uͤberſchritten, als Raphael ſein
Lehrling ward; doch mußte der Grundſatz, nach welchem der
Meiſter in ſeinen beſten Tagen das Vortreffliche hervorge-
bracht hatte, in deſſen Lehren nachklingen. Allerdings war
Pietro, gleich ſo viel anderen Meiſtern, geneigt, den Lehr-
lingen ſeine Eigenthuͤmlichkeit einzupraͤgen, deren Aufdruck man-
cher mittelmaͤßige Geſelle, z. B. Tiberio d’Aſiſi *), ſein Le-
ben lang bewahrt hat. Hingegen erriethen die faͤhigen, ein
Spagna **), und beſonders Raphael, aus den Studienbuͤ-

*) Zu Montefalco malte Tiberio faſt in allen Kirchen des
Staͤdtchens und ſeiner umliegenden Kloͤſter, meiſt mit Beyfuͤgung
ſeines Namens und des Jahres. Zu Aſiſi und Perugia an verſchie-
denen Stellen. Er iſt daran kenntlich, daß er in ſeinen Koͤpfen
das Ovale des Pietro noch ungleich mehr beſchnitten und eckiger
gehalten, als dieſer in ſeinen beſſeren Tagen ſich gewoͤhnt hatte.
**) Sein Hauptbild ſtehet gut erhalten in der Kappelle des
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[348/0366] ſen friſche und belebte Hervorbringungen ſicher nicht uͤber das Jahr 1500 hinausgehn. Wie wenig es ihm ſpaͤterhin um die Kunſt ein Ernſt geweſen, wie handwerksmaͤßig er ſein Geſchaͤft betrieben, zeigt eine Tafel mit ſeinem Namen und der Jahreszahl 1518. in der Gallerie Rinuccini zu Florenz. Die mit dem Pinſel gezeichnete Aufſchrift dieſes Altargemaͤl- des iſt ſchwerlich verfaͤlſcht, da ſie augenſcheinlich ſo alt iſt, als das Bild ſelbſt. Andererſeits iſt die Manier der Ausfuͤh- rung nicht peruginiſch, ſondern altlombardiſch, woraus zu ſchlie- ßen, daß Pietro eben damals einen reiſenden Norditaliener als Geſellen in ſeiner Werkſtatt angeſtellt habe, dem es unmoͤglich gefallen ſeiner angelernten Manier zu entſagen und jener des Perugino in dem Maße ſich anzuſchmiegen, als deſſen Lehr- linge und Schuͤler. Demnach hatte Pietro die ſchoͤnſte und wuͤrdigſte Stelle ſeiner Kuͤnſtlerlaufbahn bereits uͤberſchritten, als Raphael ſein Lehrling ward; doch mußte der Grundſatz, nach welchem der Meiſter in ſeinen beſten Tagen das Vortreffliche hervorge- bracht hatte, in deſſen Lehren nachklingen. Allerdings war Pietro, gleich ſo viel anderen Meiſtern, geneigt, den Lehr- lingen ſeine Eigenthuͤmlichkeit einzupraͤgen, deren Aufdruck man- cher mittelmaͤßige Geſelle, z. B. Tiberio d’Aſiſi *), ſein Le- ben lang bewahrt hat. Hingegen erriethen die faͤhigen, ein Spagna **), und beſonders Raphael, aus den Studienbuͤ- *) Zu Montefalco malte Tiberio faſt in allen Kirchen des Staͤdtchens und ſeiner umliegenden Kloͤſter, meiſt mit Beyfuͤgung ſeines Namens und des Jahres. Zu Aſiſi und Perugia an verſchie- denen Stellen. Er iſt daran kenntlich, daß er in ſeinen Koͤpfen das Ovale des Pietro noch ungleich mehr beſchnitten und eckiger gehalten, als dieſer in ſeinen beſſeren Tagen ſich gewoͤhnt hatte. **) Sein Hauptbild ſtehet gut erhalten in der Kappelle des

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/366>, abgerufen am 22.11.2024.