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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Aber auch in der Auffassung der Gesichtsformen und in der
Behandlung des Gefältes verräth sich, besonders in den Ar-
beiten der Brüder des Domenico, überall, wo sie von ihrem
sonst consequenten Naturalismus ein wenig nachlassen, ein ge-
wisser Nachklang der Manieren des Cosimo, welcher nur aus
der Nachwirkung von Jugendeindrücken zu erklären ist.

Gleich vielen anderen Männern von mäßigem Geiste,
doch treuem und ernstlichem Streben, bewährt auch Domenico
Ghirlandajo
, daß man durch Festigkeit und Ausdauer des
Willens auf die Länge glänzendere Gaben übertreffen und be-
siegen könne, wenn solche, wie es eintritt, mit Flüchtigkeit,
oder Lässigkeit des Geistes verbunden sind. Sandro überwog
ihn von Haus aus durch Feuer und Lebendigkeit, Filippino
durch Geschmack und die Fähigkeit, das Allgemeine in seinen
Aufgaben aufzufassen. Demungeachtet unterlagen beide nach
einer kurzen Jugendblüthe den Zerstreuungen, welche vielleicht
eben ihre mehrseitige Empfänglichkeit herbeyführte. Dome-
nico
hingegen trat leise und fast schüchtern auf, ging in eini-
gen unläugbar steifen und wenig belebten Gemälden mehr
darauf aus, gute Arbeit zu liefern, als durch glänzende Züge
des Genius zu überraschen. Als er nun vielleicht eben durch
sein redliches Streben gute Hoffnungen erweckte, und bald zu
den größesten Unternehmungen seiner Zeit berufen ward, ging
er mit raschen Schritten vorwärts, so daß von ihm gesagt
werden kann, was nur selten gilt, daß seine Werke nach
Maßgabe seines vorrückenden Lebensalters an Werth und Aus-
bildung gewinnen.

Gewiß gehören seine Arbeiten in der Kirche und in dem
Kloster Ognisanti zu den früheren, obwohl schon in Ansehung
ihrer hohen technischen Ausbildung schwerlich zu den frühesten,

Aber auch in der Auffaſſung der Geſichtsformen und in der
Behandlung des Gefaͤltes verraͤth ſich, beſonders in den Ar-
beiten der Bruͤder des Domenico, uͤberall, wo ſie von ihrem
ſonſt conſequenten Naturalismus ein wenig nachlaſſen, ein ge-
wiſſer Nachklang der Manieren des Coſimo, welcher nur aus
der Nachwirkung von Jugendeindruͤcken zu erklaͤren iſt.

Gleich vielen anderen Maͤnnern von maͤßigem Geiſte,
doch treuem und ernſtlichem Streben, bewaͤhrt auch Domenico
Ghirlandajo
, daß man durch Feſtigkeit und Ausdauer des
Willens auf die Laͤnge glaͤnzendere Gaben uͤbertreffen und be-
ſiegen koͤnne, wenn ſolche, wie es eintritt, mit Fluͤchtigkeit,
oder Laͤſſigkeit des Geiſtes verbunden ſind. Sandro uͤberwog
ihn von Haus aus durch Feuer und Lebendigkeit, Filippino
durch Geſchmack und die Faͤhigkeit, das Allgemeine in ſeinen
Aufgaben aufzufaſſen. Demungeachtet unterlagen beide nach
einer kurzen Jugendbluͤthe den Zerſtreuungen, welche vielleicht
eben ihre mehrſeitige Empfaͤnglichkeit herbeyfuͤhrte. Dome-
nico
hingegen trat leiſe und faſt ſchuͤchtern auf, ging in eini-
gen unlaͤugbar ſteifen und wenig belebten Gemaͤlden mehr
darauf aus, gute Arbeit zu liefern, als durch glaͤnzende Zuͤge
des Genius zu uͤberraſchen. Als er nun vielleicht eben durch
ſein redliches Streben gute Hoffnungen erweckte, und bald zu
den groͤßeſten Unternehmungen ſeiner Zeit berufen ward, ging
er mit raſchen Schritten vorwaͤrts, ſo daß von ihm geſagt
werden kann, was nur ſelten gilt, daß ſeine Werke nach
Maßgabe ſeines vorruͤckenden Lebensalters an Werth und Aus-
bildung gewinnen.

Gewiß gehoͤren ſeine Arbeiten in der Kirche und in dem
Kloſter Ogniſanti zu den fruͤheren, obwohl ſchon in Anſehung
ihrer hohen techniſchen Ausbildung ſchwerlich zu den fruͤheſten,

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[277/0295] Aber auch in der Auffaſſung der Geſichtsformen und in der Behandlung des Gefaͤltes verraͤth ſich, beſonders in den Ar- beiten der Bruͤder des Domenico, uͤberall, wo ſie von ihrem ſonſt conſequenten Naturalismus ein wenig nachlaſſen, ein ge- wiſſer Nachklang der Manieren des Coſimo, welcher nur aus der Nachwirkung von Jugendeindruͤcken zu erklaͤren iſt. Gleich vielen anderen Maͤnnern von maͤßigem Geiſte, doch treuem und ernſtlichem Streben, bewaͤhrt auch Domenico Ghirlandajo, daß man durch Feſtigkeit und Ausdauer des Willens auf die Laͤnge glaͤnzendere Gaben uͤbertreffen und be- ſiegen koͤnne, wenn ſolche, wie es eintritt, mit Fluͤchtigkeit, oder Laͤſſigkeit des Geiſtes verbunden ſind. Sandro uͤberwog ihn von Haus aus durch Feuer und Lebendigkeit, Filippino durch Geſchmack und die Faͤhigkeit, das Allgemeine in ſeinen Aufgaben aufzufaſſen. Demungeachtet unterlagen beide nach einer kurzen Jugendbluͤthe den Zerſtreuungen, welche vielleicht eben ihre mehrſeitige Empfaͤnglichkeit herbeyfuͤhrte. Dome- nico hingegen trat leiſe und faſt ſchuͤchtern auf, ging in eini- gen unlaͤugbar ſteifen und wenig belebten Gemaͤlden mehr darauf aus, gute Arbeit zu liefern, als durch glaͤnzende Zuͤge des Genius zu uͤberraſchen. Als er nun vielleicht eben durch ſein redliches Streben gute Hoffnungen erweckte, und bald zu den groͤßeſten Unternehmungen ſeiner Zeit berufen ward, ging er mit raſchen Schritten vorwaͤrts, ſo daß von ihm geſagt werden kann, was nur ſelten gilt, daß ſeine Werke nach Maßgabe ſeines vorruͤckenden Lebensalters an Werth und Aus- bildung gewinnen. Gewiß gehoͤren ſeine Arbeiten in der Kirche und in dem Kloſter Ogniſanti zu den fruͤheren, obwohl ſchon in Anſehung ihrer hohen techniſchen Ausbildung ſchwerlich zu den fruͤheſten,

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/295>, abgerufen am 18.06.2024.