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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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schauung des einen Charakters weiblicher und kindlicher An-
muth eingeschränkt. Sein Schüler Rafaellino del Garbo, welcher
nach kurzer Jugendblüthe Glück und Talent eingebüßt, neigte
sich in seinen besten Tagen (z. B. in seinem Hauptbilde, im
Kreuzschiffe der Kirche sto Spirito zu Florenz) zur Auffassungs-
art der umbrischen Schule, welche wir nachzuholen haben.

Wie Filippino und Sandro, so hatte auch Cosimo Ro-
selli
, wie wir uns erinnern, eben nur in der Frische seines
Künstlerlebens das Außerordentliche geleistet, hingegen frühe
alles ernstliche und freudige Studium aufgegeben und eine
ganz handwerksmäßige Richtung angenommen. Indeß unter-
schied er sich von jenen, wie früher durch Eigenthümlichkeit
der Anlage und des Wollens, so in späteren Jahren, theils
durch ein entschiedneres Versiegen des Geistes, theils aber auch
durch eine ihm ganz eigenthümliche, derbe Behandlung der
Malerey a tempera, welche, abgesehn von der Armseeligkeit
dessen, welcher sie betrieb, an sich selbst ihre technischen Vor-
züge besitzen mochte. Diese verpflanzte er, voraussetzlich durch
Schule, auf den Domenico Ghirlandajo, dessen Meister Va-
sari
nicht kannte, oder doch verschwieg; *) sicher malten Do-
menico
, seine Brüder und sein Schwager Bastiano Mainardi
sämmtlich in der pastoseren, in den Schatten kräftigeren Ma-
nier des Cosimo, welche sowohl von der Handhabung der
Schule des Fra Filippo, als von der Malart der Schule des
Verrocchio sich wesentlich unterscheidet, welche letzte wir gele-
gentlich der Bildner dieser Zeit wieder aufnehmen wollen.

*) Vas. vit. d'Alesso Baldovinetti, erwähnt, daß dieser Künstler
dem Domenico die Handgriffe der Musivmalerey gezeigt habe; was
Neueren Veranlassung gegeben, ihn aus der Schule des Alessio
abzuleiten.

ſchauung des einen Charakters weiblicher und kindlicher An-
muth eingeſchraͤnkt. Sein Schuͤler Rafaellino del Garbo, welcher
nach kurzer Jugendbluͤthe Gluͤck und Talent eingebuͤßt, neigte
ſich in ſeinen beſten Tagen (z. B. in ſeinem Hauptbilde, im
Kreuzſchiffe der Kirche ſto Spirito zu Florenz) zur Auffaſſungs-
art der umbriſchen Schule, welche wir nachzuholen haben.

Wie Filippino und Sandro, ſo hatte auch Coſimo Ro-
ſelli
, wie wir uns erinnern, eben nur in der Friſche ſeines
Kuͤnſtlerlebens das Außerordentliche geleiſtet, hingegen fruͤhe
alles ernſtliche und freudige Studium aufgegeben und eine
ganz handwerksmaͤßige Richtung angenommen. Indeß unter-
ſchied er ſich von jenen, wie fruͤher durch Eigenthuͤmlichkeit
der Anlage und des Wollens, ſo in ſpaͤteren Jahren, theils
durch ein entſchiedneres Verſiegen des Geiſtes, theils aber auch
durch eine ihm ganz eigenthuͤmliche, derbe Behandlung der
Malerey a tempera, welche, abgeſehn von der Armſeeligkeit
deſſen, welcher ſie betrieb, an ſich ſelbſt ihre techniſchen Vor-
zuͤge beſitzen mochte. Dieſe verpflanzte er, vorausſetzlich durch
Schule, auf den Domenico Ghirlandajo, deſſen Meiſter Va-
ſari
nicht kannte, oder doch verſchwieg; *) ſicher malten Do-
menico
, ſeine Bruͤder und ſein Schwager Baſtiano Mainardi
ſaͤmmtlich in der paſtoſeren, in den Schatten kraͤftigeren Ma-
nier des Coſimo, welche ſowohl von der Handhabung der
Schule des Fra Filippo, als von der Malart der Schule des
Verrocchio ſich weſentlich unterſcheidet, welche letzte wir gele-
gentlich der Bildner dieſer Zeit wieder aufnehmen wollen.

*) Vas. vit. d’Alesso Baldovinetti, erwaͤhnt, daß dieſer Kuͤnſtler
dem Domenico die Handgriffe der Muſivmalerey gezeigt habe; was
Neueren Veranlaſſung gegeben, ihn aus der Schule des Aleſſio
abzuleiten.
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[276/0294] ſchauung des einen Charakters weiblicher und kindlicher An- muth eingeſchraͤnkt. Sein Schuͤler Rafaellino del Garbo, welcher nach kurzer Jugendbluͤthe Gluͤck und Talent eingebuͤßt, neigte ſich in ſeinen beſten Tagen (z. B. in ſeinem Hauptbilde, im Kreuzſchiffe der Kirche ſto Spirito zu Florenz) zur Auffaſſungs- art der umbriſchen Schule, welche wir nachzuholen haben. Wie Filippino und Sandro, ſo hatte auch Coſimo Ro- ſelli, wie wir uns erinnern, eben nur in der Friſche ſeines Kuͤnſtlerlebens das Außerordentliche geleiſtet, hingegen fruͤhe alles ernſtliche und freudige Studium aufgegeben und eine ganz handwerksmaͤßige Richtung angenommen. Indeß unter- ſchied er ſich von jenen, wie fruͤher durch Eigenthuͤmlichkeit der Anlage und des Wollens, ſo in ſpaͤteren Jahren, theils durch ein entſchiedneres Verſiegen des Geiſtes, theils aber auch durch eine ihm ganz eigenthuͤmliche, derbe Behandlung der Malerey a tempera, welche, abgeſehn von der Armſeeligkeit deſſen, welcher ſie betrieb, an ſich ſelbſt ihre techniſchen Vor- zuͤge beſitzen mochte. Dieſe verpflanzte er, vorausſetzlich durch Schule, auf den Domenico Ghirlandajo, deſſen Meiſter Va- ſari nicht kannte, oder doch verſchwieg; *) ſicher malten Do- menico, ſeine Bruͤder und ſein Schwager Baſtiano Mainardi ſaͤmmtlich in der paſtoſeren, in den Schatten kraͤftigeren Ma- nier des Coſimo, welche ſowohl von der Handhabung der Schule des Fra Filippo, als von der Malart der Schule des Verrocchio ſich weſentlich unterſcheidet, welche letzte wir gele- gentlich der Bildner dieſer Zeit wieder aufnehmen wollen. *) Vas. vit. d’Alesso Baldovinetti, erwaͤhnt, daß dieſer Kuͤnſtler dem Domenico die Handgriffe der Muſivmalerey gezeigt habe; was Neueren Veranlaſſung gegeben, ihn aus der Schule des Aleſſio abzuleiten.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/294>, abgerufen am 17.05.2024.