Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

bewußter Manieristen, denen Vasari eigene Lebensbeschreibun-
gen gewidmet hat, den Andrea del Castagno, Dom. Vene-
ziano
und andere, welche gewisse, durch auswüchsiges und
überfließendes Einzelne überladene Durchschnittscharaktere sich
gebildet hatten; übergehen wir selbst die bessere, obwohl we-
nig ausgebildete Anlage eines Paolo Uccello, um unmittelbar
zum Cosimo Roselli zu gelangen. Dieser war in seinem
frischesten Lebensalter der Bahn nachgegangen, welche Ange-
lico
gebrochen, hatte selbst aus dem Beyspiele des Masaccio
Vortheil gezogen; verließ aber nach einigen glänzenden Pro-
ben seiner Fähigkeit, den Charakter wirklicher Dinge sich an-
zueignen, die eingeleitete Laufbahn, um sich einer unerweckli-
chen und häßlichen Manier zu überlassen.

Sein Hauptwerk ist ein historisches Mauergemälde von
nicht unerheblichem Umfang in der Kappelle des s. Miracolo
der florentinischen Pfarrkirche s. Ambruogio. Diese Arbeit ist
mit den Worten: Cosimo Roselli f. l'an. 1456. bezeich-
net; einer Aufschrift, welche ich noch vollständig gelesen, doch
allmählich erlöschen gesehn, da bey dem Abkehren des Stau-
bes hie und da etwas von der auf trockenem Grunde aufge-
tragenen Farbe von der Mauer abließ. Der Gegenstand ge-
dachter Darstellung ist die Versetzung eines wunderthätigen
Kelches aus der Kirche s. Ambruogio, wo das Wunder sich
ereignet hatte, nach dem bischöflichen Palaste. Die Aebtissin
und Schwestern begleiten das Heiligthum bis an die Pforte
vor welcher eine vortreffliche, höchst malerisch aufgefaßte, Ra-
phaels
nicht unwürdige Gruppe von Priestern und Chorknaben
dasselbe knieend aus den Händen des Bischofs empfängt.
Den offenen Platz vor der Kirche erfüllen Andächtige und
Neubegierige, deren einige dem Berichte anderer schon unter-

bewußter Manieriſten, denen Vaſari eigene Lebensbeſchreibun-
gen gewidmet hat, den Andrea del Caſtagno, Dom. Vene-
ziano
und andere, welche gewiſſe, durch auswuͤchſiges und
uͤberfließendes Einzelne uͤberladene Durchſchnittscharaktere ſich
gebildet hatten; uͤbergehen wir ſelbſt die beſſere, obwohl we-
nig ausgebildete Anlage eines Paolo Uccello, um unmittelbar
zum Coſimo Roſelli zu gelangen. Dieſer war in ſeinem
friſcheſten Lebensalter der Bahn nachgegangen, welche Ange-
lico
gebrochen, hatte ſelbſt aus dem Beyſpiele des Maſaccio
Vortheil gezogen; verließ aber nach einigen glaͤnzenden Pro-
ben ſeiner Faͤhigkeit, den Charakter wirklicher Dinge ſich an-
zueignen, die eingeleitete Laufbahn, um ſich einer unerweckli-
chen und haͤßlichen Manier zu uͤberlaſſen.

Sein Hauptwerk iſt ein hiſtoriſches Mauergemaͤlde von
nicht unerheblichem Umfang in der Kappelle des ſ. Miracolo
der florentiniſchen Pfarrkirche ſ. Ambruogio. Dieſe Arbeit iſt
mit den Worten: Coſimo Roselli f. l’an. 1456. bezeich-
net; einer Aufſchrift, welche ich noch vollſtaͤndig geleſen, doch
allmaͤhlich erloͤſchen geſehn, da bey dem Abkehren des Stau-
bes hie und da etwas von der auf trockenem Grunde aufge-
tragenen Farbe von der Mauer abließ. Der Gegenſtand ge-
dachter Darſtellung iſt die Verſetzung eines wunderthaͤtigen
Kelches aus der Kirche ſ. Ambruogio, wo das Wunder ſich
ereignet hatte, nach dem biſchoͤflichen Palaſte. Die Aebtiſſin
und Schweſtern begleiten das Heiligthum bis an die Pforte
vor welcher eine vortreffliche, hoͤchſt maleriſch aufgefaßte, Ra-
phaels
nicht unwuͤrdige Gruppe von Prieſtern und Chorknaben
daſſelbe knieend aus den Haͤnden des Biſchofs empfaͤngt.
Den offenen Platz vor der Kirche erfuͤllen Andaͤchtige und
Neubegierige, deren einige dem Berichte anderer ſchon unter-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0283" n="265"/>
bewußter Manieri&#x017F;ten, denen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> eigene Lebensbe&#x017F;chreibun-<lb/>
gen gewidmet hat, den <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118638653">Andrea del Ca&#x017F;tagno</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119028514">Dom. Vene-<lb/>
ziano</persName> und andere, welche gewi&#x017F;&#x017F;e, durch auswu&#x0364;ch&#x017F;iges und<lb/>
u&#x0364;berfließendes Einzelne u&#x0364;berladene Durch&#x017F;chnittscharaktere &#x017F;ich<lb/>
gebildet hatten; u&#x0364;bergehen wir &#x017F;elb&#x017F;t die be&#x017F;&#x017F;ere, obwohl we-<lb/>
nig ausgebildete Anlage eines <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118763350">Paolo Uccello</persName>, um unmittelbar<lb/>
zum <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119404559">Co&#x017F;imo Ro&#x017F;elli</persName> zu gelangen. Die&#x017F;er war in &#x017F;einem<lb/>
fri&#x017F;che&#x017F;ten Lebensalter der Bahn nachgegangen, welche <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118503081">Ange-<lb/>
lico</persName> gebrochen, hatte &#x017F;elb&#x017F;t aus dem Bey&#x017F;piele des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118578618">Ma&#x017F;accio</persName><lb/>
Vortheil gezogen; verließ aber nach einigen gla&#x0364;nzenden Pro-<lb/>
ben &#x017F;einer Fa&#x0364;higkeit, den Charakter wirklicher Dinge &#x017F;ich an-<lb/>
zueignen, die eingeleitete Laufbahn, um &#x017F;ich einer unerweckli-<lb/>
chen und ha&#x0364;ßlichen Manier zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sein Hauptwerk i&#x017F;t ein hi&#x017F;tori&#x017F;ches Mauergema&#x0364;lde von<lb/>
nicht unerheblichem Umfang in der Kappelle des &#x017F;. Miracolo<lb/>
der florentini&#x017F;chen Pfarrkirche &#x017F;. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118780492">Ambruogio</persName>. Die&#x017F;e Arbeit i&#x017F;t<lb/>
mit den Worten: <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119404559">Co&#x017F;imo Roselli</persName> f. l&#x2019;an.</hi> 1456. bezeich-<lb/>
net; einer Auf&#x017F;chrift, welche ich noch voll&#x017F;ta&#x0364;ndig gele&#x017F;en, doch<lb/>
allma&#x0364;hlich erlo&#x0364;&#x017F;chen ge&#x017F;ehn, da bey dem Abkehren des Stau-<lb/>
bes hie und da etwas von der auf trockenem Grunde aufge-<lb/>
tragenen Farbe von der Mauer abließ. Der Gegen&#x017F;tand ge-<lb/>
dachter Dar&#x017F;tellung i&#x017F;t die Ver&#x017F;etzung eines wundertha&#x0364;tigen<lb/>
Kelches aus der Kirche &#x017F;. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118780492">Ambruogio</persName>, wo das Wunder &#x017F;ich<lb/>
ereignet hatte, nach dem bi&#x017F;cho&#x0364;flichen Pala&#x017F;te. Die Aebti&#x017F;&#x017F;in<lb/>
und Schwe&#x017F;tern begleiten das Heiligthum bis an die Pforte<lb/>
vor welcher eine vortreffliche, ho&#x0364;ch&#x017F;t maleri&#x017F;ch aufgefaßte, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Ra-<lb/>
phaels</persName> nicht unwu&#x0364;rdige Gruppe von Prie&#x017F;tern und Chorknaben<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe knieend aus den Ha&#x0364;nden des Bi&#x017F;chofs empfa&#x0364;ngt.<lb/>
Den offenen Platz vor der Kirche erfu&#x0364;llen Anda&#x0364;chtige und<lb/>
Neubegierige, deren einige dem Berichte anderer &#x017F;chon unter-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0283] bewußter Manieriſten, denen Vaſari eigene Lebensbeſchreibun- gen gewidmet hat, den Andrea del Caſtagno, Dom. Vene- ziano und andere, welche gewiſſe, durch auswuͤchſiges und uͤberfließendes Einzelne uͤberladene Durchſchnittscharaktere ſich gebildet hatten; uͤbergehen wir ſelbſt die beſſere, obwohl we- nig ausgebildete Anlage eines Paolo Uccello, um unmittelbar zum Coſimo Roſelli zu gelangen. Dieſer war in ſeinem friſcheſten Lebensalter der Bahn nachgegangen, welche Ange- lico gebrochen, hatte ſelbſt aus dem Beyſpiele des Maſaccio Vortheil gezogen; verließ aber nach einigen glaͤnzenden Pro- ben ſeiner Faͤhigkeit, den Charakter wirklicher Dinge ſich an- zueignen, die eingeleitete Laufbahn, um ſich einer unerweckli- chen und haͤßlichen Manier zu uͤberlaſſen. Sein Hauptwerk iſt ein hiſtoriſches Mauergemaͤlde von nicht unerheblichem Umfang in der Kappelle des ſ. Miracolo der florentiniſchen Pfarrkirche ſ. Ambruogio. Dieſe Arbeit iſt mit den Worten: Coſimo Roselli f. l’an. 1456. bezeich- net; einer Aufſchrift, welche ich noch vollſtaͤndig geleſen, doch allmaͤhlich erloͤſchen geſehn, da bey dem Abkehren des Stau- bes hie und da etwas von der auf trockenem Grunde aufge- tragenen Farbe von der Mauer abließ. Der Gegenſtand ge- dachter Darſtellung iſt die Verſetzung eines wunderthaͤtigen Kelches aus der Kirche ſ. Ambruogio, wo das Wunder ſich ereignet hatte, nach dem biſchoͤflichen Palaſte. Die Aebtiſſin und Schweſtern begleiten das Heiligthum bis an die Pforte vor welcher eine vortreffliche, hoͤchſt maleriſch aufgefaßte, Ra- phaels nicht unwuͤrdige Gruppe von Prieſtern und Chorknaben daſſelbe knieend aus den Haͤnden des Biſchofs empfaͤngt. Den offenen Platz vor der Kirche erfuͤllen Andaͤchtige und Neubegierige, deren einige dem Berichte anderer ſchon unter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/283
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/283>, abgerufen am 20.05.2024.