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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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müdliche Sorgfalt und Wachsamkeit unseres vielseitigsten Kunst-
gelehrten, des Hofrath Hirt, erst seit einigen Jahrzehenden
wiederum zugänglich ward *). Sie wird gegenwärtig, mit
anderen zahllosen Kunstschätzen des Vaticanes, mehrmal die
Woche auch der Menge geöffnet, ist auch durch ein Kupfer-
werk in Umrissen und einzelne von Lips gestochene Gruppen
bereits in einem weiteren Kreise bekannt, weßhalb ich dem
Leser und mir selbst die Andeutung ihrer unvergleichbaren
Schönheiten ersparen darf. Genug, daß sie in dem freylich
engeren Kreise heiligen Willens und frommer Kindlichkeit eine
große Mannichfaltigkeit des Charakters entfaltet. Ein gleiches
gilt seine Mauergemälde im Kloster, besonders im Kapitel-
saale zu s. Marco in Florenz, welche jener Kappelle der Zeit
nach vorangehn mögen, da sie durchhin einfacher behandelt
und etwas ärmlicher angeordnet sind. Indeß ist der Aus-
druck in den Köpfen, in den Bewegungen der Arme, in den
Neigungen des Oberleibes unübertrefflich und, wie man anzu-
erkennen scheint, hier stärker und leidenschaftlicher, als in an-
deren und verwandten Darstellungen desselben Meisters.

Nach beliebten und angenommenen Voraussetzungen hätte
ein so zart geistiges Streben unseren Angelico vom Objectiven
abziehn und gleichsam in sich selbst concentriren müssen. Doch
ganz im Gegentheil war es eben dieser schwärmerisch vom
Irdischen abgezogene Geist, welcher unter den Neueren zuerst
den menschlichen Gesichtsformen ihre volle Bedeutung abge-
wann und deren mannichfaltigste Abstufungen benutzte, seinen

*) Wie alle ältere Römer sich erinnern werden; die interessan-
ten Umstände vernahm ich aus dem eigenen Munde dieses ächten
Kunstfreundes.

muͤdliche Sorgfalt und Wachſamkeit unſeres vielſeitigſten Kunſt-
gelehrten, des Hofrath Hirt, erſt ſeit einigen Jahrzehenden
wiederum zugaͤnglich ward *). Sie wird gegenwaͤrtig, mit
anderen zahlloſen Kunſtſchaͤtzen des Vaticanes, mehrmal die
Woche auch der Menge geoͤffnet, iſt auch durch ein Kupfer-
werk in Umriſſen und einzelne von Lips geſtochene Gruppen
bereits in einem weiteren Kreiſe bekannt, weßhalb ich dem
Leſer und mir ſelbſt die Andeutung ihrer unvergleichbaren
Schoͤnheiten erſparen darf. Genug, daß ſie in dem freylich
engeren Kreiſe heiligen Willens und frommer Kindlichkeit eine
große Mannichfaltigkeit des Charakters entfaltet. Ein gleiches
gilt ſeine Mauergemaͤlde im Kloſter, beſonders im Kapitel-
ſaale zu ſ. Marco in Florenz, welche jener Kappelle der Zeit
nach vorangehn moͤgen, da ſie durchhin einfacher behandelt
und etwas aͤrmlicher angeordnet ſind. Indeß iſt der Aus-
druck in den Koͤpfen, in den Bewegungen der Arme, in den
Neigungen des Oberleibes unuͤbertrefflich und, wie man anzu-
erkennen ſcheint, hier ſtaͤrker und leidenſchaftlicher, als in an-
deren und verwandten Darſtellungen deſſelben Meiſters.

Nach beliebten und angenommenen Vorausſetzungen haͤtte
ein ſo zart geiſtiges Streben unſeren Angelico vom Objectiven
abziehn und gleichſam in ſich ſelbſt concentriren muͤſſen. Doch
ganz im Gegentheil war es eben dieſer ſchwaͤrmeriſch vom
Irdiſchen abgezogene Geiſt, welcher unter den Neueren zuerſt
den menſchlichen Geſichtsformen ihre volle Bedeutung abge-
wann und deren mannichfaltigſte Abſtufungen benutzte, ſeinen

*) Wie alle aͤltere Roͤmer ſich erinnern werden; die intereſſan-
ten Umſtaͤnde vernahm ich aus dem eigenen Munde dieſes aͤchten
Kunſtfreundes.
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[255/0273] muͤdliche Sorgfalt und Wachſamkeit unſeres vielſeitigſten Kunſt- gelehrten, des Hofrath Hirt, erſt ſeit einigen Jahrzehenden wiederum zugaͤnglich ward *). Sie wird gegenwaͤrtig, mit anderen zahlloſen Kunſtſchaͤtzen des Vaticanes, mehrmal die Woche auch der Menge geoͤffnet, iſt auch durch ein Kupfer- werk in Umriſſen und einzelne von Lips geſtochene Gruppen bereits in einem weiteren Kreiſe bekannt, weßhalb ich dem Leſer und mir ſelbſt die Andeutung ihrer unvergleichbaren Schoͤnheiten erſparen darf. Genug, daß ſie in dem freylich engeren Kreiſe heiligen Willens und frommer Kindlichkeit eine große Mannichfaltigkeit des Charakters entfaltet. Ein gleiches gilt ſeine Mauergemaͤlde im Kloſter, beſonders im Kapitel- ſaale zu ſ. Marco in Florenz, welche jener Kappelle der Zeit nach vorangehn moͤgen, da ſie durchhin einfacher behandelt und etwas aͤrmlicher angeordnet ſind. Indeß iſt der Aus- druck in den Koͤpfen, in den Bewegungen der Arme, in den Neigungen des Oberleibes unuͤbertrefflich und, wie man anzu- erkennen ſcheint, hier ſtaͤrker und leidenſchaftlicher, als in an- deren und verwandten Darſtellungen deſſelben Meiſters. Nach beliebten und angenommenen Vorausſetzungen haͤtte ein ſo zart geiſtiges Streben unſeren Angelico vom Objectiven abziehn und gleichſam in ſich ſelbſt concentriren muͤſſen. Doch ganz im Gegentheil war es eben dieſer ſchwaͤrmeriſch vom Irdiſchen abgezogene Geiſt, welcher unter den Neueren zuerſt den menſchlichen Geſichtsformen ihre volle Bedeutung abge- wann und deren mannichfaltigſte Abſtufungen benutzte, ſeinen *) Wie alle aͤltere Roͤmer ſich erinnern werden; die intereſſan- ten Umſtaͤnde vernahm ich aus dem eigenen Munde dieſes aͤchten Kunſtfreundes.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/273>, abgerufen am 25.11.2024.