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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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deß die Abgeschiedenheit, welche den Schlimmen zu größerem
Verderben, und nur den Guten zum Glücke gereicht." "Man
sagt, erwähnt er ferner, daß er niemals gemalt habe, ohne
vorher mit Innigkeit zu beten; daß er nie die Leiden des Er-
lösers dargestellt, ohne dabey in Thränen auszubrechen; daß
er seine Malereyen nie nachgebessert habe, weil er glaubte,
ihr Gelingen beruhe auf unmittelbarer Eingebung. Gewiß,
setzt er hinzu, spricht aus den Mienen und Wendungen seiner
Gestalten die Gesinnung eines ächten und ernstlichen Christen.
Ich möchte hinzufügen: eines ächten und wahren Mönches;
denn sicher entfaltete Angelico die schönsten Seiten des Mönch-
thumes, welchem er unstreitig, wenn auch nicht seine Eigen-
thümlichkeit, doch deren volle Entwickelung verdankt. Seit
den ältesten Zeiten war Kalligraphie und Miniaturmalerey in
den Klöstern einheimisch, diesen durch Stifter und Obere drin-
gend empfohlen und in der That besonders bey den Griechen,
doch auch bey den Franken der karolingischen Epoche frühe
mit vielem Erfolg betrieben worden *). Seit dem Jahre
1300 hatten die mönchischen Miniatoren in Italien, bey zu-
nehmender Kunstbildung allgemach eben jene Richtung einge-
schlagen **), deren Beato Angelico sich in der Folge bemei-

*) S. Thl. I. Abhd. V.
**) Zu Florenz, in der Kirche sta Trinita, war noch vor wenig
Jahren eine schöne, von italienisch gothischem Schnitzwerke umge-
bene Tafel vorhanden, welche Vasari dem Don Lorenzo, Monaco
Camaldolese
beymißt. Dieses Bild ist in der Richtung des Ange-
lico
hervorgebracht; Anordnung, Gewandung, Gehabung der Gestal-
ten schien mir vorzüglicher; hingegen fand ich die Charaktere min-
der ausgebildet, das Gefühl lauer. -- Im Februar 1818. ward die-
ses Gemälde von seinen Eigenthümern der Kappelle entzogen, welche
durch eine bäuerische Wandmalerey aufgeziert ward. Möge es in
gute Hände gelangt seyn!

deß die Abgeſchiedenheit, welche den Schlimmen zu groͤßerem
Verderben, und nur den Guten zum Gluͤcke gereicht.“ „Man
ſagt, erwaͤhnt er ferner, daß er niemals gemalt habe, ohne
vorher mit Innigkeit zu beten; daß er nie die Leiden des Er-
loͤſers dargeſtellt, ohne dabey in Thraͤnen auszubrechen; daß
er ſeine Malereyen nie nachgebeſſert habe, weil er glaubte,
ihr Gelingen beruhe auf unmittelbarer Eingebung. Gewiß,
ſetzt er hinzu, ſpricht aus den Mienen und Wendungen ſeiner
Geſtalten die Geſinnung eines aͤchten und ernſtlichen Chriſten.
Ich moͤchte hinzufuͤgen: eines aͤchten und wahren Moͤnches;
denn ſicher entfaltete Angelico die ſchoͤnſten Seiten des Moͤnch-
thumes, welchem er unſtreitig, wenn auch nicht ſeine Eigen-
thuͤmlichkeit, doch deren volle Entwickelung verdankt. Seit
den aͤlteſten Zeiten war Kalligraphie und Miniaturmalerey in
den Kloͤſtern einheimiſch, dieſen durch Stifter und Obere drin-
gend empfohlen und in der That beſonders bey den Griechen,
doch auch bey den Franken der karolingiſchen Epoche fruͤhe
mit vielem Erfolg betrieben worden *). Seit dem Jahre
1300 hatten die moͤnchiſchen Miniatoren in Italien, bey zu-
nehmender Kunſtbildung allgemach eben jene Richtung einge-
ſchlagen **), deren Beato Angelico ſich in der Folge bemei-

*) S. Thl. I. Abhd. V.
**) Zu Florenz, in der Kirche ſta Trinita, war noch vor wenig
Jahren eine ſchoͤne, von italieniſch gothiſchem Schnitzwerke umge-
bene Tafel vorhanden, welche Vaſari dem Don Lorenzo, Monaco
Camaldoleſe
beymißt. Dieſes Bild iſt in der Richtung des Ange-
lico
hervorgebracht; Anordnung, Gewandung, Gehabung der Geſtal-
ten ſchien mir vorzuͤglicher; hingegen fand ich die Charaktere min-
der ausgebildet, das Gefuͤhl lauer. — Im Februar 1818. ward die-
ſes Gemaͤlde von ſeinen Eigenthuͤmern der Kappelle entzogen, welche
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[252/0270] deß die Abgeſchiedenheit, welche den Schlimmen zu groͤßerem Verderben, und nur den Guten zum Gluͤcke gereicht.“ „Man ſagt, erwaͤhnt er ferner, daß er niemals gemalt habe, ohne vorher mit Innigkeit zu beten; daß er nie die Leiden des Er- loͤſers dargeſtellt, ohne dabey in Thraͤnen auszubrechen; daß er ſeine Malereyen nie nachgebeſſert habe, weil er glaubte, ihr Gelingen beruhe auf unmittelbarer Eingebung. Gewiß, ſetzt er hinzu, ſpricht aus den Mienen und Wendungen ſeiner Geſtalten die Geſinnung eines aͤchten und ernſtlichen Chriſten. Ich moͤchte hinzufuͤgen: eines aͤchten und wahren Moͤnches; denn ſicher entfaltete Angelico die ſchoͤnſten Seiten des Moͤnch- thumes, welchem er unſtreitig, wenn auch nicht ſeine Eigen- thuͤmlichkeit, doch deren volle Entwickelung verdankt. Seit den aͤlteſten Zeiten war Kalligraphie und Miniaturmalerey in den Kloͤſtern einheimiſch, dieſen durch Stifter und Obere drin- gend empfohlen und in der That beſonders bey den Griechen, doch auch bey den Franken der karolingiſchen Epoche fruͤhe mit vielem Erfolg betrieben worden *). Seit dem Jahre 1300 hatten die moͤnchiſchen Miniatoren in Italien, bey zu- nehmender Kunſtbildung allgemach eben jene Richtung einge- ſchlagen **), deren Beato Angelico ſich in der Folge bemei- *) S. Thl. I. Abhd. V. **) Zu Florenz, in der Kirche ſta Trinita, war noch vor wenig Jahren eine ſchoͤne, von italieniſch gothiſchem Schnitzwerke umge- bene Tafel vorhanden, welche Vaſari dem Don Lorenzo, Monaco Camaldoleſe beymißt. Dieſes Bild iſt in der Richtung des Ange- lico hervorgebracht; Anordnung, Gewandung, Gehabung der Geſtal- ten ſchien mir vorzuͤglicher; hingegen fand ich die Charaktere min- der ausgebildet, das Gefuͤhl lauer. — Im Februar 1818. ward die- ſes Gemaͤlde von ſeinen Eigenthuͤmern der Kappelle entzogen, welche durch eine baͤueriſche Wandmalerey aufgeziert ward. Moͤge es in gute Haͤnde gelangt ſeyn!

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/270>, abgerufen am 22.11.2024.