Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

durch die Umständlichkeit ihrer Zeitbestimmung auf persönliche
Anwesenheit des Künstlers hinweiset; wie es denn überhaupt
in so früher Zeit überall in Gebrauch war, die Künstler, de-
ren Talent man in Anspruch nahm, an Ort und Stelle ar-
beiten zu lassen. Ich habe dieses Umstandes erwähnen wollen,
weil er außer Zweifel setzt, daß beide, so benachbarte Städte
eben damals in einem gewissen malerischen Verkehr gestanden,
übrigens hatte Domenico di Bartolo bereits eine ganz andere
Richtung eingeschlagen, als sein größerer, gemüthvoller Bru-
der, weßhalb ich andere Mittelglieder der Fortpflanzung der
Richtung des Letzten werde nachzuweisen haben.

Doch wird es nöthig seyn, ehe wir diesen Andeutungen
weiter nachgehn und jene Richtung bis auf den Niccolo Alunno
und Fiorenzo di Lorenzo, und weiter bis auf den Peter von
Perugia
und dessen Schule hinausverfolgen, uns vorher nach
dem Fortgang der entgegengesetzten umzusehn, deren Mittel-
punct jenerzeit zu Florenz lag.

Die florentinische Malerschule war gegen Ende des vier-
zehnten Jahrhundertes, bey erweislicher Gleichgültigkeit gegen
die Fortschritte eines Arcagno und Anderer, in eine gewisse
dreiste und fertige Handhabung der giottesken Manier verfal-
len. Diese wird von Einigen aus damaligem Vorwalten der
Begeisterung für bestimmte Ideen erklärt, obwohl, wie ich
gezeigt habe, die Richtung, welche von Giotto ausgegangen,
vielmehr durch Verbreitung und Steigerung des Antheils an
dem Geschehenden und Wirklichen sich auszeichnet, so daß je-
ner Stillestand im Fortschritte eben nur aus den gefährlichen
und aufdringlichen Untugenden der Trägheit, Lässigkeit und
Gleichgültigkeit im Berufe zu erklären ist. Wie frühe man
begonnen, ohne Begeisterung für die Idee der Aufgabe zu

durch die Umſtaͤndlichkeit ihrer Zeitbeſtimmung auf perſoͤnliche
Anweſenheit des Kuͤnſtlers hinweiſet; wie es denn uͤberhaupt
in ſo fruͤher Zeit uͤberall in Gebrauch war, die Kuͤnſtler, de-
ren Talent man in Anſpruch nahm, an Ort und Stelle ar-
beiten zu laſſen. Ich habe dieſes Umſtandes erwaͤhnen wollen,
weil er außer Zweifel ſetzt, daß beide, ſo benachbarte Staͤdte
eben damals in einem gewiſſen maleriſchen Verkehr geſtanden,
uͤbrigens hatte Domenico di Bartolo bereits eine ganz andere
Richtung eingeſchlagen, als ſein groͤßerer, gemuͤthvoller Bru-
der, weßhalb ich andere Mittelglieder der Fortpflanzung der
Richtung des Letzten werde nachzuweiſen haben.

Doch wird es noͤthig ſeyn, ehe wir dieſen Andeutungen
weiter nachgehn und jene Richtung bis auf den Niccolo Alunno
und Fiorenzo di Lorenzo, und weiter bis auf den Peter von
Perugia
und deſſen Schule hinausverfolgen, uns vorher nach
dem Fortgang der entgegengeſetzten umzuſehn, deren Mittel-
punct jenerzeit zu Florenz lag.

Die florentiniſche Malerſchule war gegen Ende des vier-
zehnten Jahrhundertes, bey erweislicher Gleichguͤltigkeit gegen
die Fortſchritte eines Arcagno und Anderer, in eine gewiſſe
dreiſte und fertige Handhabung der giottesken Manier verfal-
len. Dieſe wird von Einigen aus damaligem Vorwalten der
Begeiſterung fuͤr beſtimmte Ideen erklaͤrt, obwohl, wie ich
gezeigt habe, die Richtung, welche von Giotto ausgegangen,
vielmehr durch Verbreitung und Steigerung des Antheils an
dem Geſchehenden und Wirklichen ſich auszeichnet, ſo daß je-
ner Stilleſtand im Fortſchritte eben nur aus den gefaͤhrlichen
und aufdringlichen Untugenden der Traͤgheit, Laͤſſigkeit und
Gleichguͤltigkeit im Berufe zu erklaͤren iſt. Wie fruͤhe man
begonnen, ohne Begeiſterung fuͤr die Idee der Aufgabe zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0240" n="222"/>
          <p>durch die Um&#x017F;ta&#x0364;ndlichkeit ihrer Zeitbe&#x017F;timmung auf per&#x017F;o&#x0364;nliche<lb/>
Anwe&#x017F;enheit des Ku&#x0364;n&#x017F;tlers hinwei&#x017F;et; wie es denn u&#x0364;berhaupt<lb/>
in &#x017F;o fru&#x0364;her Zeit u&#x0364;berall in Gebrauch war, die Ku&#x0364;n&#x017F;tler, de-<lb/>
ren Talent man in An&#x017F;pruch nahm, an Ort und Stelle ar-<lb/>
beiten zu la&#x017F;&#x017F;en. Ich habe die&#x017F;es Um&#x017F;tandes erwa&#x0364;hnen wollen,<lb/>
weil er außer Zweifel &#x017F;etzt, daß beide, &#x017F;o benachbarte Sta&#x0364;dte<lb/>
eben damals in einem gewi&#x017F;&#x017F;en maleri&#x017F;chen Verkehr ge&#x017F;tanden,<lb/>
u&#x0364;brigens hatte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/12981640X ">Domenico di Bartolo</persName> bereits eine ganz andere<lb/>
Richtung einge&#x017F;chlagen, als &#x017F;ein gro&#x0364;ßerer, gemu&#x0364;thvoller Bru-<lb/>
der, weßhalb ich andere Mittelglieder der Fortpflanzung der<lb/>
Richtung des Letzten werde nachzuwei&#x017F;en haben.</p><lb/>
          <p>Doch wird es no&#x0364;thig &#x017F;eyn, ehe wir die&#x017F;en Andeutungen<lb/>
weiter nachgehn und jene Richtung bis auf den <persName ref="http://d-nb.info/gnd/129222976">Niccolo Alunno</persName><lb/>
und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/128680504">Fiorenzo di Lorenzo</persName>, und weiter bis auf den <persName ref="vocab.getty.edu/ulan/500024544">Peter von<lb/>
Perugia</persName> und de&#x017F;&#x017F;en Schule hinausverfolgen, uns vorher nach<lb/>
dem Fortgang der entgegenge&#x017F;etzten umzu&#x017F;ehn, deren Mittel-<lb/>
punct jenerzeit zu <placeName>Florenz</placeName> lag.</p><lb/>
          <p>Die florentini&#x017F;che Maler&#x017F;chule war gegen Ende des vier-<lb/>
zehnten Jahrhundertes, bey erweislicher Gleichgu&#x0364;ltigkeit gegen<lb/>
die Fort&#x017F;chritte eines <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119065037">Arcagno</persName> und Anderer, in eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
drei&#x017F;te und fertige Handhabung der giottesken Manier verfal-<lb/>
len. Die&#x017F;e wird von Einigen aus damaligem Vorwalten der<lb/>
Begei&#x017F;terung fu&#x0364;r be&#x017F;timmte Ideen erkla&#x0364;rt, obwohl, wie ich<lb/>
gezeigt habe, die Richtung, welche von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539477">Giotto</persName> ausgegangen,<lb/>
vielmehr durch Verbreitung und Steigerung des Antheils an<lb/>
dem Ge&#x017F;chehenden und Wirklichen &#x017F;ich auszeichnet, &#x017F;o daß je-<lb/>
ner Stille&#x017F;tand im Fort&#x017F;chritte eben nur aus den gefa&#x0364;hrlichen<lb/>
und aufdringlichen Untugenden der Tra&#x0364;gheit, La&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit und<lb/>
Gleichgu&#x0364;ltigkeit im Berufe zu erkla&#x0364;ren i&#x017F;t. Wie fru&#x0364;he man<lb/>
begonnen, ohne Begei&#x017F;terung fu&#x0364;r die Idee der Aufgabe zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0240] durch die Umſtaͤndlichkeit ihrer Zeitbeſtimmung auf perſoͤnliche Anweſenheit des Kuͤnſtlers hinweiſet; wie es denn uͤberhaupt in ſo fruͤher Zeit uͤberall in Gebrauch war, die Kuͤnſtler, de- ren Talent man in Anſpruch nahm, an Ort und Stelle ar- beiten zu laſſen. Ich habe dieſes Umſtandes erwaͤhnen wollen, weil er außer Zweifel ſetzt, daß beide, ſo benachbarte Staͤdte eben damals in einem gewiſſen maleriſchen Verkehr geſtanden, uͤbrigens hatte Domenico di Bartolo bereits eine ganz andere Richtung eingeſchlagen, als ſein groͤßerer, gemuͤthvoller Bru- der, weßhalb ich andere Mittelglieder der Fortpflanzung der Richtung des Letzten werde nachzuweiſen haben. Doch wird es noͤthig ſeyn, ehe wir dieſen Andeutungen weiter nachgehn und jene Richtung bis auf den Niccolo Alunno und Fiorenzo di Lorenzo, und weiter bis auf den Peter von Perugia und deſſen Schule hinausverfolgen, uns vorher nach dem Fortgang der entgegengeſetzten umzuſehn, deren Mittel- punct jenerzeit zu Florenz lag. Die florentiniſche Malerſchule war gegen Ende des vier- zehnten Jahrhundertes, bey erweislicher Gleichguͤltigkeit gegen die Fortſchritte eines Arcagno und Anderer, in eine gewiſſe dreiſte und fertige Handhabung der giottesken Manier verfal- len. Dieſe wird von Einigen aus damaligem Vorwalten der Begeiſterung fuͤr beſtimmte Ideen erklaͤrt, obwohl, wie ich gezeigt habe, die Richtung, welche von Giotto ausgegangen, vielmehr durch Verbreitung und Steigerung des Antheils an dem Geſchehenden und Wirklichen ſich auszeichnet, ſo daß je- ner Stilleſtand im Fortſchritte eben nur aus den gefaͤhrlichen und aufdringlichen Untugenden der Traͤgheit, Laͤſſigkeit und Gleichguͤltigkeit im Berufe zu erklaͤren iſt. Wie fruͤhe man begonnen, ohne Begeiſterung fuͤr die Idee der Aufgabe zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/240
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/240>, abgerufen am 23.11.2024.