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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Jene Figur des Hl. Christopher, deren er sich im Nach-
satze besonders zu rühmen scheint, war allerdings nach dama-
ligem Stande der Hülfskenntnisse und Fertigkeiten der Kunst,
in Ansehung ihrer Größe und ihres Nackten, ein wohlbestan-
denes Wagestück. Weniger Lob verdienen die Gestalten der
Redner, Staatsmänner und Kriegeshelden des classischen Al-
terthumes, welche Thaddeo, vielleicht zur Unterscheidung von
dem antiken Habitus seiner christlichen Helden, mit allerley
seltsamen, phantastisch häßlichen Bekleidungen begabt hat *).
Hingegen enthalten die inneren Wände der Kappelle Darstel-
lungen aus dem Alter und Abscheiden der Jungfrau, welche
in Ansehung des Ausdruckes der Affecte, der Liebenswürdig-
keit der Charaktere, der Anordnung und emsigen Ausführung
alle Wünsche befriedigen.

Ueber dieses, wie über andere Werke des Thaddeo, hat
Vasari mit Lust und Antheil sich verbreitet, nur die kleineren
Arbeiten übergangen, welche unser Künstler mit besonderer
Liebe zu beendigen pflegte. Ein kleines anmuthiges Madon-
nenbild mit seinem Namen bezeichnet sah ich zu Siena im
Besitze des Abbate de Angelis; ein ähnliches in der ehemals
sollyschen Sammlung. Eine Madonna, welche von köstlichen
Engeln umgeben jen Himmel steigt, wo typische Propheten
und Erzväter sie empfangen, vermehrt seit einigen Jahren den

1413. die Bemalung der äußeren Wände und Pfeiler beschlossen.
-- Daher des gedoppelte Dat. ob. Inschrift.
*) Diese werden den Lanzi, welcher sie (scuola Sen. Ep. 1.)
irrig für sienesische Costüme hält, von genauerer Besichtigung
der Arbeiten des Thaddeo abgeschreckt haben. In der That miß-
handelt er dieselben ohne allen Grund, wie denn überhaupt sein
Kunsturtheil eben so flach und keck ist, als seine Angabe histori-
scher Umstände.

Jene Figur des Hl. Chriſtopher, deren er ſich im Nach-
ſatze beſonders zu ruͤhmen ſcheint, war allerdings nach dama-
ligem Stande der Huͤlfskenntniſſe und Fertigkeiten der Kunſt,
in Anſehung ihrer Groͤße und ihres Nackten, ein wohlbeſtan-
denes Wageſtuͤck. Weniger Lob verdienen die Geſtalten der
Redner, Staatsmaͤnner und Kriegeshelden des claſſiſchen Al-
terthumes, welche Thaddeo, vielleicht zur Unterſcheidung von
dem antiken Habitus ſeiner chriſtlichen Helden, mit allerley
ſeltſamen, phantaſtiſch haͤßlichen Bekleidungen begabt hat *).
Hingegen enthalten die inneren Waͤnde der Kappelle Darſtel-
lungen aus dem Alter und Abſcheiden der Jungfrau, welche
in Anſehung des Ausdruckes der Affecte, der Liebenswuͤrdig-
keit der Charaktere, der Anordnung und emſigen Ausfuͤhrung
alle Wuͤnſche befriedigen.

Ueber dieſes, wie uͤber andere Werke des Thaddeo, hat
Vaſari mit Luſt und Antheil ſich verbreitet, nur die kleineren
Arbeiten uͤbergangen, welche unſer Kuͤnſtler mit beſonderer
Liebe zu beendigen pflegte. Ein kleines anmuthiges Madon-
nenbild mit ſeinem Namen bezeichnet ſah ich zu Siena im
Beſitze des Abbate de Angelis; ein aͤhnliches in der ehemals
ſollyſchen Sammlung. Eine Madonna, welche von koͤſtlichen
Engeln umgeben jen Himmel ſteigt, wo typiſche Propheten
und Erzvaͤter ſie empfangen, vermehrt ſeit einigen Jahren den

1413. die Bemalung der aͤußeren Waͤnde und Pfeiler beſchloſſen.
— Daher des gedoppelte Dat. ob. Inſchrift.
*) Dieſe werden den Lanzi, welcher ſie (scuola Sen. Ep. 1.)
irrig fuͤr ſieneſiſche Coſtuͤme haͤlt, von genauerer Beſichtigung
der Arbeiten des Thaddeo abgeſchreckt haben. In der That miß-
handelt er dieſelben ohne allen Grund, wie denn uͤberhaupt ſein
Kunſturtheil eben ſo flach und keck iſt, als ſeine Angabe hiſtori-
ſcher Umſtaͤnde.
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[220/0238] Jene Figur des Hl. Chriſtopher, deren er ſich im Nach- ſatze beſonders zu ruͤhmen ſcheint, war allerdings nach dama- ligem Stande der Huͤlfskenntniſſe und Fertigkeiten der Kunſt, in Anſehung ihrer Groͤße und ihres Nackten, ein wohlbeſtan- denes Wageſtuͤck. Weniger Lob verdienen die Geſtalten der Redner, Staatsmaͤnner und Kriegeshelden des claſſiſchen Al- terthumes, welche Thaddeo, vielleicht zur Unterſcheidung von dem antiken Habitus ſeiner chriſtlichen Helden, mit allerley ſeltſamen, phantaſtiſch haͤßlichen Bekleidungen begabt hat *). Hingegen enthalten die inneren Waͤnde der Kappelle Darſtel- lungen aus dem Alter und Abſcheiden der Jungfrau, welche in Anſehung des Ausdruckes der Affecte, der Liebenswuͤrdig- keit der Charaktere, der Anordnung und emſigen Ausfuͤhrung alle Wuͤnſche befriedigen. Ueber dieſes, wie uͤber andere Werke des Thaddeo, hat Vaſari mit Luſt und Antheil ſich verbreitet, nur die kleineren Arbeiten uͤbergangen, welche unſer Kuͤnſtler mit beſonderer Liebe zu beendigen pflegte. Ein kleines anmuthiges Madon- nenbild mit ſeinem Namen bezeichnet ſah ich zu Siena im Beſitze des Abbate de Angelis; ein aͤhnliches in der ehemals ſollyſchen Sammlung. Eine Madonna, welche von koͤſtlichen Engeln umgeben jen Himmel ſteigt, wo typiſche Propheten und Erzvaͤter ſie empfangen, vermehrt ſeit einigen Jahren den *) *) Dieſe werden den Lanzi, welcher ſie (scuola Sen. Ep. 1.) irrig fuͤr ſieneſiſche Coſtuͤme haͤlt, von genauerer Beſichtigung der Arbeiten des Thaddeo abgeſchreckt haben. In der That miß- handelt er dieſelben ohne allen Grund, wie denn uͤberhaupt ſein Kunſturtheil eben ſo flach und keck iſt, als ſeine Angabe hiſtori- ſcher Umſtaͤnde. *) 1413. die Bemalung der aͤußeren Waͤnde und Pfeiler beſchloſſen. — Daher des gedoppelte Dat. ob. Inſchrift.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/238>, abgerufen am 23.11.2024.