Madonnen nachgewiesen, welche im Felde die Aufschrift: M. C. (Mater Christi) haben, und wiederholt erinnert, daß jene griechische Beyschrift, in italienischen Bildern der Madonna, auf griechische Abkunft verweise.
Diese ungewissen Spuren der Fortpflanzung griechischer Vorstellungen und Handgriffe der Kunst verlieren sich indeß, gleich den Nachwirkungen früherer Ereignisse derselben Art und Abkunft, unter den sicheren Beyspielen eigenthümlich italieni- scher Barbarey, deren wir uns aus einer vorangehenden Un- tersuchung *) entsinnen. Es fehlte den Italienern bis um das Jahr 1200 an Empfänglichkeit und Sinn, einestheils für Gediegenheit der Arbeit, anderntheils für die innere Bedeutung organischer Bildungen; ehe diese von neuem geweckt worden, durch Umstände, welche der allgemeinen Geschichte angehören, deren Entwickelung wir mithin an dieser Stelle übergehen dür- fen, vermochte das Musterhafte und Nachahmenswerthe der griechischen Künstler in Italien keinen dauernden Eindruck zu bewirken.
Doch, ehe wir daran gehen, die Denkmale näher zu be- zeichnen, an denen wir einestheils die Beschaffenheit und den eigentlichen Zweck der italienischen Nachahmung griechischer Kunstmanieren und Vorbilder, anderntheils die Zeit nachweisen können, in welcher jene eingetreten ist, werden wir uns mit den erheblichsten unter den mancherley oberflächlichen Auffas- sungen und Deutungen ausgleichen müssen, vermöge deren die Kunstgelehrten versucht haben, die inneren Widersprüche in den oben berührten Angaben des Vasari in Uebereinstimmung zu bringen.
Den
*) Abh. No. V.
Madonnen nachgewieſen, welche im Felde die Aufſchrift: M̅. C̅. (Mater Christi) haben, und wiederholt erinnert, daß jene griechiſche Beyſchrift, in italieniſchen Bildern der Madonna, auf griechiſche Abkunft verweiſe.
Dieſe ungewiſſen Spuren der Fortpflanzung griechiſcher Vorſtellungen und Handgriffe der Kunſt verlieren ſich indeß, gleich den Nachwirkungen fruͤherer Ereigniſſe derſelben Art und Abkunft, unter den ſicheren Beyſpielen eigenthuͤmlich italieni- ſcher Barbarey, deren wir uns aus einer vorangehenden Un- terſuchung *) entſinnen. Es fehlte den Italienern bis um das Jahr 1200 an Empfaͤnglichkeit und Sinn, einestheils fuͤr Gediegenheit der Arbeit, anderntheils fuͤr die innere Bedeutung organiſcher Bildungen; ehe dieſe von neuem geweckt worden, durch Umſtaͤnde, welche der allgemeinen Geſchichte angehoͤren, deren Entwickelung wir mithin an dieſer Stelle uͤbergehen duͤr- fen, vermochte das Muſterhafte und Nachahmenswerthe der griechiſchen Kuͤnſtler in Italien keinen dauernden Eindruck zu bewirken.
Doch, ehe wir daran gehen, die Denkmale naͤher zu be- zeichnen, an denen wir einestheils die Beſchaffenheit und den eigentlichen Zweck der italieniſchen Nachahmung griechiſcher Kunſtmanieren und Vorbilder, anderntheils die Zeit nachweiſen koͤnnen, in welcher jene eingetreten iſt, werden wir uns mit den erheblichſten unter den mancherley oberflaͤchlichen Auffaſ- ſungen und Deutungen ausgleichen muͤſſen, vermoͤge deren die Kunſtgelehrten verſucht haben, die inneren Widerſpruͤche in den oben beruͤhrten Angaben des Vaſari in Uebereinſtimmung zu bringen.
Den
*) Abh. No. V.
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Madonnen nachgewieſen, welche im Felde die Aufſchrift:
M̅. C̅. (Mater Christi) haben, und wiederholt erinnert,
daß jene griechiſche Beyſchrift, in italieniſchen Bildern der
Madonna, auf griechiſche Abkunft verweiſe.
Dieſe ungewiſſen Spuren der Fortpflanzung griechiſcher
Vorſtellungen und Handgriffe der Kunſt verlieren ſich indeß,
gleich den Nachwirkungen fruͤherer Ereigniſſe derſelben Art und
Abkunft, unter den ſicheren Beyſpielen eigenthuͤmlich italieni-
ſcher Barbarey, deren wir uns aus einer vorangehenden Un-
terſuchung *) entſinnen. Es fehlte den Italienern bis um das
Jahr 1200 an Empfaͤnglichkeit und Sinn, einestheils fuͤr
Gediegenheit der Arbeit, anderntheils fuͤr die innere Bedeutung
organiſcher Bildungen; ehe dieſe von neuem geweckt worden,
durch Umſtaͤnde, welche der allgemeinen Geſchichte angehoͤren,
deren Entwickelung wir mithin an dieſer Stelle uͤbergehen duͤr-
fen, vermochte das Muſterhafte und Nachahmenswerthe der
griechiſchen Kuͤnſtler in Italien keinen dauernden Eindruck
zu bewirken.
Doch, ehe wir daran gehen, die Denkmale naͤher zu be-
zeichnen, an denen wir einestheils die Beſchaffenheit und den
eigentlichen Zweck der italieniſchen Nachahmung griechiſcher
Kunſtmanieren und Vorbilder, anderntheils die Zeit nachweiſen
koͤnnen, in welcher jene eingetreten iſt, werden wir uns mit
den erheblichſten unter den mancherley oberflaͤchlichen Auffaſ-
ſungen und Deutungen ausgleichen muͤſſen, vermoͤge deren die
Kunſtgelehrten verſucht haben, die inneren Widerſpruͤche in den
oben beruͤhrten Angaben des Vaſari in Uebereinſtimmung
zu bringen.
Den
*) Abh. No. V.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/338>, abgerufen am 24.11.2024.
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