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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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schon damals der Milch unreifer Feigen und anderer minder
öligen Leime. Die Tafeln, welche in griechischer Manier aus-
geführt worden, sey es von den Griechen selbst, oder von ih-
ren italienischen Nachahmern, neigen sich dahingegen überall
zu einem dunkleren, gelblichen Hauptton, welches nicht durch-
hin aus den Wirkungen des Lampenrauches zu erklären ist.
Diese Wahrnehmung und die Zweifel, welche sie hervorrief,
bewogen den Morrona, verschiedene alte Malereyen zu be-
schädigen, und ihre Trümmer, was ihm die Geschichte ihrer
selbst willen verzeihen möge, einer chemischen Analyse zu un-
terwerfen *). Aus dieser Scheidung, deren Genauigkeit wir
nicht verbürgen können, ging ein Stoff hervor, den Branchi,
der Scheidekünstler, für Wachs hielt; woraus zu folgen scheint,
daß in der Malerey der Griechen einige Kunstvortheile und
Handgriffe des höchsten Alterthums sich erhalten haben, welche
in Italien während des Mittelalters sicher verloren worden.
Auf welche Weise indeß dieses dichtere, doch immer noch pro-
blematische Bindemittel von neueren Griechen verwendet wor-
den, ob durch Mischung mit den Farben, oder durch äußeren
Ueberzug, dürfte nicht so leicht zu entscheiden seyn. Genug
daß solches in Gebrauch war, und durch den gelblich-grünli-
chen, verdunkelnden Ton, den es über die Tafeln verbreitete,
eines der Merkmale erzeugte, aus denen wir bey italienischen
Malereyen mit Sicherheit auf Schule oder Nachahmung neu-
griechischer Meister schließen dürfen.

Ein nicht minder sicheres Kennzeichen griechischer Schule
oder Nachahmung gewähren bey italienischen Denkmalen des
dreyzehnten Jahrhunderts die vergoldeten Gründe der Tafeln.


*) Morrona, Pisa illustrata, To. II. Ed. sec. Capit. IV. §. 3.

ſchon damals der Milch unreifer Feigen und anderer minder
oͤligen Leime. Die Tafeln, welche in griechiſcher Manier aus-
gefuͤhrt worden, ſey es von den Griechen ſelbſt, oder von ih-
ren italieniſchen Nachahmern, neigen ſich dahingegen uͤberall
zu einem dunkleren, gelblichen Hauptton, welches nicht durch-
hin aus den Wirkungen des Lampenrauches zu erklaͤren iſt.
Dieſe Wahrnehmung und die Zweifel, welche ſie hervorrief,
bewogen den Morrona, verſchiedene alte Malereyen zu be-
ſchaͤdigen, und ihre Truͤmmer, was ihm die Geſchichte ihrer
ſelbſt willen verzeihen moͤge, einer chemiſchen Analyſe zu un-
terwerfen *). Aus dieſer Scheidung, deren Genauigkeit wir
nicht verbuͤrgen koͤnnen, ging ein Stoff hervor, den Branchi,
der Scheidekuͤnſtler, fuͤr Wachs hielt; woraus zu folgen ſcheint,
daß in der Malerey der Griechen einige Kunſtvortheile und
Handgriffe des hoͤchſten Alterthums ſich erhalten haben, welche
in Italien waͤhrend des Mittelalters ſicher verloren worden.
Auf welche Weiſe indeß dieſes dichtere, doch immer noch pro-
blematiſche Bindemittel von neueren Griechen verwendet wor-
den, ob durch Miſchung mit den Farben, oder durch aͤußeren
Ueberzug, duͤrfte nicht ſo leicht zu entſcheiden ſeyn. Genug
daß ſolches in Gebrauch war, und durch den gelblich-gruͤnli-
chen, verdunkelnden Ton, den es uͤber die Tafeln verbreitete,
eines der Merkmale erzeugte, aus denen wir bey italieniſchen
Malereyen mit Sicherheit auf Schule oder Nachahmung neu-
griechiſcher Meiſter ſchließen duͤrfen.

Ein nicht minder ſicheres Kennzeichen griechiſcher Schule
oder Nachahmung gewaͤhren bey italieniſchen Denkmalen des
dreyzehnten Jahrhunderts die vergoldeten Gruͤnde der Tafeln.


*) Morrona, Pisa illustrata, To. II. Ed. sec. Capit. IV. §. 3.
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[312/0330] ſchon damals der Milch unreifer Feigen und anderer minder oͤligen Leime. Die Tafeln, welche in griechiſcher Manier aus- gefuͤhrt worden, ſey es von den Griechen ſelbſt, oder von ih- ren italieniſchen Nachahmern, neigen ſich dahingegen uͤberall zu einem dunkleren, gelblichen Hauptton, welches nicht durch- hin aus den Wirkungen des Lampenrauches zu erklaͤren iſt. Dieſe Wahrnehmung und die Zweifel, welche ſie hervorrief, bewogen den Morrona, verſchiedene alte Malereyen zu be- ſchaͤdigen, und ihre Truͤmmer, was ihm die Geſchichte ihrer ſelbſt willen verzeihen moͤge, einer chemiſchen Analyſe zu un- terwerfen *). Aus dieſer Scheidung, deren Genauigkeit wir nicht verbuͤrgen koͤnnen, ging ein Stoff hervor, den Branchi, der Scheidekuͤnſtler, fuͤr Wachs hielt; woraus zu folgen ſcheint, daß in der Malerey der Griechen einige Kunſtvortheile und Handgriffe des hoͤchſten Alterthums ſich erhalten haben, welche in Italien waͤhrend des Mittelalters ſicher verloren worden. Auf welche Weiſe indeß dieſes dichtere, doch immer noch pro- blematiſche Bindemittel von neueren Griechen verwendet wor- den, ob durch Miſchung mit den Farben, oder durch aͤußeren Ueberzug, duͤrfte nicht ſo leicht zu entſcheiden ſeyn. Genug daß ſolches in Gebrauch war, und durch den gelblich-gruͤnli- chen, verdunkelnden Ton, den es uͤber die Tafeln verbreitete, eines der Merkmale erzeugte, aus denen wir bey italieniſchen Malereyen mit Sicherheit auf Schule oder Nachahmung neu- griechiſcher Meiſter ſchließen duͤrfen. Ein nicht minder ſicheres Kennzeichen griechiſcher Schule oder Nachahmung gewaͤhren bey italieniſchen Denkmalen des dreyzehnten Jahrhunderts die vergoldeten Gruͤnde der Tafeln. *) Morrona, Pisa illustrata, To. II. Ed. sec. Capit. IV. §. 3.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/330>, abgerufen am 24.11.2024.