Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Kaisers Constantin und des Papstes Sylvester überwog der
christliche Glaube. Die Abgötterey erlitt so große Verfolgung,
daß alle Statuen und Malereyen zerstört, und die Kunst von
ihrer alten Würde und Achtbarkeit herabgewürdigt ward. Und
so vergingen mit den Statuen, Gemälden, Büchern, auch die
Grundzüge und Regeln, welche zu dieser herrlichen und liebli-
chen Kunst anleiten. Und um allen Anschein des Götzendien-
stes zu entfernen, verordneten sie, daß alle Kirchen weiß (un-
bemalt) seyn sollten. Damals ward, wer Bildsäulen und
Malereyen machte, mit schweren Strafen belegt; und so
ging die Bildner- und Malerkunst verloren und jeder Be-
griff derselben.

Nachdem es mit der Kunst vorbey war, standen die
Tempel unbemalt sechshundert Jahre lang. Die Griechen be-
gannen, die Kunst mit größter Ungeschicklichkeit wieder aus-
zuüben. In eben dem Maße, als die alten Griechen darin
geschickt waren, zeigten sie sich in diesem Zeitalter geistlos
und roh *)."

Durch neuere Untersuchungen ist es bekannt, daß bey
weitem nicht alle Kunstwerke des Alterthums durch christliche
Eiferer, wenn nicht Frevler, zerstört worden sind; anderntheils
haben die Verfolgungen christlicher Andachtsbilder, welche
Ghiberti offenbar mit jenem früheren Ereignisse vermischt
und verwechselt, nur im oströmischen Reiche, und auch dort
nur vorübergehend, statt gefunden; und aus vielen Umständen
erhellt, daß nicht einmal während des Bildersturmes die
Kunstübung je so gänzlich abgebrochen worden. Freilich wer-

*) Vergl. Vasari, proemio delle vite, p. 80, wo der Stoff
der Darstellung offenbar aus obiger Stelle entlehnt ist.
19 *

Kaiſers Conſtantin und des Papſtes Sylveſter uͤberwog der
chriſtliche Glaube. Die Abgoͤtterey erlitt ſo große Verfolgung,
daß alle Statuen und Malereyen zerſtoͤrt, und die Kunſt von
ihrer alten Wuͤrde und Achtbarkeit herabgewuͤrdigt ward. Und
ſo vergingen mit den Statuen, Gemaͤlden, Buͤchern, auch die
Grundzuͤge und Regeln, welche zu dieſer herrlichen und liebli-
chen Kunſt anleiten. Und um allen Anſchein des Goͤtzendien-
ſtes zu entfernen, verordneten ſie, daß alle Kirchen weiß (un-
bemalt) ſeyn ſollten. Damals ward, wer Bildſaͤulen und
Malereyen machte, mit ſchweren Strafen belegt; und ſo
ging die Bildner- und Malerkunſt verloren und jeder Be-
griff derſelben.

Nachdem es mit der Kunſt vorbey war, ſtanden die
Tempel unbemalt ſechshundert Jahre lang. Die Griechen be-
gannen, die Kunſt mit groͤßter Ungeſchicklichkeit wieder aus-
zuuͤben. In eben dem Maße, als die alten Griechen darin
geſchickt waren, zeigten ſie ſich in dieſem Zeitalter geiſtlos
und roh *).“

Durch neuere Unterſuchungen iſt es bekannt, daß bey
weitem nicht alle Kunſtwerke des Alterthums durch chriſtliche
Eiferer, wenn nicht Frevler, zerſtoͤrt worden ſind; anderntheils
haben die Verfolgungen chriſtlicher Andachtsbilder, welche
Ghiberti offenbar mit jenem fruͤheren Ereigniſſe vermiſcht
und verwechſelt, nur im oſtroͤmiſchen Reiche, und auch dort
nur voruͤbergehend, ſtatt gefunden; und aus vielen Umſtaͤnden
erhellt, daß nicht einmal waͤhrend des Bilderſturmes die
Kunſtuͤbung je ſo gaͤnzlich abgebrochen worden. Freilich wer-

*) Vergl. Vasari, proemio delle vite, p. 80, wo der Stoff
der Darſtellung offenbar aus obiger Stelle entlehnt iſt.
19 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0309" n="291"/>
Kai&#x017F;ers <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118565184">Con&#x017F;tantin</persName> und des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11861438X">Pap&#x017F;tes Sylve&#x017F;ter</persName> u&#x0364;berwog der<lb/>
chri&#x017F;tliche Glaube. Die Abgo&#x0364;tterey erlitt &#x017F;o große Verfolgung,<lb/>
daß alle Statuen und Malereyen zer&#x017F;to&#x0364;rt, und die Kun&#x017F;t von<lb/>
ihrer alten Wu&#x0364;rde und Achtbarkeit herabgewu&#x0364;rdigt ward. Und<lb/>
&#x017F;o vergingen mit den Statuen, Gema&#x0364;lden, Bu&#x0364;chern, auch die<lb/>
Grundzu&#x0364;ge und Regeln, welche zu die&#x017F;er herrlichen und liebli-<lb/>
chen Kun&#x017F;t anleiten. Und um allen An&#x017F;chein des Go&#x0364;tzendien-<lb/>
&#x017F;tes zu entfernen, verordneten &#x017F;ie, daß alle Kirchen weiß (un-<lb/>
bemalt) &#x017F;eyn &#x017F;ollten. Damals ward, wer Bild&#x017F;a&#x0364;ulen und<lb/>
Malereyen machte, mit &#x017F;chweren Strafen belegt; und &#x017F;o<lb/>
ging die Bildner- und Malerkun&#x017F;t verloren und jeder Be-<lb/>
griff der&#x017F;elben.</p><lb/>
          <p>Nachdem es mit der Kun&#x017F;t vorbey war, &#x017F;tanden die<lb/>
Tempel unbemalt &#x017F;echshundert Jahre lang. Die Griechen be-<lb/>
gannen, die Kun&#x017F;t mit gro&#x0364;ßter Unge&#x017F;chicklichkeit wieder aus-<lb/>
zuu&#x0364;ben. In eben dem Maße, als die alten Griechen darin<lb/>
ge&#x017F;chickt waren, zeigten &#x017F;ie &#x017F;ich in die&#x017F;em Zeitalter gei&#x017F;tlos<lb/>
und roh <note place="foot" n="*)">Vergl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vasari</persName></hi>, proemio delle vite, p.</hi> 80, wo der Stoff<lb/>
der Dar&#x017F;tellung offenbar aus obiger Stelle entlehnt i&#x017F;t.</note>.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Durch neuere Unter&#x017F;uchungen i&#x017F;t es bekannt, daß bey<lb/>
weitem nicht alle Kun&#x017F;twerke des Alterthums durch chri&#x017F;tliche<lb/>
Eiferer, wenn nicht Frevler, zer&#x017F;to&#x0364;rt worden &#x017F;ind; anderntheils<lb/>
haben die Verfolgungen chri&#x017F;tlicher Andachtsbilder, welche<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName></hi> offenbar mit jenem fru&#x0364;heren Ereigni&#x017F;&#x017F;e vermi&#x017F;cht<lb/>
und verwech&#x017F;elt, nur im o&#x017F;tro&#x0364;mi&#x017F;chen Reiche, und auch dort<lb/>
nur voru&#x0364;bergehend, &#x017F;tatt gefunden; und aus vielen Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
erhellt, daß nicht einmal wa&#x0364;hrend des Bilder&#x017F;turmes die<lb/>
Kun&#x017F;tu&#x0364;bung je &#x017F;o ga&#x0364;nzlich abgebrochen worden. Freilich wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">19 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0309] Kaiſers Conſtantin und des Papſtes Sylveſter uͤberwog der chriſtliche Glaube. Die Abgoͤtterey erlitt ſo große Verfolgung, daß alle Statuen und Malereyen zerſtoͤrt, und die Kunſt von ihrer alten Wuͤrde und Achtbarkeit herabgewuͤrdigt ward. Und ſo vergingen mit den Statuen, Gemaͤlden, Buͤchern, auch die Grundzuͤge und Regeln, welche zu dieſer herrlichen und liebli- chen Kunſt anleiten. Und um allen Anſchein des Goͤtzendien- ſtes zu entfernen, verordneten ſie, daß alle Kirchen weiß (un- bemalt) ſeyn ſollten. Damals ward, wer Bildſaͤulen und Malereyen machte, mit ſchweren Strafen belegt; und ſo ging die Bildner- und Malerkunſt verloren und jeder Be- griff derſelben. Nachdem es mit der Kunſt vorbey war, ſtanden die Tempel unbemalt ſechshundert Jahre lang. Die Griechen be- gannen, die Kunſt mit groͤßter Ungeſchicklichkeit wieder aus- zuuͤben. In eben dem Maße, als die alten Griechen darin geſchickt waren, zeigten ſie ſich in dieſem Zeitalter geiſtlos und roh *).“ Durch neuere Unterſuchungen iſt es bekannt, daß bey weitem nicht alle Kunſtwerke des Alterthums durch chriſtliche Eiferer, wenn nicht Frevler, zerſtoͤrt worden ſind; anderntheils haben die Verfolgungen chriſtlicher Andachtsbilder, welche Ghiberti offenbar mit jenem fruͤheren Ereigniſſe vermiſcht und verwechſelt, nur im oſtroͤmiſchen Reiche, und auch dort nur voruͤbergehend, ſtatt gefunden; und aus vielen Umſtaͤnden erhellt, daß nicht einmal waͤhrend des Bilderſturmes die Kunſtuͤbung je ſo gaͤnzlich abgebrochen worden. Freilich wer- *) Vergl. Vasari, proemio delle vite, p. 80, wo der Stoff der Darſtellung offenbar aus obiger Stelle entlehnt iſt. 19 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/309
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/309>, abgerufen am 16.05.2024.