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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Kirche Sta. Maria novella zu Florenz, noch wahrnehmen
können, ein beseelter und mächtiger Meister, dessen Ueberlegen-
heit von Zeitgenossen anerkannt worden, wie wir aus einem
Verse des Dante sehen, welche die rege Imagination des
Vasari getroffen, und wahrscheinlich mehr, als der Eindruck
jenes Gemäldes, ihn bestimmt hat, dem Cimabue eine wich-
tigere Stellung einzuräumen, als ihm wohl zukommen dürfte.

Allein, wie unentschieden es bleiben möge, ob Vasari
es jemals ernstlich gemeint, wo er eine gänzliche Unterbrechung
in der Fortübung gewöhnlicher Kunstfertigkeiten anzunehmen
scheint, so ist doch so viel gewiß, daß er den Zeitpunct, den
Gang, die Umstände und äußeren Veranlassungen des Auf-
schwunges der neueren Kunst nicht gründlich genug erforscht
hatte; daß er vielmehr in dieser Gegend der Kunsthistorie blo-
ßen Wahrscheinlichkeiten und ganz willkührlichen Verknüpfungen
gefolgt ist. Unter allen Umständen ist nicht anzunehmen, daß
er seine umständliche Jugendgeschichte des Cimabue aus alten
Materialien geschöpft habe. Der Schriftgebrauch war um die
Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts noch nicht so weit ver-
breitet, daß man schon damals, wie späterhin, Familienereig-
nisse und pädagogische Beobachtungen hätte aufzeichnen mögen;
toscanisch schrieb man noch nicht allgemein; wenigstens reichen
wenige Denkmale dieser Sprache so weit zurück; lateinisch zu
schreiben, setzte eine minder zugängliche Bildung voraus, wel-
che, wo sie erlangt worden, auf öffentliche Geschäfte aller Art
verwendet wurde; obwohl auch die lateinische Buchführung und
Geschichtschreibung der neuen Staaten von Toscana damals
durchhin erst im Entstehen war. Also wird Vasari's Ju-
gendgeschichte des Cimabue, wie die meisten ganz alten Maler,
im Durchschnitt seiner eigenen, poetisch angesehen, höchst an-

Kirche Sta. Maria novella zu Florenz, noch wahrnehmen
koͤnnen, ein beſeelter und maͤchtiger Meiſter, deſſen Ueberlegen-
heit von Zeitgenoſſen anerkannt worden, wie wir aus einem
Verſe des Dante ſehen, welche die rege Imagination des
Vaſari getroffen, und wahrſcheinlich mehr, als der Eindruck
jenes Gemaͤldes, ihn beſtimmt hat, dem Cimabue eine wich-
tigere Stellung einzuraͤumen, als ihm wohl zukommen duͤrfte.

Allein, wie unentſchieden es bleiben moͤge, ob Vaſari
es jemals ernſtlich gemeint, wo er eine gaͤnzliche Unterbrechung
in der Fortuͤbung gewoͤhnlicher Kunſtfertigkeiten anzunehmen
ſcheint, ſo iſt doch ſo viel gewiß, daß er den Zeitpunct, den
Gang, die Umſtaͤnde und aͤußeren Veranlaſſungen des Auf-
ſchwunges der neueren Kunſt nicht gruͤndlich genug erforſcht
hatte; daß er vielmehr in dieſer Gegend der Kunſthiſtorie blo-
ßen Wahrſcheinlichkeiten und ganz willkuͤhrlichen Verknuͤpfungen
gefolgt iſt. Unter allen Umſtaͤnden iſt nicht anzunehmen, daß
er ſeine umſtaͤndliche Jugendgeſchichte des Cimabue aus alten
Materialien geſchoͤpft habe. Der Schriftgebrauch war um die
Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts noch nicht ſo weit ver-
breitet, daß man ſchon damals, wie ſpaͤterhin, Familienereig-
niſſe und paͤdagogiſche Beobachtungen haͤtte aufzeichnen moͤgen;
toscaniſch ſchrieb man noch nicht allgemein; wenigſtens reichen
wenige Denkmale dieſer Sprache ſo weit zuruͤck; lateiniſch zu
ſchreiben, ſetzte eine minder zugaͤngliche Bildung voraus, wel-
che, wo ſie erlangt worden, auf oͤffentliche Geſchaͤfte aller Art
verwendet wurde; obwohl auch die lateiniſche Buchfuͤhrung und
Geſchichtſchreibung der neuen Staaten von Toscana damals
durchhin erſt im Entſtehen war. Alſo wird Vaſari’s Ju-
gendgeſchichte des Cimabue, wie die meiſten ganz alten Maler,
im Durchſchnitt ſeiner eigenen, poetiſch angeſehen, hoͤchſt an-

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[286/0304] Kirche Sta. Maria novella zu Florenz, noch wahrnehmen koͤnnen, ein beſeelter und maͤchtiger Meiſter, deſſen Ueberlegen- heit von Zeitgenoſſen anerkannt worden, wie wir aus einem Verſe des Dante ſehen, welche die rege Imagination des Vaſari getroffen, und wahrſcheinlich mehr, als der Eindruck jenes Gemaͤldes, ihn beſtimmt hat, dem Cimabue eine wich- tigere Stellung einzuraͤumen, als ihm wohl zukommen duͤrfte. Allein, wie unentſchieden es bleiben moͤge, ob Vaſari es jemals ernſtlich gemeint, wo er eine gaͤnzliche Unterbrechung in der Fortuͤbung gewoͤhnlicher Kunſtfertigkeiten anzunehmen ſcheint, ſo iſt doch ſo viel gewiß, daß er den Zeitpunct, den Gang, die Umſtaͤnde und aͤußeren Veranlaſſungen des Auf- ſchwunges der neueren Kunſt nicht gruͤndlich genug erforſcht hatte; daß er vielmehr in dieſer Gegend der Kunſthiſtorie blo- ßen Wahrſcheinlichkeiten und ganz willkuͤhrlichen Verknuͤpfungen gefolgt iſt. Unter allen Umſtaͤnden iſt nicht anzunehmen, daß er ſeine umſtaͤndliche Jugendgeſchichte des Cimabue aus alten Materialien geſchoͤpft habe. Der Schriftgebrauch war um die Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts noch nicht ſo weit ver- breitet, daß man ſchon damals, wie ſpaͤterhin, Familienereig- niſſe und paͤdagogiſche Beobachtungen haͤtte aufzeichnen moͤgen; toscaniſch ſchrieb man noch nicht allgemein; wenigſtens reichen wenige Denkmale dieſer Sprache ſo weit zuruͤck; lateiniſch zu ſchreiben, ſetzte eine minder zugaͤngliche Bildung voraus, wel- che, wo ſie erlangt worden, auf oͤffentliche Geſchaͤfte aller Art verwendet wurde; obwohl auch die lateiniſche Buchfuͤhrung und Geſchichtſchreibung der neuen Staaten von Toscana damals durchhin erſt im Entſtehen war. Alſo wird Vaſari’s Ju- gendgeſchichte des Cimabue, wie die meiſten ganz alten Maler, im Durchſchnitt ſeiner eigenen, poetiſch angeſehen, hoͤchſt an-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/304>, abgerufen am 23.11.2024.