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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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gebornen, wenn nicht eher gedankenlose Wiederholung eines
herkömmlichen Symbols. Die vier einzelnen Figuren, sogar
der Altar, sind nach dem Gebrauche des höheren Mittelalters
mit Beyschriften versehen. Ehe die Kunst das Vermögen er-
langt, im eigentlichsten Sinne darzustellen, so lange sie nur
an schon vorgebildete Begriffe oder an bekannte Ereignisse er-
innern will, unterstützt sie die noch unbeseelte Gestalt durch
Zeichen von willkührlicher Bedeutung, oder durch Schrift,
wenn solche, wie hier, schon vorhanden ist.

Nach der Taufe des Heilands, welche ebenfalls durch
Beyschriften erklärt wird, folgt die Anbetung der Könige.
Diese sind ganz mittelalterlich bekleidet, in kurzer, am Saume
besetzter Tunica, mit Mänteln, welche von einer Schulter her-
abhangen; der heil. Joseph hingegen, welcher den rechten Arm
auf die Lehne des Sessels, das Kinn auf die Hand stützt,
das Haupt mit vieler Wahrheit der Bewegung den Königen
zuwendet, erinnert an hochalterthümliche Simplicität. Das
Vorbild dieser Gestalt mochte, wenn auch in anderer Bedeu-
tung, dem Künstler auf altchristlichen Sarkophagen vorgekom-
men seyn; hingegen mögen die Könige selbst, deren bildliche
Darstellung so spät aufgekommen ist, seiner eigenen oder doch
der Erfindung barbarischer Zeiten angehören. Ich übergehe
die übrigen Darstellungen, weil sie dem künstlerischen Her-
kommen des Mittelalters entsprechen, mithin wenig Neues
darbieten.

Im Ganzen angesehen unterscheidet sich dieses Denkmal
von anderen ungefähr gleichzeitigen derselben Gegend durch
Behandlung und Verhältnisse. In ungefähr gleichzeitigen Ar-
beiten an der Vorseite und am Chore der Kirche S. Miniato
a Monte, in den ganz ähnlichen Tragsteinen der Rinnen an

gebornen, wenn nicht eher gedankenloſe Wiederholung eines
herkoͤmmlichen Symbols. Die vier einzelnen Figuren, ſogar
der Altar, ſind nach dem Gebrauche des hoͤheren Mittelalters
mit Beyſchriften verſehen. Ehe die Kunſt das Vermoͤgen er-
langt, im eigentlichſten Sinne darzuſtellen, ſo lange ſie nur
an ſchon vorgebildete Begriffe oder an bekannte Ereigniſſe er-
innern will, unterſtuͤtzt ſie die noch unbeſeelte Geſtalt durch
Zeichen von willkuͤhrlicher Bedeutung, oder durch Schrift,
wenn ſolche, wie hier, ſchon vorhanden iſt.

Nach der Taufe des Heilands, welche ebenfalls durch
Beyſchriften erklaͤrt wird, folgt die Anbetung der Koͤnige.
Dieſe ſind ganz mittelalterlich bekleidet, in kurzer, am Saume
beſetzter Tunica, mit Maͤnteln, welche von einer Schulter her-
abhangen; der heil. Joſeph hingegen, welcher den rechten Arm
auf die Lehne des Seſſels, das Kinn auf die Hand ſtuͤtzt,
das Haupt mit vieler Wahrheit der Bewegung den Koͤnigen
zuwendet, erinnert an hochalterthuͤmliche Simplicitaͤt. Das
Vorbild dieſer Geſtalt mochte, wenn auch in anderer Bedeu-
tung, dem Kuͤnſtler auf altchriſtlichen Sarkophagen vorgekom-
men ſeyn; hingegen moͤgen die Koͤnige ſelbſt, deren bildliche
Darſtellung ſo ſpaͤt aufgekommen iſt, ſeiner eigenen oder doch
der Erfindung barbariſcher Zeiten angehoͤren. Ich uͤbergehe
die uͤbrigen Darſtellungen, weil ſie dem kuͤnſtleriſchen Her-
kommen des Mittelalters entſprechen, mithin wenig Neues
darbieten.

Im Ganzen angeſehen unterſcheidet ſich dieſes Denkmal
von anderen ungefaͤhr gleichzeitigen derſelben Gegend durch
Behandlung und Verhaͤltniſſe. In ungefaͤhr gleichzeitigen Ar-
beiten an der Vorſeite und am Chore der Kirche S. Miniato
a Monte, in den ganz aͤhnlichen Tragſteinen der Rinnen an

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[254/0272] gebornen, wenn nicht eher gedankenloſe Wiederholung eines herkoͤmmlichen Symbols. Die vier einzelnen Figuren, ſogar der Altar, ſind nach dem Gebrauche des hoͤheren Mittelalters mit Beyſchriften verſehen. Ehe die Kunſt das Vermoͤgen er- langt, im eigentlichſten Sinne darzuſtellen, ſo lange ſie nur an ſchon vorgebildete Begriffe oder an bekannte Ereigniſſe er- innern will, unterſtuͤtzt ſie die noch unbeſeelte Geſtalt durch Zeichen von willkuͤhrlicher Bedeutung, oder durch Schrift, wenn ſolche, wie hier, ſchon vorhanden iſt. Nach der Taufe des Heilands, welche ebenfalls durch Beyſchriften erklaͤrt wird, folgt die Anbetung der Koͤnige. Dieſe ſind ganz mittelalterlich bekleidet, in kurzer, am Saume beſetzter Tunica, mit Maͤnteln, welche von einer Schulter her- abhangen; der heil. Joſeph hingegen, welcher den rechten Arm auf die Lehne des Seſſels, das Kinn auf die Hand ſtuͤtzt, das Haupt mit vieler Wahrheit der Bewegung den Koͤnigen zuwendet, erinnert an hochalterthuͤmliche Simplicitaͤt. Das Vorbild dieſer Geſtalt mochte, wenn auch in anderer Bedeu- tung, dem Kuͤnſtler auf altchriſtlichen Sarkophagen vorgekom- men ſeyn; hingegen moͤgen die Koͤnige ſelbſt, deren bildliche Darſtellung ſo ſpaͤt aufgekommen iſt, ſeiner eigenen oder doch der Erfindung barbariſcher Zeiten angehoͤren. Ich uͤbergehe die uͤbrigen Darſtellungen, weil ſie dem kuͤnſtleriſchen Her- kommen des Mittelalters entſprechen, mithin wenig Neues darbieten. Im Ganzen angeſehen unterſcheidet ſich dieſes Denkmal von anderen ungefaͤhr gleichzeitigen derſelben Gegend durch Behandlung und Verhaͤltniſſe. In ungefaͤhr gleichzeitigen Ar- beiten an der Vorſeite und am Chore der Kirche S. Miniato a Monte, in den ganz aͤhnlichen Tragſteinen der Rinnen an

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/272>, abgerufen am 22.05.2024.