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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Bey dieser Untersuchung dürfen wir nicht übersehen, daß
die Baukunst, welche ihrem Zwecke nach menschlicher und bür-
gerlicher Bedürftigkeit dient, ihrem Wesen nach auf Vernunft
und Muth beruht, gleichzeitig theils beym Alten blieb, theils
sogar an Muth und Freyheit sichtlich zunahm. Denn eben
darin, daß man unausgesetzt und in zunehmenden Ausdehnun-
gen Kirchen erbauete, welche in den Städten, wie die Tempel
des alten Roms, bey wichtigen Angelegenheiten des Gemein-
wohls auch zur Berathung dienten *), darin, daß man städ-
tische Mauern stärkte und erweiterte, überhaupt für gemeinen
Nutzen keine Bauunternehmung zu groß und kostspielig fand;
erkenne ich den wahren Geist des verworrenen, doch lebenvol-
len Treibens, in welchem zwar nun auch die letzten Nachwir-
kungen der antiken Cultur untergegangen sind, doch zugleich
das neue Italien mit seinen blühenden Freystaaten, seinem
scharfen Lebensverstande, seiner munteren Kunst, anmuthvollen
Sprache, Dichtung, Musik, sich entwickelt hat. Auf Grün-
dung und Stiftung ging man aus, den Sinn einzig auf Be-
nutzung und Mehrung des Erworbenen gerichtet; einer solchen
Richtung des Geistes mußte die Baukunst unentbehrlich erschei-
nen, weil sie dem Bedürfniß diente. Da sie nun in frischer
Thätigkeit erhalten, mehr und mehr die Fähigkeit entwickelte,
zu leisten; so ward sie späterhin unter allen Künsten zuerst in
Anspruch genommen, als die städtischen Gemeinwesen began-
nen, Kraft zu entwickeln und nach Glanz und Herrlichkeit
zu streben.


*) Z. B. s. Piero Scheraggio, eine der ältesten Basiliken
zu Florenz, deren letzter Ueberrest unter Peter Leopold abgetragen
worden. S. Malaspina, Villani und andere florentinische
Annalisten, oder neuere Topographen dieser Stadt.

Bey dieſer Unterſuchung duͤrfen wir nicht uͤberſehen, daß
die Baukunſt, welche ihrem Zwecke nach menſchlicher und buͤr-
gerlicher Beduͤrftigkeit dient, ihrem Weſen nach auf Vernunft
und Muth beruht, gleichzeitig theils beym Alten blieb, theils
ſogar an Muth und Freyheit ſichtlich zunahm. Denn eben
darin, daß man unausgeſetzt und in zunehmenden Ausdehnun-
gen Kirchen erbauete, welche in den Staͤdten, wie die Tempel
des alten Roms, bey wichtigen Angelegenheiten des Gemein-
wohls auch zur Berathung dienten *), darin, daß man ſtaͤd-
tiſche Mauern ſtaͤrkte und erweiterte, uͤberhaupt fuͤr gemeinen
Nutzen keine Bauunternehmung zu groß und koſtſpielig fand;
erkenne ich den wahren Geiſt des verworrenen, doch lebenvol-
len Treibens, in welchem zwar nun auch die letzten Nachwir-
kungen der antiken Cultur untergegangen ſind, doch zugleich
das neue Italien mit ſeinen bluͤhenden Freyſtaaten, ſeinem
ſcharfen Lebensverſtande, ſeiner munteren Kunſt, anmuthvollen
Sprache, Dichtung, Muſik, ſich entwickelt hat. Auf Gruͤn-
dung und Stiftung ging man aus, den Sinn einzig auf Be-
nutzung und Mehrung des Erworbenen gerichtet; einer ſolchen
Richtung des Geiſtes mußte die Baukunſt unentbehrlich erſchei-
nen, weil ſie dem Beduͤrfniß diente. Da ſie nun in friſcher
Thaͤtigkeit erhalten, mehr und mehr die Faͤhigkeit entwickelte,
zu leiſten; ſo ward ſie ſpaͤterhin unter allen Kuͤnſten zuerſt in
Anſpruch genommen, als die ſtaͤdtiſchen Gemeinweſen began-
nen, Kraft zu entwickeln und nach Glanz und Herrlichkeit
zu ſtreben.


*) Z. B. ſ. Piero Scheraggio, eine der aͤlteſten Baſiliken
zu Florenz, deren letzter Ueberreſt unter Peter Leopold abgetragen
worden. S. Malaſpina, Villani und andere florentiniſche
Annaliſten, oder neuere Topographen dieſer Stadt.
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[236/0254] Bey dieſer Unterſuchung duͤrfen wir nicht uͤberſehen, daß die Baukunſt, welche ihrem Zwecke nach menſchlicher und buͤr- gerlicher Beduͤrftigkeit dient, ihrem Weſen nach auf Vernunft und Muth beruht, gleichzeitig theils beym Alten blieb, theils ſogar an Muth und Freyheit ſichtlich zunahm. Denn eben darin, daß man unausgeſetzt und in zunehmenden Ausdehnun- gen Kirchen erbauete, welche in den Staͤdten, wie die Tempel des alten Roms, bey wichtigen Angelegenheiten des Gemein- wohls auch zur Berathung dienten *), darin, daß man ſtaͤd- tiſche Mauern ſtaͤrkte und erweiterte, uͤberhaupt fuͤr gemeinen Nutzen keine Bauunternehmung zu groß und koſtſpielig fand; erkenne ich den wahren Geiſt des verworrenen, doch lebenvol- len Treibens, in welchem zwar nun auch die letzten Nachwir- kungen der antiken Cultur untergegangen ſind, doch zugleich das neue Italien mit ſeinen bluͤhenden Freyſtaaten, ſeinem ſcharfen Lebensverſtande, ſeiner munteren Kunſt, anmuthvollen Sprache, Dichtung, Muſik, ſich entwickelt hat. Auf Gruͤn- dung und Stiftung ging man aus, den Sinn einzig auf Be- nutzung und Mehrung des Erworbenen gerichtet; einer ſolchen Richtung des Geiſtes mußte die Baukunſt unentbehrlich erſchei- nen, weil ſie dem Beduͤrfniß diente. Da ſie nun in friſcher Thaͤtigkeit erhalten, mehr und mehr die Faͤhigkeit entwickelte, zu leiſten; ſo ward ſie ſpaͤterhin unter allen Kuͤnſten zuerſt in Anſpruch genommen, als die ſtaͤdtiſchen Gemeinweſen began- nen, Kraft zu entwickeln und nach Glanz und Herrlichkeit zu ſtreben. *) Z. B. ſ. Piero Scheraggio, eine der aͤlteſten Baſiliken zu Florenz, deren letzter Ueberreſt unter Peter Leopold abgetragen worden. S. Malaſpina, Villani und andere florentiniſche Annaliſten, oder neuere Topographen dieſer Stadt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/254>, abgerufen am 22.11.2024.