stellen ist, wenn man unterläßt, oder die Mittel nicht anwen- den will, jedes Denkmal einzeln zeichnen zu lassen, um nach Bedürfniß seinen Stoff versammelt vor Augen zu haben. Für meinen beschränkten Zweck genügt es indeß, das Durchwal- tende hervorzuheben, vornehmlich, in so fern es die Geschichte der neueren Kunst begründet und aufklärt. Und da ich solches bereits, so viel als mir möglich war und nützlich schien, voll- bracht habe, so will ich mich jetzt darauf einschränken, in der Kürze nachzutragen, was etwa noch unberührt geblieben.
Zunächst erinnere ich, daß, eben wie der Weltlehrer, die Propheten, die Apostel, oder wie die einzelnen Gestalten der sinnbildlich verwendeten biblischen Ereignisse, so auch die Mut- ter des Herrn, wo sie vorkommt, stets in antiker Bekleidung erscheint, nemlich in der Tracht römischer Matronen; wie es denn an sich selbst bemerkenswerth ist, daß die feststehende Bekleidung dieser alten Kunstgebilde überall mehr römisch als griechisch ist. Gleichfalls bedarf es einiger Erwähnung, daß die sinnbildlich-evangelischen Geschichten frühzeitig durch Bege- benheiten des alten Testaments vermehrt worden, theils schon des prophetischen Sinnes willen, theils auch um der noch vor- waltenden Triebkraft antiker Kunst die Richtung auf Dinge zu geben, welche durch ihre entferntere Stellung zum Christen- thume den Spitzfindigkeiten des Sectengeistes weniger ausge- setzt waren.
Darstellungen dieser Art waren im christlichen Alterthume nach den Schriftstellern und Concilien überaus gewöhnlich, wichen indeß späterhin einigen neueren Vorstellungen der Lei- densgeschichte, deren ausführlicher Darstellung die älteren Chri- sten sich lange erwehrt hatten; der Mutter mit dem Kinde; wie endlich den Bildnissen und Lebensereignissen neuerer Hei-
ſtellen iſt, wenn man unterlaͤßt, oder die Mittel nicht anwen- den will, jedes Denkmal einzeln zeichnen zu laſſen, um nach Beduͤrfniß ſeinen Stoff verſammelt vor Augen zu haben. Fuͤr meinen beſchraͤnkten Zweck genuͤgt es indeß, das Durchwal- tende hervorzuheben, vornehmlich, in ſo fern es die Geſchichte der neueren Kunſt begruͤndet und aufklaͤrt. Und da ich ſolches bereits, ſo viel als mir moͤglich war und nuͤtzlich ſchien, voll- bracht habe, ſo will ich mich jetzt darauf einſchraͤnken, in der Kuͤrze nachzutragen, was etwa noch unberuͤhrt geblieben.
Zunaͤchſt erinnere ich, daß, eben wie der Weltlehrer, die Propheten, die Apoſtel, oder wie die einzelnen Geſtalten der ſinnbildlich verwendeten bibliſchen Ereigniſſe, ſo auch die Mut- ter des Herrn, wo ſie vorkommt, ſtets in antiker Bekleidung erſcheint, nemlich in der Tracht roͤmiſcher Matronen; wie es denn an ſich ſelbſt bemerkenswerth iſt, daß die feſtſtehende Bekleidung dieſer alten Kunſtgebilde uͤberall mehr roͤmiſch als griechiſch iſt. Gleichfalls bedarf es einiger Erwaͤhnung, daß die ſinnbildlich-evangeliſchen Geſchichten fruͤhzeitig durch Bege- benheiten des alten Teſtaments vermehrt worden, theils ſchon des prophetiſchen Sinnes willen, theils auch um der noch vor- waltenden Triebkraft antiker Kunſt die Richtung auf Dinge zu geben, welche durch ihre entferntere Stellung zum Chriſten- thume den Spitzfindigkeiten des Sectengeiſtes weniger ausge- ſetzt waren.
Darſtellungen dieſer Art waren im chriſtlichen Alterthume nach den Schriftſtellern und Concilien uͤberaus gewoͤhnlich, wichen indeß ſpaͤterhin einigen neueren Vorſtellungen der Lei- densgeſchichte, deren ausfuͤhrlicher Darſtellung die aͤlteren Chri- ſten ſich lange erwehrt hatten; der Mutter mit dem Kinde; wie endlich den Bildniſſen und Lebensereigniſſen neuerer Hei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0192"n="174"/>ſtellen iſt, wenn man unterlaͤßt, oder die Mittel nicht anwen-<lb/>
den will, jedes Denkmal einzeln zeichnen zu laſſen, um nach<lb/>
Beduͤrfniß ſeinen Stoff verſammelt vor Augen zu haben. Fuͤr<lb/>
meinen beſchraͤnkten Zweck genuͤgt es indeß, das Durchwal-<lb/>
tende hervorzuheben, vornehmlich, in ſo fern es die Geſchichte<lb/>
der neueren Kunſt begruͤndet und aufklaͤrt. Und da ich ſolches<lb/>
bereits, ſo viel als mir moͤglich war und nuͤtzlich ſchien, voll-<lb/>
bracht habe, ſo will ich mich jetzt darauf einſchraͤnken, in der<lb/>
Kuͤrze nachzutragen, was etwa noch unberuͤhrt geblieben.</p><lb/><p>Zunaͤchſt erinnere ich, daß, eben wie der Weltlehrer, die<lb/>
Propheten, die Apoſtel, oder wie die einzelnen Geſtalten der<lb/>ſinnbildlich verwendeten bibliſchen Ereigniſſe, ſo auch die Mut-<lb/>
ter des Herrn, wo ſie vorkommt, ſtets in antiker Bekleidung<lb/>
erſcheint, nemlich in der Tracht roͤmiſcher Matronen; wie es<lb/>
denn an ſich ſelbſt bemerkenswerth iſt, daß die feſtſtehende<lb/>
Bekleidung dieſer alten Kunſtgebilde uͤberall mehr roͤmiſch als<lb/>
griechiſch iſt. Gleichfalls bedarf es einiger Erwaͤhnung, daß<lb/>
die ſinnbildlich-evangeliſchen Geſchichten fruͤhzeitig durch Bege-<lb/>
benheiten des alten Teſtaments vermehrt worden, theils ſchon<lb/>
des prophetiſchen Sinnes willen, theils auch um der noch vor-<lb/>
waltenden Triebkraft antiker Kunſt die Richtung auf Dinge<lb/>
zu geben, welche durch ihre entferntere Stellung zum Chriſten-<lb/>
thume den Spitzfindigkeiten des Sectengeiſtes weniger ausge-<lb/>ſetzt waren.</p><lb/><p>Darſtellungen dieſer Art waren im chriſtlichen Alterthume<lb/>
nach den Schriftſtellern und Concilien uͤberaus gewoͤhnlich,<lb/>
wichen indeß ſpaͤterhin einigen neueren Vorſtellungen der Lei-<lb/>
densgeſchichte, deren ausfuͤhrlicher Darſtellung die aͤlteren Chri-<lb/>ſten ſich lange erwehrt hatten; der Mutter mit dem Kinde;<lb/>
wie endlich den Bildniſſen und Lebensereigniſſen neuerer Hei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[174/0192]
ſtellen iſt, wenn man unterlaͤßt, oder die Mittel nicht anwen-
den will, jedes Denkmal einzeln zeichnen zu laſſen, um nach
Beduͤrfniß ſeinen Stoff verſammelt vor Augen zu haben. Fuͤr
meinen beſchraͤnkten Zweck genuͤgt es indeß, das Durchwal-
tende hervorzuheben, vornehmlich, in ſo fern es die Geſchichte
der neueren Kunſt begruͤndet und aufklaͤrt. Und da ich ſolches
bereits, ſo viel als mir moͤglich war und nuͤtzlich ſchien, voll-
bracht habe, ſo will ich mich jetzt darauf einſchraͤnken, in der
Kuͤrze nachzutragen, was etwa noch unberuͤhrt geblieben.
Zunaͤchſt erinnere ich, daß, eben wie der Weltlehrer, die
Propheten, die Apoſtel, oder wie die einzelnen Geſtalten der
ſinnbildlich verwendeten bibliſchen Ereigniſſe, ſo auch die Mut-
ter des Herrn, wo ſie vorkommt, ſtets in antiker Bekleidung
erſcheint, nemlich in der Tracht roͤmiſcher Matronen; wie es
denn an ſich ſelbſt bemerkenswerth iſt, daß die feſtſtehende
Bekleidung dieſer alten Kunſtgebilde uͤberall mehr roͤmiſch als
griechiſch iſt. Gleichfalls bedarf es einiger Erwaͤhnung, daß
die ſinnbildlich-evangeliſchen Geſchichten fruͤhzeitig durch Bege-
benheiten des alten Teſtaments vermehrt worden, theils ſchon
des prophetiſchen Sinnes willen, theils auch um der noch vor-
waltenden Triebkraft antiker Kunſt die Richtung auf Dinge
zu geben, welche durch ihre entferntere Stellung zum Chriſten-
thume den Spitzfindigkeiten des Sectengeiſtes weniger ausge-
ſetzt waren.
Darſtellungen dieſer Art waren im chriſtlichen Alterthume
nach den Schriftſtellern und Concilien uͤberaus gewoͤhnlich,
wichen indeß ſpaͤterhin einigen neueren Vorſtellungen der Lei-
densgeſchichte, deren ausfuͤhrlicher Darſtellung die aͤlteren Chri-
ſten ſich lange erwehrt hatten; der Mutter mit dem Kinde;
wie endlich den Bildniſſen und Lebensereigniſſen neuerer Hei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/192>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.