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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Ihre Malereyen sind unstreitig copirt; denn in den Gelenken,
in den Händen und Füßen zeigt sich derselbe Mangel an Ein-
sicht, der in den griechisch-mittelalterlichen Malereyen überall
vorkommt; allein in dem Geiste der Erfindung, in den Trach-
ten und Bewaffnungen, steht sie dem classischen Alterthume
so nahe, daß mir unter den altchristlichen Denkmalen durch-
aus nichts vorgekommen ist, was, künstlerisch betrachtet, gleich
trefflich wäre. An einer Stelle, wo Besiegte vor dem Sessel
des Feldherrn um Gnade flehen, drängt sich die Vermuthung
unwiderstehlich auf, daß dem ersten Erfinder irgend ein Achill,
ein Alexander oder ein anderer Kriegesfürst des Alterthumes
vorgeschwebt, in welchem menschliches Mitleid und kriegerische
Strenge um die Oberhand kämpfen.

Der größte Theil indeß alles dessen, was in den alt-
christlichen Denkmalen mehr in das Gebiet der Andeutung
fällt, als in jenes andere der ächt künstlerischen Darstellung,
ist geradehin aus christlichen Erinnerungen, Gebräuchen und
Vorstellungen entstanden. Unter diesen wird uns freilich nur
Solches betreffen, was auf irgend eine Weise in die Kunst
hinübergreift; alle, oder doch die meisten außerkünstlerischen
Symbole der Christen, sind ohnehin erst vor Kurzem mit
großer Sorgfalt in einer belehrenden Monographie verei-
nigt worden *).

Unter den Allegorieen, welche auf Gleichnisse und bedeu-
tendere Vorgänge der Schrift gegründet worden, ist der gute

*) Münter, Dr. Fr., Sinnbilder und Kunstvorstellungen der
alten Christen, Altona 1825. 4. zwey Hefte. In diesem Werke des
gelehrten Bischofs werden solche, welche diesen Zweig der Kunstge-
schichte weiter ausbilden wollen, als hier meine Aufgabe ist, einen
wichtigen Theil ihrer Lit. verzeichnet finden.

Ihre Malereyen ſind unſtreitig copirt; denn in den Gelenken,
in den Haͤnden und Fuͤßen zeigt ſich derſelbe Mangel an Ein-
ſicht, der in den griechiſch-mittelalterlichen Malereyen uͤberall
vorkommt; allein in dem Geiſte der Erfindung, in den Trach-
ten und Bewaffnungen, ſteht ſie dem claſſiſchen Alterthume
ſo nahe, daß mir unter den altchriſtlichen Denkmalen durch-
aus nichts vorgekommen iſt, was, kuͤnſtleriſch betrachtet, gleich
trefflich waͤre. An einer Stelle, wo Beſiegte vor dem Seſſel
des Feldherrn um Gnade flehen, draͤngt ſich die Vermuthung
unwiderſtehlich auf, daß dem erſten Erfinder irgend ein Achill,
ein Alexander oder ein anderer Kriegesfuͤrſt des Alterthumes
vorgeſchwebt, in welchem menſchliches Mitleid und kriegeriſche
Strenge um die Oberhand kaͤmpfen.

Der groͤßte Theil indeß alles deſſen, was in den alt-
chriſtlichen Denkmalen mehr in das Gebiet der Andeutung
faͤllt, als in jenes andere der aͤcht kuͤnſtleriſchen Darſtellung,
iſt geradehin aus chriſtlichen Erinnerungen, Gebraͤuchen und
Vorſtellungen entſtanden. Unter dieſen wird uns freilich nur
Solches betreffen, was auf irgend eine Weiſe in die Kunſt
hinuͤbergreift; alle, oder doch die meiſten außerkuͤnſtleriſchen
Symbole der Chriſten, ſind ohnehin erſt vor Kurzem mit
großer Sorgfalt in einer belehrenden Monographie verei-
nigt worden *).

Unter den Allegorieen, welche auf Gleichniſſe und bedeu-
tendere Vorgaͤnge der Schrift gegruͤndet worden, iſt der gute

*) Muͤnter, Dr. Fr., Sinnbilder und Kunſtvorſtellungen der
alten Chriſten, Altona 1825. 4. zwey Hefte. In dieſem Werke des
gelehrten Biſchofs werden ſolche, welche dieſen Zweig der Kunſtge-
ſchichte weiter ausbilden wollen, als hier meine Aufgabe iſt, einen
wichtigen Theil ihrer Lit. verzeichnet finden.
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[167/0185] Ihre Malereyen ſind unſtreitig copirt; denn in den Gelenken, in den Haͤnden und Fuͤßen zeigt ſich derſelbe Mangel an Ein- ſicht, der in den griechiſch-mittelalterlichen Malereyen uͤberall vorkommt; allein in dem Geiſte der Erfindung, in den Trach- ten und Bewaffnungen, ſteht ſie dem claſſiſchen Alterthume ſo nahe, daß mir unter den altchriſtlichen Denkmalen durch- aus nichts vorgekommen iſt, was, kuͤnſtleriſch betrachtet, gleich trefflich waͤre. An einer Stelle, wo Beſiegte vor dem Seſſel des Feldherrn um Gnade flehen, draͤngt ſich die Vermuthung unwiderſtehlich auf, daß dem erſten Erfinder irgend ein Achill, ein Alexander oder ein anderer Kriegesfuͤrſt des Alterthumes vorgeſchwebt, in welchem menſchliches Mitleid und kriegeriſche Strenge um die Oberhand kaͤmpfen. Der groͤßte Theil indeß alles deſſen, was in den alt- chriſtlichen Denkmalen mehr in das Gebiet der Andeutung faͤllt, als in jenes andere der aͤcht kuͤnſtleriſchen Darſtellung, iſt geradehin aus chriſtlichen Erinnerungen, Gebraͤuchen und Vorſtellungen entſtanden. Unter dieſen wird uns freilich nur Solches betreffen, was auf irgend eine Weiſe in die Kunſt hinuͤbergreift; alle, oder doch die meiſten außerkuͤnſtleriſchen Symbole der Chriſten, ſind ohnehin erſt vor Kurzem mit großer Sorgfalt in einer belehrenden Monographie verei- nigt worden *). Unter den Allegorieen, welche auf Gleichniſſe und bedeu- tendere Vorgaͤnge der Schrift gegruͤndet worden, iſt der gute *) Muͤnter, Dr. Fr., Sinnbilder und Kunſtvorſtellungen der alten Chriſten, Altona 1825. 4. zwey Hefte. In dieſem Werke des gelehrten Biſchofs werden ſolche, welche dieſen Zweig der Kunſtge- ſchichte weiter ausbilden wollen, als hier meine Aufgabe iſt, einen wichtigen Theil ihrer Lit. verzeichnet finden.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/185>, abgerufen am 01.05.2024.