wenn es hier nicht zu weit ablenkte, auch am sogenannten Malerischen der Niederländer nachweisen könnte, bey weitem mehr durch den rohen Kunststoff und durch dessen Anwendung und Behandlung bedingt wird, als durch die Beschaffenheit der wirklichen Formen, welche darin zu irgend einem Kunst- zwecke nachgebildet worden: so fragt es sich in dieser Bezie- hung nicht sowohl, ob Gegenstände der sinnlichen Anschauung an sich selbst gut in die Augen fallen, als vielmehr, ob sie innerhalb der Grenzen der jedesmal zur Hand liegenden Kunst- art bequem, leicht erfaßlich, mithin gefällig können ausge- drückt werden. Bey der Wahl und Nachbildung von Gegen- ständen der sinnlichen Anschauung kommt es demnach nicht sowohl auf deren selbstständige Schönheit an, als einzig auf ihre Darstellbarkeit; im Kunstwerke selbst wird aber das gute oder üble Ansehen so gewählter Gegenstände der Nachbildung das Ergebniß der technischen Vortheile seyn, oder des Kunst-, nicht des Natur-Geschmackes, den der jedesmalige Künstler sich anzueignen das Glück und die Fähigkeit besessen. Aller- dings nun wird der Künstler bemüht seyn müssen, solche Vor- theile oder einen solchen Geschmack sich anzueignen, damit er den äußeren Sinn nicht verletze, der unter allen Umständen den ersten Eindruck seines Werkes aufnimmt, ehe er ihn hö- heren Lebensthätigkeiten überliefert. Doch möge er sich nicht versprechen, jemals in dieser Beziehung Allen gleichmäßig ge- recht zu werden, weil die Empfänglichkeit des Auges auch un- ter den gesund und scharf Sehenden verschieden ist, weshalb er, schon um die erste Bedingung aller bloß sinnlichen Wohl- gefälligkeit, die Uebereinstimmung der Arbeit, nicht etwa durch Schwanken zu verfehlen, durchaus seinem eigenen Sinne nach- gehen muß. Ist nun diese erste und niedrigste Schönheit in
wenn es hier nicht zu weit ablenkte, auch am ſogenannten Maleriſchen der Niederlaͤnder nachweiſen koͤnnte, bey weitem mehr durch den rohen Kunſtſtoff und durch deſſen Anwendung und Behandlung bedingt wird, als durch die Beſchaffenheit der wirklichen Formen, welche darin zu irgend einem Kunſt- zwecke nachgebildet worden: ſo fragt es ſich in dieſer Bezie- hung nicht ſowohl, ob Gegenſtaͤnde der ſinnlichen Anſchauung an ſich ſelbſt gut in die Augen fallen, als vielmehr, ob ſie innerhalb der Grenzen der jedesmal zur Hand liegenden Kunſt- art bequem, leicht erfaßlich, mithin gefaͤllig koͤnnen ausge- druͤckt werden. Bey der Wahl und Nachbildung von Gegen- ſtaͤnden der ſinnlichen Anſchauung kommt es demnach nicht ſowohl auf deren ſelbſtſtaͤndige Schoͤnheit an, als einzig auf ihre Darſtellbarkeit; im Kunſtwerke ſelbſt wird aber das gute oder uͤble Anſehen ſo gewaͤhlter Gegenſtaͤnde der Nachbildung das Ergebniß der techniſchen Vortheile ſeyn, oder des Kunſt-, nicht des Natur-Geſchmackes, den der jedesmalige Kuͤnſtler ſich anzueignen das Gluͤck und die Faͤhigkeit beſeſſen. Aller- dings nun wird der Kuͤnſtler bemuͤht ſeyn muͤſſen, ſolche Vor- theile oder einen ſolchen Geſchmack ſich anzueignen, damit er den aͤußeren Sinn nicht verletze, der unter allen Umſtaͤnden den erſten Eindruck ſeines Werkes aufnimmt, ehe er ihn hoͤ- heren Lebensthaͤtigkeiten uͤberliefert. Doch moͤge er ſich nicht verſprechen, jemals in dieſer Beziehung Allen gleichmaͤßig ge- recht zu werden, weil die Empfaͤnglichkeit des Auges auch un- ter den geſund und ſcharf Sehenden verſchieden iſt, weshalb er, ſchon um die erſte Bedingung aller bloß ſinnlichen Wohl- gefaͤlligkeit, die Uebereinſtimmung der Arbeit, nicht etwa durch Schwanken zu verfehlen, durchaus ſeinem eigenen Sinne nach- gehen muß. Iſt nun dieſe erſte und niedrigſte Schoͤnheit in
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wenn es hier nicht zu weit ablenkte, auch am ſogenannten
Maleriſchen der Niederlaͤnder nachweiſen koͤnnte, bey weitem
mehr durch den rohen Kunſtſtoff und durch deſſen Anwendung
und Behandlung bedingt wird, als durch die Beſchaffenheit
der wirklichen Formen, welche darin zu irgend einem Kunſt-
zwecke nachgebildet worden: ſo fragt es ſich in dieſer Bezie-
hung nicht ſowohl, ob Gegenſtaͤnde der ſinnlichen Anſchauung
an ſich ſelbſt gut in die Augen fallen, als vielmehr, ob ſie
innerhalb der Grenzen der jedesmal zur Hand liegenden Kunſt-
art bequem, leicht erfaßlich, mithin gefaͤllig koͤnnen ausge-
druͤckt werden. Bey der Wahl und Nachbildung von Gegen-
ſtaͤnden der ſinnlichen Anſchauung kommt es demnach nicht
ſowohl auf deren ſelbſtſtaͤndige Schoͤnheit an, als einzig auf
ihre Darſtellbarkeit; im Kunſtwerke ſelbſt wird aber das gute
oder uͤble Anſehen ſo gewaͤhlter Gegenſtaͤnde der Nachbildung
das Ergebniß der techniſchen Vortheile ſeyn, oder des Kunſt-,
nicht des Natur-Geſchmackes, den der jedesmalige Kuͤnſtler
ſich anzueignen das Gluͤck und die Faͤhigkeit beſeſſen. Aller-
dings nun wird der Kuͤnſtler bemuͤht ſeyn muͤſſen, ſolche Vor-
theile oder einen ſolchen Geſchmack ſich anzueignen, damit er
den aͤußeren Sinn nicht verletze, der unter allen Umſtaͤnden
den erſten Eindruck ſeines Werkes aufnimmt, ehe er ihn hoͤ-
heren Lebensthaͤtigkeiten uͤberliefert. Doch moͤge er ſich nicht
verſprechen, jemals in dieſer Beziehung Allen gleichmaͤßig ge-
recht zu werden, weil die Empfaͤnglichkeit des Auges auch un-
ter den geſund und ſcharf Sehenden verſchieden iſt, weshalb
er, ſchon um die erſte Bedingung aller bloß ſinnlichen Wohl-
gefaͤlligkeit, die Uebereinſtimmung der Arbeit, nicht etwa durch
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/168>, abgerufen am 28.11.2024.
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