Schiller*), welcher den dritten, ganz ethischen Theil der Schönheit höchst meisterlich durchdacht, unterscheidet denselben mit großer Schärfe, wenigstens von dem zweyten, den er den architectonischen nennt. Nach solchen Vorgängern wage ich, die Anregungen des Schönheitsgefühles, nach jedesmaliger Beschaffenheit des letzteren, in drey durchaus verschiedene Gat- tungen zu zerlegen und in Bezug auf deren Art, Beschaffen- heit und Verhältniß zur Kunst eine jede für sich allein zu betrachten.
Die erste und einleuchtend die niedrigste umfaßt die Veranlassungen eines bloß sinnlichen Wohlgefallens am Schauen **). Diese Art der Schönheit, welche sowohl die Farbe, als das Helldunkel in sich einschließt, können wir nicht bloß im Geiste absondern, vielmehr auch nicht selten an be- stimmten Dingen für sich allein wahrnehmen und beobachten, da es sich häufig ergiebt, daß Dinge, welche das sinnliche Auge befriedigen, doch weder den Geist beschäftigen, noch das Gemüth erfreuen; oder daß Dinge, welche letztere Fähigkeiten auf das Höchste in Anspruch nehmen, den äusseren Sinn mehr und minder verletzen. Auch in der Kunst erscheint das sinnlich Gefällige nicht selten für sich allein; woher zu erklä- ren, daß Neulinge im Kunstfache, welche meist das sinnlich Angenehme, dem Geistigen und Gemuthenden vorziehen, ganz andere Kunstwerke zu lieben und zu schätzen pflegen, als durchgebildete Kenner, die allenfalls über den sinnlichen Ein- druck hinwgesehen, und dagegen manchem schmucken und
*)Fr. v. Schiller, über Anmuth und Würde, Horen, 1793. Stück II. und Werke 1820. 12. Bd. XVII. S. 165.
**)Göthe, über Kunst u. Alt. 5. Bdes 1. Heft. S. 121. -- "Das nothwendige Vorwalten der Sinneswerkzeuge." --
Schiller*), welcher den dritten, ganz ethiſchen Theil der Schoͤnheit hoͤchſt meiſterlich durchdacht, unterſcheidet denſelben mit großer Schaͤrfe, wenigſtens von dem zweyten, den er den architectoniſchen nennt. Nach ſolchen Vorgaͤngern wage ich, die Anregungen des Schoͤnheitsgefuͤhles, nach jedesmaliger Beſchaffenheit des letzteren, in drey durchaus verſchiedene Gat- tungen zu zerlegen und in Bezug auf deren Art, Beſchaffen- heit und Verhaͤltniß zur Kunſt eine jede fuͤr ſich allein zu betrachten.
Die erſte und einleuchtend die niedrigſte umfaßt die Veranlaſſungen eines bloß ſinnlichen Wohlgefallens am Schauen **). Dieſe Art der Schoͤnheit, welche ſowohl die Farbe, als das Helldunkel in ſich einſchließt, koͤnnen wir nicht bloß im Geiſte abſondern, vielmehr auch nicht ſelten an be- ſtimmten Dingen fuͤr ſich allein wahrnehmen und beobachten, da es ſich haͤufig ergiebt, daß Dinge, welche das ſinnliche Auge befriedigen, doch weder den Geiſt beſchaͤftigen, noch das Gemuͤth erfreuen; oder daß Dinge, welche letztere Faͤhigkeiten auf das Hoͤchſte in Anſpruch nehmen, den aͤuſſeren Sinn mehr und minder verletzen. Auch in der Kunſt erſcheint das ſinnlich Gefaͤllige nicht ſelten fuͤr ſich allein; woher zu erklaͤ- ren, daß Neulinge im Kunſtfache, welche meiſt das ſinnlich Angenehme, dem Geiſtigen und Gemuthenden vorziehen, ganz andere Kunſtwerke zu lieben und zu ſchaͤtzen pflegen, als durchgebildete Kenner, die allenfalls uͤber den ſinnlichen Ein- druck hinwgeſehen, und dagegen manchem ſchmucken und
*)Fr. v. Schiller, uͤber Anmuth und Wuͤrde, Horen, 1793. Stuͤck II. und Werke 1820. 12. Bd. XVII. S. 165.
**)Goͤthe, uͤber Kunſt u. Alt. 5. Bdes 1. Heft. S. 121. — „Das nothwendige Vorwalten der Sinneswerkzeuge.“ —
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Schiller *), welcher den dritten, ganz ethiſchen Theil der
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mit großer Schaͤrfe, wenigſtens von dem zweyten, den er den
architectoniſchen nennt. Nach ſolchen Vorgaͤngern wage ich,
die Anregungen des Schoͤnheitsgefuͤhles, nach jedesmaliger
Beſchaffenheit des letzteren, in drey durchaus verſchiedene Gat-
tungen zu zerlegen und in Bezug auf deren Art, Beſchaffen-
heit und Verhaͤltniß zur Kunſt eine jede fuͤr ſich allein zu
betrachten.
Die erſte und einleuchtend die niedrigſte umfaßt die
Veranlaſſungen eines bloß ſinnlichen Wohlgefallens am
Schauen **). Dieſe Art der Schoͤnheit, welche ſowohl die
Farbe, als das Helldunkel in ſich einſchließt, koͤnnen wir nicht
bloß im Geiſte abſondern, vielmehr auch nicht ſelten an be-
ſtimmten Dingen fuͤr ſich allein wahrnehmen und beobachten,
da es ſich haͤufig ergiebt, daß Dinge, welche das ſinnliche
Auge befriedigen, doch weder den Geiſt beſchaͤftigen, noch das
Gemuͤth erfreuen; oder daß Dinge, welche letztere Faͤhigkeiten
auf das Hoͤchſte in Anſpruch nehmen, den aͤuſſeren Sinn
mehr und minder verletzen. Auch in der Kunſt erſcheint das
ſinnlich Gefaͤllige nicht ſelten fuͤr ſich allein; woher zu erklaͤ-
ren, daß Neulinge im Kunſtfache, welche meiſt das ſinnlich
Angenehme, dem Geiſtigen und Gemuthenden vorziehen, ganz
andere Kunſtwerke zu lieben und zu ſchaͤtzen pflegen, als
durchgebildete Kenner, die allenfalls uͤber den ſinnlichen Ein-
druck hinwgeſehen, und dagegen manchem ſchmucken und
*) Fr. v. Schiller, uͤber Anmuth und Wuͤrde, Horen, 1793.
Stuͤck II. und Werke 1820. 12. Bd. XVII. S. 165.
**) Goͤthe, uͤber Kunſt u. Alt. 5. Bdes 1. Heft. S. 121. —
„Das nothwendige Vorwalten der Sinneswerkzeuge.“ —
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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