Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

und Anderen unverständlich zu werden. In diesem Sinne
würde im Bildniß nur der Gesammtzweck, das eigenthümliche
Seyn eines bestimmten Menschen zu schildern, in Darstellun-
gen geistiger Vorstellungen eben nur diese Vorstellungen selbst
der eigentliche Gegenstand des Kunstwerks seyn. Denn wer
im Bildniß schon die einzelnen, ihm sinnlich vorliegenden For-
men, nicht das Ganze, so in jenen erscheint, für seinen eigent-
lichen Gegenstand hält, wird gemeinen und fachmäßigen Bild-
nißmalern gleich stehn, welche das Einzelne bloß sinnlich er-
fassen und mechanisch aufreihen; mit welchem Erfolg, erweist
sich aus ihren zahllosen Sudeleyen, welche Lessing und an-
dere Moderne verleitet haben werden, das Bildniß an sich
selbst, theils herab zu setzen, theils zu schmähen, was ihnen
die Kunst verzeihen möge. Wer aber, eben wie es unsere Ge-
genstandstheoretiker begehren, in der Darstellung geistiger Vor-
stellungen, nicht diese selbst, sondern die Formen, in denen sie
etwa darzustellen, für den eigentlichen Gegenstand nimmt, der
würde, da diese sich erst aus jenen hervorbilden sollen -- über
die Art und Weise haben wir uns schon verstanden -- sogar
den bloßen Formenreiz verfehlen, wenn er jemals die fragliche
Verknüpfung einzelner Formen ganz neu hervorbringen sollte.
Wo es schon wahre Kunstwerke giebt, durch deren mechanische
Nachbildung jener leere Anschein des Wesens hervorzubringen
ist, welcher dem oberflächlichsten Blicke zu genügen pflegt *),

da
*) Vielen Kunstfreunden, besonders aber den Kunsthändlern,
wird es erinnerlich seyn, wie, während ästhetische Gemeinplätze
und pedantische Geschmackslehren den wirklichen Geschmack meister-
ten und unterdrückten, nichts bessere Handelswaare gewesen, als
Copien beliebter Kunstwerke. Oberflächliche Anregung gefälliger

und Anderen unverſtaͤndlich zu werden. In dieſem Sinne
wuͤrde im Bildniß nur der Geſammtzweck, das eigenthuͤmliche
Seyn eines beſtimmten Menſchen zu ſchildern, in Darſtellun-
gen geiſtiger Vorſtellungen eben nur dieſe Vorſtellungen ſelbſt
der eigentliche Gegenſtand des Kunſtwerks ſeyn. Denn wer
im Bildniß ſchon die einzelnen, ihm ſinnlich vorliegenden For-
men, nicht das Ganze, ſo in jenen erſcheint, fuͤr ſeinen eigent-
lichen Gegenſtand haͤlt, wird gemeinen und fachmaͤßigen Bild-
nißmalern gleich ſtehn, welche das Einzelne bloß ſinnlich er-
faſſen und mechaniſch aufreihen; mit welchem Erfolg, erweiſt
ſich aus ihren zahlloſen Sudeleyen, welche Leſſing und an-
dere Moderne verleitet haben werden, das Bildniß an ſich
ſelbſt, theils herab zu ſetzen, theils zu ſchmaͤhen, was ihnen
die Kunſt verzeihen moͤge. Wer aber, eben wie es unſere Ge-
genſtandstheoretiker begehren, in der Darſtellung geiſtiger Vor-
ſtellungen, nicht dieſe ſelbſt, ſondern die Formen, in denen ſie
etwa darzuſtellen, fuͤr den eigentlichen Gegenſtand nimmt, der
wuͤrde, da dieſe ſich erſt aus jenen hervorbilden ſollen — uͤber
die Art und Weiſe haben wir uns ſchon verſtanden — ſogar
den bloßen Formenreiz verfehlen, wenn er jemals die fragliche
Verknuͤpfung einzelner Formen ganz neu hervorbringen ſollte.
Wo es ſchon wahre Kunſtwerke giebt, durch deren mechaniſche
Nachbildung jener leere Anſchein des Weſens hervorzubringen
iſt, welcher dem oberflaͤchlichſten Blicke zu genuͤgen pflegt *),

da
*) Vielen Kunſtfreunden, beſonders aber den Kunſthaͤndlern,
wird es erinnerlich ſeyn, wie, waͤhrend aͤſthetiſche Gemeinplaͤtze
und pedantiſche Geſchmackslehren den wirklichen Geſchmack meiſter-
ten und unterdruͤckten, nichts beſſere Handelswaare geweſen, als
Copien beliebter Kunſtwerke. Oberflaͤchliche Anregung gefaͤlliger
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0146" n="128"/>
und Anderen unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich zu werden. In die&#x017F;em Sinne<lb/>
wu&#x0364;rde im Bildniß nur der Ge&#x017F;ammtzweck, das eigenthu&#x0364;mliche<lb/>
Seyn eines be&#x017F;timmten Men&#x017F;chen zu &#x017F;childern, in Dar&#x017F;tellun-<lb/>
gen gei&#x017F;tiger Vor&#x017F;tellungen eben nur die&#x017F;e Vor&#x017F;tellungen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
der eigentliche Gegen&#x017F;tand des Kun&#x017F;twerks &#x017F;eyn. Denn wer<lb/>
im Bildniß &#x017F;chon die einzelnen, ihm &#x017F;innlich vorliegenden For-<lb/>
men, nicht das Ganze, &#x017F;o in jenen er&#x017F;cheint, fu&#x0364;r &#x017F;einen eigent-<lb/>
lichen Gegen&#x017F;tand ha&#x0364;lt, wird gemeinen und fachma&#x0364;ßigen Bild-<lb/>
nißmalern gleich &#x017F;tehn, welche das Einzelne bloß &#x017F;innlich er-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en und mechani&#x017F;ch aufreihen; mit welchem Erfolg, erwei&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ich aus ihren zahllo&#x017F;en Sudeleyen, welche <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118572121">Le&#x017F;&#x017F;ing</persName></hi> und an-<lb/>
dere Moderne verleitet haben werden, das Bildniß an &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, theils herab zu &#x017F;etzen, theils zu &#x017F;chma&#x0364;hen, was ihnen<lb/>
die Kun&#x017F;t verzeihen mo&#x0364;ge. Wer aber, eben wie es un&#x017F;ere Ge-<lb/>
gen&#x017F;tandstheoretiker begehren, in der Dar&#x017F;tellung gei&#x017F;tiger Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen, nicht die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern die Formen, in denen &#x017F;ie<lb/>
etwa darzu&#x017F;tellen, fu&#x0364;r den eigentlichen Gegen&#x017F;tand nimmt, der<lb/>
wu&#x0364;rde, da die&#x017F;e &#x017F;ich er&#x017F;t aus jenen hervorbilden &#x017F;ollen &#x2014; u&#x0364;ber<lb/>
die Art und Wei&#x017F;e haben wir uns &#x017F;chon ver&#x017F;tanden &#x2014; &#x017F;ogar<lb/>
den bloßen Formenreiz verfehlen, wenn er jemals die fragliche<lb/>
Verknu&#x0364;pfung einzelner Formen ganz neu hervorbringen &#x017F;ollte.<lb/>
Wo es &#x017F;chon wahre Kun&#x017F;twerke giebt, durch deren mechani&#x017F;che<lb/>
Nachbildung jener leere An&#x017F;chein des We&#x017F;ens hervorzubringen<lb/>
i&#x017F;t, welcher dem oberfla&#x0364;chlich&#x017F;ten Blicke zu genu&#x0364;gen pflegt <note xml:id="fn18a" next="#fn18b" place="foot" n="*)">Vielen Kun&#x017F;tfreunden, be&#x017F;onders aber den Kun&#x017F;tha&#x0364;ndlern,<lb/>
wird es erinnerlich &#x017F;eyn, wie, wa&#x0364;hrend a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;che Gemeinpla&#x0364;tze<lb/>
und pedanti&#x017F;che Ge&#x017F;chmackslehren den wirklichen Ge&#x017F;chmack mei&#x017F;ter-<lb/>
ten und unterdru&#x0364;ckten, nichts be&#x017F;&#x017F;ere Handelswaare gewe&#x017F;en, als<lb/>
Copien beliebter Kun&#x017F;twerke. Oberfla&#x0364;chliche Anregung gefa&#x0364;lliger</note>,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">da</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0146] und Anderen unverſtaͤndlich zu werden. In dieſem Sinne wuͤrde im Bildniß nur der Geſammtzweck, das eigenthuͤmliche Seyn eines beſtimmten Menſchen zu ſchildern, in Darſtellun- gen geiſtiger Vorſtellungen eben nur dieſe Vorſtellungen ſelbſt der eigentliche Gegenſtand des Kunſtwerks ſeyn. Denn wer im Bildniß ſchon die einzelnen, ihm ſinnlich vorliegenden For- men, nicht das Ganze, ſo in jenen erſcheint, fuͤr ſeinen eigent- lichen Gegenſtand haͤlt, wird gemeinen und fachmaͤßigen Bild- nißmalern gleich ſtehn, welche das Einzelne bloß ſinnlich er- faſſen und mechaniſch aufreihen; mit welchem Erfolg, erweiſt ſich aus ihren zahlloſen Sudeleyen, welche Leſſing und an- dere Moderne verleitet haben werden, das Bildniß an ſich ſelbſt, theils herab zu ſetzen, theils zu ſchmaͤhen, was ihnen die Kunſt verzeihen moͤge. Wer aber, eben wie es unſere Ge- genſtandstheoretiker begehren, in der Darſtellung geiſtiger Vor- ſtellungen, nicht dieſe ſelbſt, ſondern die Formen, in denen ſie etwa darzuſtellen, fuͤr den eigentlichen Gegenſtand nimmt, der wuͤrde, da dieſe ſich erſt aus jenen hervorbilden ſollen — uͤber die Art und Weiſe haben wir uns ſchon verſtanden — ſogar den bloßen Formenreiz verfehlen, wenn er jemals die fragliche Verknuͤpfung einzelner Formen ganz neu hervorbringen ſollte. Wo es ſchon wahre Kunſtwerke giebt, durch deren mechaniſche Nachbildung jener leere Anſchein des Weſens hervorzubringen iſt, welcher dem oberflaͤchlichſten Blicke zu genuͤgen pflegt *), da *) Vielen Kunſtfreunden, beſonders aber den Kunſthaͤndlern, wird es erinnerlich ſeyn, wie, waͤhrend aͤſthetiſche Gemeinplaͤtze und pedantiſche Geſchmackslehren den wirklichen Geſchmack meiſter- ten und unterdruͤckten, nichts beſſere Handelswaare geweſen, als Copien beliebter Kunſtwerke. Oberflaͤchliche Anregung gefaͤlliger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/146
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/146>, abgerufen am 06.05.2024.