Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.Grunde werden mächtige Falten, die in Gemälden nicht sel- *) Es ist an dieser Stelle von überzeugender Beweiskraft, daß
Schnitzwerke in leichten, faserigen Stoffen, in Holz und Aehnli- chem, einen Grad der Ausladung und des Geschwungenen zulassen, der sogar in Erz, wie viel mehr im Gesteine den gebildeten Sinn schon verletzen würde. Wie in dem wunderbaren Altare Hanns Brügmanns zu Schleßwig, und in einer zierlich geschnitzten Figur von jenem altniederländischen Künstler, den Vasari, mro. Janni Francese, nennt, im letzten Pfeiler zur Rechten des Schiffes der Servitenkirche zu Florenz. Grunde werden maͤchtige Falten, die in Gemaͤlden nicht ſel- *) Es iſt an dieſer Stelle von uͤberzeugender Beweiskraft, daß
Schnitzwerke in leichten, faſerigen Stoffen, in Holz und Aehnli- chem, einen Grad der Ausladung und des Geſchwungenen zulaſſen, der ſogar in Erz, wie viel mehr im Geſteine den gebildeten Sinn ſchon verletzen wuͤrde. Wie in dem wunderbaren Altare Hanns Bruͤgmanns zu Schleßwig, und in einer zierlich geſchnitzten Figur von jenem altniederlaͤndiſchen Kuͤnſtler, den Vaſari, mro. Janni Francese, nennt, im letzten Pfeiler zur Rechten des Schiffes der Servitenkirche zu Florenz. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0111" n="93"/> Grunde werden maͤchtige Falten, die in Gemaͤlden nicht ſel-<lb/> ten von großer Wirkung ſind, in ihrer ganzen Ausdehnung<lb/> gemeiſſelt, oder gegoſſen eine ungeſchlachte, ſchwerfaͤllige Maſſe<lb/> zu bilden ſcheinen, etwa wie in den ſonſt ſo lobenswerthen<lb/> Statuen des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName> an der Vorſeite der Kirche Orſanmi-<lb/> chele zu <placeName>Florenz</placeName> <note place="foot" n="*)">Es iſt an dieſer Stelle von uͤberzeugender Beweiskraft, daß<lb/> Schnitzwerke in leichten, faſerigen Stoffen, in Holz und Aehnli-<lb/> chem, einen Grad der Ausladung und des Geſchwungenen zulaſſen,<lb/> der ſogar in Erz, wie viel mehr im Geſteine den gebildeten Sinn<lb/> ſchon verletzen wuͤrde. Wie in dem wunderbaren Altare <hi rendition="#g"><persName ref="nognd">Hanns<lb/> Bruͤgmanns</persName></hi> zu <placeName>Schleßwig</placeName>, und in einer zierlich geſchnitzten<lb/> Figur von jenem altniederlaͤndiſchen Kuͤnſtler, den <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>,</hi> <hi rendition="#aq">mro.<lb/> Janni Francese</hi>, nennt, im letzten Pfeiler zur Rechten des Schiffes<lb/> der Servitenkirche zu <placeName>Florenz</placeName>.</note>. Um ſolchem Uebelſtande auszuweichen,<lb/> muß die Bildnerey aus den zeichnenden Kuͤnſten einige, ihrer<lb/> eigenen Darſtellungsweiſe ganz fremde Huͤlfsmittel entlehnen<lb/> und durch den Schein erſetzen, was ſie in voller Form nicht<lb/> ohne mißfaͤllig zu werden nachbilden kann. Dieſe entlehnten<lb/> Kunſtvortheile beſtehen, bald, wie bey den Haaren, in ein-<lb/> gebohrten Tiefen von unbeſtimmtem Umriß; bald, wie bey<lb/> den Gewaͤndern, in laͤngs der meiſt bezeichnenden Außenlinien<lb/> hineingehenden Eintiefungen, welche, indem ſie tiefe Rand-<lb/> ſchatten bewirken, den Anſchein deſſen hervorbringen, was man<lb/> darzuſtellen bezweckt. Wer mit den Bildnereyen des Alter-<lb/> thumes bekannt iſt, dem werden hier Beyſpiele hoͤchſt gelun-<lb/> gener Kunſtgriffe der bezeichneten Art im Gedaͤchtniß gegen-<lb/> waͤrtig ſeyn. Beyſpiele des Verfehlens ſolcher Vortheile bie-<lb/> tet die moderne Bildnerey in groͤßter Fuͤlle, ſeltener ſchon die<lb/> mittelalterliche, welche in Bezug auf Styl dem Alterthume<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0111]
Grunde werden maͤchtige Falten, die in Gemaͤlden nicht ſel-
ten von großer Wirkung ſind, in ihrer ganzen Ausdehnung
gemeiſſelt, oder gegoſſen eine ungeſchlachte, ſchwerfaͤllige Maſſe
zu bilden ſcheinen, etwa wie in den ſonſt ſo lobenswerthen
Statuen des Ghiberti an der Vorſeite der Kirche Orſanmi-
chele zu Florenz *). Um ſolchem Uebelſtande auszuweichen,
muß die Bildnerey aus den zeichnenden Kuͤnſten einige, ihrer
eigenen Darſtellungsweiſe ganz fremde Huͤlfsmittel entlehnen
und durch den Schein erſetzen, was ſie in voller Form nicht
ohne mißfaͤllig zu werden nachbilden kann. Dieſe entlehnten
Kunſtvortheile beſtehen, bald, wie bey den Haaren, in ein-
gebohrten Tiefen von unbeſtimmtem Umriß; bald, wie bey
den Gewaͤndern, in laͤngs der meiſt bezeichnenden Außenlinien
hineingehenden Eintiefungen, welche, indem ſie tiefe Rand-
ſchatten bewirken, den Anſchein deſſen hervorbringen, was man
darzuſtellen bezweckt. Wer mit den Bildnereyen des Alter-
thumes bekannt iſt, dem werden hier Beyſpiele hoͤchſt gelun-
gener Kunſtgriffe der bezeichneten Art im Gedaͤchtniß gegen-
waͤrtig ſeyn. Beyſpiele des Verfehlens ſolcher Vortheile bie-
tet die moderne Bildnerey in groͤßter Fuͤlle, ſeltener ſchon die
mittelalterliche, welche in Bezug auf Styl dem Alterthume
*) Es iſt an dieſer Stelle von uͤberzeugender Beweiskraft, daß
Schnitzwerke in leichten, faſerigen Stoffen, in Holz und Aehnli-
chem, einen Grad der Ausladung und des Geſchwungenen zulaſſen,
der ſogar in Erz, wie viel mehr im Geſteine den gebildeten Sinn
ſchon verletzen wuͤrde. Wie in dem wunderbaren Altare Hanns
Bruͤgmanns zu Schleßwig, und in einer zierlich geſchnitzten
Figur von jenem altniederlaͤndiſchen Kuͤnſtler, den Vaſari, mro.
Janni Francese, nennt, im letzten Pfeiler zur Rechten des Schiffes
der Servitenkirche zu Florenz.
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