Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Wenn du nur siehst und hörst, was dir gibt kein Gefühl,
So stockt die leere Zeit im leeren Weltgewühl.
Wenn du auch gar nichts siehst und hörst, nur träumst und sinnest,
Wird kurz die Zeit indem du lange Fäden spinnest.
Doch wenn im Denken stets dich Ein Gedanke stört,
So hat des Denkens Zeitverkürzung aufgehört.
Dann geht es dir wie mir, da, was ich auch beginne
Zu denken, mir nur Ein Gedanke liegt im Sinne.
Was ist zu thun? wenn du nichts anders recht kannst denken?
Ganz in den einzigen Gedanken dich versenken.
Ich denke, daß dein Brief nun kommen muß und soll,
Und der Gedanke macht die leere Zeit mir voll.
Ich denke, daß der Brief nun kommen soll und muß,
Und vor der Thüre schon hör' ich des Boten Fuß.

Wenn du nur ſiehſt und hoͤrſt, was dir gibt kein Gefuͤhl,
So ſtockt die leere Zeit im leeren Weltgewuͤhl.
Wenn du auch gar nichts ſiehſt und hoͤrſt, nur traͤumſt und ſinneſt,
Wird kurz die Zeit indem du lange Faͤden ſpinneſt.
Doch wenn im Denken ſtets dich Ein Gedanke ſtoͤrt,
So hat des Denkens Zeitverkuͤrzung aufgehoͤrt.
Dann geht es dir wie mir, da, was ich auch beginne
Zu denken, mir nur Ein Gedanke liegt im Sinne.
Was iſt zu thun? wenn du nichts anders recht kannſt denken?
Ganz in den einzigen Gedanken dich verſenken.
Ich denke, daß dein Brief nun kommen muß und ſoll,
Und der Gedanke macht die leere Zeit mir voll.
Ich denke, daß der Brief nun kommen ſoll und muß,
Und vor der Thuͤre ſchon hoͤr' ich des Boten Fuß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0334" n="324"/>
            <lg n="3">
              <l>Wenn du nur &#x017F;ieh&#x017F;t und ho&#x0364;r&#x017F;t, was dir gibt kein Gefu&#x0364;hl,</l><lb/>
              <l>So &#x017F;tockt die leere Zeit im leeren Weltgewu&#x0364;hl.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Wenn du auch gar nichts &#x017F;ieh&#x017F;t und ho&#x0364;r&#x017F;t, nur tra&#x0364;um&#x017F;t und &#x017F;inne&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Wird kurz die Zeit indem du lange Fa&#x0364;den &#x017F;pinne&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Doch wenn im Denken &#x017F;tets dich Ein Gedanke &#x017F;to&#x0364;rt,</l><lb/>
              <l>So hat des Denkens Zeitverku&#x0364;rzung aufgeho&#x0364;rt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Dann geht es dir wie mir, da, was ich auch beginne</l><lb/>
              <l>Zu denken, mir nur Ein Gedanke liegt im Sinne.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Was i&#x017F;t zu thun? wenn du nichts anders recht kann&#x017F;t denken?</l><lb/>
              <l>Ganz in den einzigen Gedanken dich ver&#x017F;enken.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Ich denke, daß dein Brief nun kommen muß und &#x017F;oll,</l><lb/>
              <l>Und der Gedanke macht die leere Zeit mir voll.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Ich denke, daß der Brief nun kommen &#x017F;oll und muß,</l><lb/>
              <l>Und vor der Thu&#x0364;re &#x017F;chon ho&#x0364;r' ich des Boten Fuß.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0334] Wenn du nur ſiehſt und hoͤrſt, was dir gibt kein Gefuͤhl, So ſtockt die leere Zeit im leeren Weltgewuͤhl. Wenn du auch gar nichts ſiehſt und hoͤrſt, nur traͤumſt und ſinneſt, Wird kurz die Zeit indem du lange Faͤden ſpinneſt. Doch wenn im Denken ſtets dich Ein Gedanke ſtoͤrt, So hat des Denkens Zeitverkuͤrzung aufgehoͤrt. Dann geht es dir wie mir, da, was ich auch beginne Zu denken, mir nur Ein Gedanke liegt im Sinne. Was iſt zu thun? wenn du nichts anders recht kannſt denken? Ganz in den einzigen Gedanken dich verſenken. Ich denke, daß dein Brief nun kommen muß und ſoll, Und der Gedanke macht die leere Zeit mir voll. Ich denke, daß der Brief nun kommen ſoll und muß, Und vor der Thuͤre ſchon hoͤr' ich des Boten Fuß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/334
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/334>, abgerufen am 05.05.2024.