Das Salz im Wasser schmolz, die Woll' im Wasser schwoll; Dort gieng er leicht davon und schwerer hier mit Groll.
Er grollte dem, der ihm gegeben diesen Rath, Da doch der Esel sich es zuzuschreiben hat.
Nur einmal gilt ein Rath, nur einmal eine List; Gelernt vom Esel hat dies, wer da weiser ist.
60.
Der Baum merkt nicht die Last, hält drauf ein Vogel Rast; Doch fliegt der Vogel weg, so schwankt davon der Ast.
So fühlst du nicht die Lust, die wohnt in deiner Brust; Doch wenn sie dir entfliegt, so fühlst du den Verlust.
So merkt, was einer strebt, die Welt nicht, weil er lebt; Sie merkt es dann villeicht, wenn man den Mann begräbt.
Der Zweig erschüttert bebt dem Vogel, der entschwebt; Fest steht der Stamm, indes ein Zweig sich senkt und hebt.
Das Salz im Waſſer ſchmolz, die Woll' im Waſſer ſchwoll; Dort gieng er leicht davon und ſchwerer hier mit Groll.
Er grollte dem, der ihm gegeben dieſen Rath, Da doch der Eſel ſich es zuzuſchreiben hat.
Nur einmal gilt ein Rath, nur einmal eine Liſt; Gelernt vom Eſel hat dies, wer da weiſer iſt.
60.
Der Baum merkt nicht die Laſt, haͤlt drauf ein Vogel Raſt; Doch fliegt der Vogel weg, ſo ſchwankt davon der Aſt.
So fuͤhlſt du nicht die Luſt, die wohnt in deiner Bruſt; Doch wenn ſie dir entfliegt, ſo fuͤhlſt du den Verluſt.
So merkt, was einer ſtrebt, die Welt nicht, weil er lebt; Sie merkt es dann villeicht, wenn man den Mann begraͤbt.
Der Zweig erſchuͤttert bebt dem Vogel, der entſchwebt; Feſt ſteht der Stamm, indes ein Zweig ſich ſenkt und hebt.
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Das Salz im Waſſer ſchmolz, die Woll' im Waſſer ſchwoll;
Dort gieng er leicht davon und ſchwerer hier mit Groll.
Er grollte dem, der ihm gegeben dieſen Rath,
Da doch der Eſel ſich es zuzuſchreiben hat.
Nur einmal gilt ein Rath, nur einmal eine Liſt;
Gelernt vom Eſel hat dies, wer da weiſer iſt.
60.
Der Baum merkt nicht die Laſt, haͤlt drauf ein Vogel Raſt;
Doch fliegt der Vogel weg, ſo ſchwankt davon der Aſt.
So fuͤhlſt du nicht die Luſt, die wohnt in deiner Bruſt;
Doch wenn ſie dir entfliegt, ſo fuͤhlſt du den Verluſt.
So merkt, was einer ſtrebt, die Welt nicht, weil er lebt;
Sie merkt es dann villeicht, wenn man den Mann begraͤbt.
Der Zweig erſchuͤttert bebt dem Vogel, der entſchwebt;
Feſt ſteht der Stamm, indes ein Zweig ſich ſenkt und hebt.
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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/168>, abgerufen am 04.07.2024.
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