Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.Das Salz im Wasser schmolz, die Woll' im Wasser schwoll; Dort gieng er leicht davon und schwerer hier mit Groll. Er grollte dem, der ihm gegeben diesen Rath, Da doch der Esel sich es zuzuschreiben hat. Nur einmal gilt ein Rath, nur einmal eine List; Gelernt vom Esel hat dies, wer da weiser ist. 60. Der Baum merkt nicht die Last, hält drauf ein Vogel Rast; Doch fliegt der Vogel weg, so schwankt davon der Ast. So fühlst du nicht die Lust, die wohnt in deiner Brust; Doch wenn sie dir entfliegt, so fühlst du den Verlust. So merkt, was einer strebt, die Welt nicht, weil er lebt; Sie merkt es dann villeicht, wenn man den Mann begräbt. Der Zweig erschüttert bebt dem Vogel, der entschwebt; Fest steht der Stamm, indes ein Zweig sich senkt und hebt. Das Salz im Waſſer ſchmolz, die Woll' im Waſſer ſchwoll; Dort gieng er leicht davon und ſchwerer hier mit Groll. Er grollte dem, der ihm gegeben dieſen Rath, Da doch der Eſel ſich es zuzuſchreiben hat. Nur einmal gilt ein Rath, nur einmal eine Liſt; Gelernt vom Eſel hat dies, wer da weiſer iſt. 60. Der Baum merkt nicht die Laſt, haͤlt drauf ein Vogel Raſt; Doch fliegt der Vogel weg, ſo ſchwankt davon der Aſt. So fuͤhlſt du nicht die Luſt, die wohnt in deiner Bruſt; Doch wenn ſie dir entfliegt, ſo fuͤhlſt du den Verluſt. So merkt, was einer ſtrebt, die Welt nicht, weil er lebt; Sie merkt es dann villeicht, wenn man den Mann begraͤbt. Der Zweig erſchuͤttert bebt dem Vogel, der entſchwebt; Feſt ſteht der Stamm, indes ein Zweig ſich ſenkt und hebt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0168" n="158"/> <lg n="3"> <l>Das Salz im Waſſer ſchmolz, die Woll' im Waſſer ſchwoll;</l><lb/> <l>Dort gieng er leicht davon und ſchwerer hier mit Groll.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Er grollte dem, der ihm gegeben dieſen Rath,</l><lb/> <l>Da doch der Eſel ſich es zuzuſchreiben hat.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Nur einmal gilt ein Rath, nur einmal eine Liſt;</l><lb/> <l>Gelernt vom Eſel hat dies, wer da weiſer iſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>60.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Baum merkt nicht die Laſt, haͤlt drauf ein Vogel Raſt;</l><lb/> <l>Doch fliegt der Vogel weg, ſo ſchwankt davon der Aſt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>So fuͤhlſt du nicht die Luſt, die wohnt in deiner Bruſt;</l><lb/> <l>Doch wenn ſie dir entfliegt, ſo fuͤhlſt du den Verluſt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So merkt, was einer ſtrebt, die Welt nicht, weil er lebt;</l><lb/> <l>Sie merkt es dann villeicht, wenn man den Mann begraͤbt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Zweig erſchuͤttert bebt dem Vogel, der entſchwebt;</l><lb/> <l>Feſt ſteht der Stamm, indes ein Zweig ſich ſenkt und hebt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [158/0168]
Das Salz im Waſſer ſchmolz, die Woll' im Waſſer ſchwoll;
Dort gieng er leicht davon und ſchwerer hier mit Groll.
Er grollte dem, der ihm gegeben dieſen Rath,
Da doch der Eſel ſich es zuzuſchreiben hat.
Nur einmal gilt ein Rath, nur einmal eine Liſt;
Gelernt vom Eſel hat dies, wer da weiſer iſt.
60.
Der Baum merkt nicht die Laſt, haͤlt drauf ein Vogel Raſt;
Doch fliegt der Vogel weg, ſo ſchwankt davon der Aſt.
So fuͤhlſt du nicht die Luſt, die wohnt in deiner Bruſt;
Doch wenn ſie dir entfliegt, ſo fuͤhlſt du den Verluſt.
So merkt, was einer ſtrebt, die Welt nicht, weil er lebt;
Sie merkt es dann villeicht, wenn man den Mann begraͤbt.
Der Zweig erſchuͤttert bebt dem Vogel, der entſchwebt;
Feſt ſteht der Stamm, indes ein Zweig ſich ſenkt und hebt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |