Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.26. Ohr oder Auge, mit der Tön' und Farben Flimmer, Was ist wol besser? was, taub oder blind, ist schlimmer? Auf gleicher Linie sosehr stehn diese beiden Im Menschenangesicht, daß schwer ist zu entscheiden. Das Recht entscheidet nicht, entscheide denn nach seiner Vorliebe jeder, ich entscheide so nach meiner: Von blinden Dichtern hab' ich vieles schon gelesen, Von keinem großen doch gehört, der taub gewesen. 27. Das Aug' ist überm Ohr in allen Stücken, traun, Nur daß man nicht mit ihm kann um die Ecken schaun. Das Aug' ist überm Ohr fürwahr in allen Stücken, Nur daß man nicht mit ihm kann sehen hinterm Rücken, Wie mit dem Ohre man wol hinterm Rücken hört, Doch auch nur Schlimmes meist, das unsre Ruhe stört. 26. Ohr oder Auge, mit der Toͤn' und Farben Flimmer, Was iſt wol beſſer? was, taub oder blind, iſt ſchlimmer? Auf gleicher Linie ſoſehr ſtehn dieſe beiden Im Menſchenangeſicht, daß ſchwer iſt zu entſcheiden. Das Recht entſcheidet nicht, entſcheide denn nach ſeiner Vorliebe jeder, ich entſcheide ſo nach meiner: Von blinden Dichtern hab' ich vieles ſchon geleſen, Von keinem großen doch gehoͤrt, der taub geweſen. 27. Das Aug' iſt uͤberm Ohr in allen Stuͤcken, traun, Nur daß man nicht mit ihm kann um die Ecken ſchaun. Das Aug' iſt uͤberm Ohr fuͤrwahr in allen Stuͤcken, Nur daß man nicht mit ihm kann ſehen hinterm Ruͤcken, Wie mit dem Ohre man wol hinterm Ruͤcken hoͤrt, Doch auch nur Schlimmes meiſt, das unſre Ruhe ſtoͤrt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0033" n="23"/> <div n="2"> <head>26.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ohr oder Auge, mit der Toͤn' und Farben Flimmer,</l><lb/> <l>Was iſt wol beſſer? was, taub oder blind, iſt ſchlimmer?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Auf gleicher Linie ſoſehr ſtehn dieſe beiden</l><lb/> <l>Im Menſchenangeſicht, daß ſchwer iſt zu entſcheiden.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Das Recht entſcheidet nicht, entſcheide denn nach ſeiner</l><lb/> <l>Vorliebe jeder, ich entſcheide ſo nach meiner:</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Von blinden Dichtern hab' ich vieles ſchon geleſen,</l><lb/> <l>Von keinem großen doch gehoͤrt, der taub geweſen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>27.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Das Aug' iſt uͤberm Ohr in allen Stuͤcken, traun,</l><lb/> <l>Nur daß man nicht mit ihm kann um die Ecken ſchaun.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Das Aug' iſt uͤberm Ohr fuͤrwahr in allen Stuͤcken,</l><lb/> <l>Nur daß man nicht mit ihm kann ſehen hinterm Ruͤcken,</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wie mit dem Ohre man wol hinterm Ruͤcken hoͤrt,</l><lb/> <l>Doch auch nur Schlimmes meiſt, das unſre Ruhe ſtoͤrt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [23/0033]
26.
Ohr oder Auge, mit der Toͤn' und Farben Flimmer,
Was iſt wol beſſer? was, taub oder blind, iſt ſchlimmer?
Auf gleicher Linie ſoſehr ſtehn dieſe beiden
Im Menſchenangeſicht, daß ſchwer iſt zu entſcheiden.
Das Recht entſcheidet nicht, entſcheide denn nach ſeiner
Vorliebe jeder, ich entſcheide ſo nach meiner:
Von blinden Dichtern hab' ich vieles ſchon geleſen,
Von keinem großen doch gehoͤrt, der taub geweſen.
27.
Das Aug' iſt uͤberm Ohr in allen Stuͤcken, traun,
Nur daß man nicht mit ihm kann um die Ecken ſchaun.
Das Aug' iſt uͤberm Ohr fuͤrwahr in allen Stuͤcken,
Nur daß man nicht mit ihm kann ſehen hinterm Ruͤcken,
Wie mit dem Ohre man wol hinterm Ruͤcken hoͤrt,
Doch auch nur Schlimmes meiſt, das unſre Ruhe ſtoͤrt.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/33>, abgerufen am 25.07.2024. |