Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Wahrheiten hängen nicht zusammen wie Korallen, Die man kann an der Schnur herzählen nach Gefallen. Oft ist das Wahre gar vom Falschen nicht zu scheiden, Wie Fäden eines Zeugs, halb wollen und halb seiden. Von Wahrheit einen Kern schließt jeder Irrthum ein, Und jede Wahrheit kann des Irrthums Saame seyn. Vor allem hüte dich vor strengen Folgerungen, Denn folgerichtig ist meist närrischstes entsprungen. Wahrheit, die du zuweit verfolgen willst und jagen, Ist, eh du dichs versiehst, in Irrthum umgeschlagen. Viel lieber mag, anstatt die Jagd zu übertreiben, Ein ungewisses Wild im Grenzwald überbleiben. Der Schütze läßt, was flieht, fliehn an der Grenz', und zieht Mit seiner Beute sich zurück auf sein Gebiet. Wahrheiten haͤngen nicht zuſammen wie Korallen, Die man kann an der Schnur herzaͤhlen nach Gefallen. Oft iſt das Wahre gar vom Falſchen nicht zu ſcheiden, Wie Faͤden eines Zeugs, halb wollen und halb ſeiden. Von Wahrheit einen Kern ſchließt jeder Irrthum ein, Und jede Wahrheit kann des Irrthums Saame ſeyn. Vor allem huͤte dich vor ſtrengen Folgerungen, Denn folgerichtig iſt meiſt naͤrriſchſtes entſprungen. Wahrheit, die du zuweit verfolgen willſt und jagen, Iſt, eh du dichs verſiehſt, in Irrthum umgeſchlagen. Viel lieber mag, anſtatt die Jagd zu uͤbertreiben, Ein ungewiſſes Wild im Grenzwald uͤberbleiben. Der Schuͤtze laͤßt, was flieht, fliehn an der Grenz', und zieht Mit ſeiner Beute ſich zuruͤck auf ſein Gebiet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0163" n="153"/> <lg n="3"> <l>Wahrheiten haͤngen nicht zuſammen wie Korallen,</l><lb/> <l>Die man kann an der Schnur herzaͤhlen nach Gefallen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Oft iſt das Wahre gar vom Falſchen nicht zu ſcheiden,</l><lb/> <l>Wie Faͤden eines Zeugs, halb wollen und halb ſeiden.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Von Wahrheit einen Kern ſchließt jeder Irrthum ein,</l><lb/> <l>Und jede Wahrheit kann des Irrthums Saame ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Vor allem huͤte dich vor ſtrengen Folgerungen,</l><lb/> <l>Denn folgerichtig iſt meiſt naͤrriſchſtes entſprungen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wahrheit, die du zuweit verfolgen willſt und jagen,</l><lb/> <l>Iſt, eh du dichs verſiehſt, in Irrthum umgeſchlagen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Viel lieber mag, anſtatt die Jagd zu uͤbertreiben,</l><lb/> <l>Ein ungewiſſes Wild im Grenzwald uͤberbleiben.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Der Schuͤtze laͤßt, was flieht, fliehn an der Grenz', und zieht</l><lb/> <l>Mit ſeiner Beute ſich zuruͤck auf ſein Gebiet.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [153/0163]
Wahrheiten haͤngen nicht zuſammen wie Korallen,
Die man kann an der Schnur herzaͤhlen nach Gefallen.
Oft iſt das Wahre gar vom Falſchen nicht zu ſcheiden,
Wie Faͤden eines Zeugs, halb wollen und halb ſeiden.
Von Wahrheit einen Kern ſchließt jeder Irrthum ein,
Und jede Wahrheit kann des Irrthums Saame ſeyn.
Vor allem huͤte dich vor ſtrengen Folgerungen,
Denn folgerichtig iſt meiſt naͤrriſchſtes entſprungen.
Wahrheit, die du zuweit verfolgen willſt und jagen,
Iſt, eh du dichs verſiehſt, in Irrthum umgeſchlagen.
Viel lieber mag, anſtatt die Jagd zu uͤbertreiben,
Ein ungewiſſes Wild im Grenzwald uͤberbleiben.
Der Schuͤtze laͤßt, was flieht, fliehn an der Grenz', und zieht
Mit ſeiner Beute ſich zuruͤck auf ſein Gebiet.
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