Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt, Und würden Boten gern, wenn er sie nöthig hat. Doch lieber sollten wir ihm einen Führer geben, An dessen Hand der Mensch am liebsten geht durchs Leben. Kennst du nicht einen Platz, kennst du nicht einen Schatz, Der könnte dienen ihm zum Reisegeld-Ersatz? Dort unter jenem Baum dem dürren soll er graben, Dort liegt aus alter Zeit ein Silberschrein vergraben. Daraus nehm' er soviel um unterwegs zu zehren, Und mehr, um seiner Braut daheim es zu verehren. -- Sie schwangen sich hinweg, und ich sah nach und dachte: Ob ich die Schwätzerei der Losen wohl beachte? In Lüften fliegen sie, und wollen sich geberden, Verborgne Heimlichkeit zu wissen in der Erden. Wie hätten einen Schatz gesehn die Müßiggänger, Die nicht die Schlinge sahn, gelegt vom Vogelfänger? Doch blind und sehend macht, zum Frommen und zum Schaden, Das Schicksal, es ist groß, doch größer Gottes Gnaden. Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt, Und wuͤrden Boten gern, wenn er ſie noͤthig hat. Doch lieber ſollten wir ihm einen Fuͤhrer geben, An deſſen Hand der Menſch am liebſten geht durchs Leben. Kennſt du nicht einen Platz, kennſt du nicht einen Schatz, Der koͤnnte dienen ihm zum Reiſegeld-Erſatz? Dort unter jenem Baum dem duͤrren ſoll er graben, Dort liegt aus alter Zeit ein Silberſchrein vergraben. Daraus nehm' er ſoviel um unterwegs zu zehren, Und mehr, um ſeiner Braut daheim es zu verehren. — Sie ſchwangen ſich hinweg, und ich ſah nach und dachte: Ob ich die Schwaͤtzerei der Loſen wohl beachte? In Luͤften fliegen ſie, und wollen ſich geberden, Verborgne Heimlichkeit zu wiſſen in der Erden. Wie haͤtten einen Schatz geſehn die Muͤßiggaͤnger, Die nicht die Schlinge ſahn, gelegt vom Vogelfaͤnger? Doch blind und ſehend macht, zum Frommen und zum Schaden, Das Schickſal, es iſt groß, doch groͤßer Gottes Gnaden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0089" n="79"/> <lg n="17"> <l>Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt,</l><lb/> <l>Und wuͤrden Boten gern, wenn er ſie noͤthig hat.</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Doch lieber ſollten wir ihm einen Fuͤhrer geben,</l><lb/> <l>An deſſen Hand der Menſch am liebſten geht durchs Leben.</l> </lg><lb/> <lg n="19"> <l>Kennſt du nicht einen Platz, kennſt du nicht einen Schatz,</l><lb/> <l>Der koͤnnte dienen ihm zum Reiſegeld-Erſatz?</l> </lg><lb/> <lg n="20"> <l>Dort unter jenem Baum dem duͤrren ſoll er graben,</l><lb/> <l>Dort liegt aus alter Zeit ein Silberſchrein vergraben.</l> </lg><lb/> <lg n="21"> <l>Daraus nehm' er ſoviel um unterwegs zu zehren,</l><lb/> <l>Und mehr, um ſeiner Braut daheim es zu verehren. —</l> </lg><lb/> <lg n="22"> <l>Sie ſchwangen ſich hinweg, und ich ſah nach und dachte:</l><lb/> <l>Ob ich die Schwaͤtzerei der Loſen wohl beachte?</l> </lg><lb/> <lg n="23"> <l>In Luͤften fliegen ſie, und wollen ſich geberden,</l><lb/> <l>Verborgne Heimlichkeit zu wiſſen in der Erden.</l> </lg><lb/> <lg n="24"> <l>Wie haͤtten einen Schatz geſehn die Muͤßiggaͤnger,</l><lb/> <l>Die nicht die Schlinge ſahn, gelegt vom Vogelfaͤnger?</l> </lg><lb/> <lg n="25"> <l>Doch blind und ſehend macht, zum Frommen und zum Schaden,</l><lb/> <l>Das Schickſal, es iſt groß, doch groͤßer Gottes Gnaden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0089]
Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt,
Und wuͤrden Boten gern, wenn er ſie noͤthig hat.
Doch lieber ſollten wir ihm einen Fuͤhrer geben,
An deſſen Hand der Menſch am liebſten geht durchs Leben.
Kennſt du nicht einen Platz, kennſt du nicht einen Schatz,
Der koͤnnte dienen ihm zum Reiſegeld-Erſatz?
Dort unter jenem Baum dem duͤrren ſoll er graben,
Dort liegt aus alter Zeit ein Silberſchrein vergraben.
Daraus nehm' er ſoviel um unterwegs zu zehren,
Und mehr, um ſeiner Braut daheim es zu verehren. —
Sie ſchwangen ſich hinweg, und ich ſah nach und dachte:
Ob ich die Schwaͤtzerei der Loſen wohl beachte?
In Luͤften fliegen ſie, und wollen ſich geberden,
Verborgne Heimlichkeit zu wiſſen in der Erden.
Wie haͤtten einen Schatz geſehn die Muͤßiggaͤnger,
Die nicht die Schlinge ſahn, gelegt vom Vogelfaͤnger?
Doch blind und ſehend macht, zum Frommen und zum Schaden,
Das Schickſal, es iſt groß, doch groͤßer Gottes Gnaden.
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