Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt,
Und würden Boten gern, wenn er sie nöthig hat.
Doch lieber sollten wir ihm einen Führer geben,
An dessen Hand der Mensch am liebsten geht durchs Leben.
Kennst du nicht einen Platz, kennst du nicht einen Schatz,
Der könnte dienen ihm zum Reisegeld-Ersatz?
Dort unter jenem Baum dem dürren soll er graben,
Dort liegt aus alter Zeit ein Silberschrein vergraben.
Daraus nehm' er soviel um unterwegs zu zehren,
Und mehr, um seiner Braut daheim es zu verehren. --
Sie schwangen sich hinweg, und ich sah nach und dachte:
Ob ich die Schwätzerei der Losen wohl beachte?
In Lüften fliegen sie, und wollen sich geberden,
Verborgne Heimlichkeit zu wissen in der Erden.
Wie hätten einen Schatz gesehn die Müßiggänger,
Die nicht die Schlinge sahn, gelegt vom Vogelfänger?
Doch blind und sehend macht, zum Frommen und zum Schaden,
Das Schicksal, es ist groß, doch größer Gottes Gnaden.
Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt,
Und wuͤrden Boten gern, wenn er ſie noͤthig hat.
Doch lieber ſollten wir ihm einen Fuͤhrer geben,
An deſſen Hand der Menſch am liebſten geht durchs Leben.
Kennſt du nicht einen Platz, kennſt du nicht einen Schatz,
Der koͤnnte dienen ihm zum Reiſegeld-Erſatz?
Dort unter jenem Baum dem duͤrren ſoll er graben,
Dort liegt aus alter Zeit ein Silberſchrein vergraben.
Daraus nehm' er ſoviel um unterwegs zu zehren,
Und mehr, um ſeiner Braut daheim es zu verehren. —
Sie ſchwangen ſich hinweg, und ich ſah nach und dachte:
Ob ich die Schwaͤtzerei der Loſen wohl beachte?
In Luͤften fliegen ſie, und wollen ſich geberden,
Verborgne Heimlichkeit zu wiſſen in der Erden.
Wie haͤtten einen Schatz geſehn die Muͤßiggaͤnger,
Die nicht die Schlinge ſahn, gelegt vom Vogelfaͤnger?
Doch blind und ſehend macht, zum Frommen und zum Schaden,
Das Schickſal, es iſt groß, doch groͤßer Gottes Gnaden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0089" n="79"/>
            <lg n="17">
              <l>Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt,</l><lb/>
              <l>Und wu&#x0364;rden Boten gern, wenn er &#x017F;ie no&#x0364;thig hat.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Doch lieber &#x017F;ollten wir ihm einen Fu&#x0364;hrer geben,</l><lb/>
              <l>An de&#x017F;&#x017F;en Hand der Men&#x017F;ch am lieb&#x017F;ten geht durchs Leben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l>Kenn&#x017F;t du nicht einen Platz, kenn&#x017F;t du nicht einen Schatz,</l><lb/>
              <l>Der ko&#x0364;nnte dienen ihm zum Rei&#x017F;egeld-Er&#x017F;atz?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="20">
              <l>Dort unter jenem Baum dem du&#x0364;rren &#x017F;oll er graben,</l><lb/>
              <l>Dort liegt aus alter Zeit ein Silber&#x017F;chrein vergraben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="21">
              <l>Daraus nehm' er &#x017F;oviel um unterwegs zu zehren,</l><lb/>
              <l>Und mehr, um &#x017F;einer Braut daheim es zu verehren. &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="22">
              <l>Sie &#x017F;chwangen &#x017F;ich hinweg, und ich &#x017F;ah nach und dachte:</l><lb/>
              <l>Ob ich die Schwa&#x0364;tzerei der Lo&#x017F;en wohl beachte?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="23">
              <l>In Lu&#x0364;ften fliegen &#x017F;ie, und wollen &#x017F;ich geberden,</l><lb/>
              <l>Verborgne Heimlichkeit zu wi&#x017F;&#x017F;en in der Erden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="24">
              <l>Wie ha&#x0364;tten einen Schatz ge&#x017F;ehn die Mu&#x0364;ßigga&#x0364;nger,</l><lb/>
              <l>Die nicht die Schlinge &#x017F;ahn, gelegt vom Vogelfa&#x0364;nger?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="25">
              <l>Doch blind und &#x017F;ehend macht, zum Frommen und zum Schaden,</l><lb/>
              <l>Das Schick&#x017F;al, es i&#x017F;t groß, doch gro&#x0364;ßer Gottes Gnaden.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0089] Wir kennen Weg und Steg, wir kennen Land und Stadt, Und wuͤrden Boten gern, wenn er ſie noͤthig hat. Doch lieber ſollten wir ihm einen Fuͤhrer geben, An deſſen Hand der Menſch am liebſten geht durchs Leben. Kennſt du nicht einen Platz, kennſt du nicht einen Schatz, Der koͤnnte dienen ihm zum Reiſegeld-Erſatz? Dort unter jenem Baum dem duͤrren ſoll er graben, Dort liegt aus alter Zeit ein Silberſchrein vergraben. Daraus nehm' er ſoviel um unterwegs zu zehren, Und mehr, um ſeiner Braut daheim es zu verehren. — Sie ſchwangen ſich hinweg, und ich ſah nach und dachte: Ob ich die Schwaͤtzerei der Loſen wohl beachte? In Luͤften fliegen ſie, und wollen ſich geberden, Verborgne Heimlichkeit zu wiſſen in der Erden. Wie haͤtten einen Schatz geſehn die Muͤßiggaͤnger, Die nicht die Schlinge ſahn, gelegt vom Vogelfaͤnger? Doch blind und ſehend macht, zum Frommen und zum Schaden, Das Schickſal, es iſt groß, doch groͤßer Gottes Gnaden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/89
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/89>, abgerufen am 24.11.2024.