Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Allein sie sind vielleicht ein Paar, sollt' ich sie scheiden?
Da blieben besser in Gefangenschaft die beiden.
Doch wollt' er für die zwei durchaus zwei Silberstücke;
Die beiden gab ich hin, und mir blieb keins zurücke.
Der diese speist und tränkt, wird tränken dich und speisen,
Er wird wie ihnen dir den Weg zur Heimat weisen.
Doch ließ' ich hier euch los in der euch fremden Stadt,
Wo gastlich euch empfängt kein Baum mit grünem Blatt?
Von neuem würden hier euch fangen bald die Bösen,
Und einer fehlte dann vielleicht um euch zu lösen.
So trug ich sie hinaus zur Stadt, hinaus vom Weg,
Ins unzugänglichste Waldeinsamkeitsgeheg.
Und ließ sie los, und wie sie froh empor sich schwangen,
Hört' ich, wie unter sich sie sprachen oder sangen:
Womit vergelten wir dem Manne, der sein Geld
Daran verwendet, uns zu bringen frei ins Feld?
Mög' ein geliebtes Weib er sein in Zukunft nennen,
Daß er ein Vogelpaar nicht grausam wollte trennen.
Allein ſie ſind vielleicht ein Paar, ſollt' ich ſie ſcheiden?
Da blieben beſſer in Gefangenſchaft die beiden.
Doch wollt' er fuͤr die zwei durchaus zwei Silberſtuͤcke;
Die beiden gab ich hin, und mir blieb keins zuruͤcke.
Der dieſe ſpeiſt und traͤnkt, wird traͤnken dich und ſpeiſen,
Er wird wie ihnen dir den Weg zur Heimat weiſen.
Doch ließ' ich hier euch los in der euch fremden Stadt,
Wo gaſtlich euch empfaͤngt kein Baum mit gruͤnem Blatt?
Von neuem wuͤrden hier euch fangen bald die Boͤſen,
Und einer fehlte dann vielleicht um euch zu loͤſen.
So trug ich ſie hinaus zur Stadt, hinaus vom Weg,
Ins unzugaͤnglichſte Waldeinſamkeitsgeheg.
Und ließ ſie los, und wie ſie froh empor ſich ſchwangen,
Hoͤrt' ich, wie unter ſich ſie ſprachen oder ſangen:
Womit vergelten wir dem Manne, der ſein Geld
Daran verwendet, uns zu bringen frei ins Feld?
Moͤg' ein geliebtes Weib er ſein in Zukunft nennen,
Daß er ein Vogelpaar nicht grauſam wollte trennen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0088" n="78"/>
            <lg n="8">
              <l>Allein &#x017F;ie &#x017F;ind vielleicht ein Paar, &#x017F;ollt' ich &#x017F;ie &#x017F;cheiden?</l><lb/>
              <l>Da blieben be&#x017F;&#x017F;er in Gefangen&#x017F;chaft die beiden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Doch wollt' er fu&#x0364;r die zwei durchaus zwei Silber&#x017F;tu&#x0364;cke;</l><lb/>
              <l>Die beiden gab ich hin, und mir blieb keins zuru&#x0364;cke.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Der die&#x017F;e &#x017F;pei&#x017F;t und tra&#x0364;nkt, wird tra&#x0364;nken dich und &#x017F;pei&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Er wird wie ihnen dir den Weg zur Heimat wei&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Doch ließ' ich hier euch los in der euch fremden Stadt,</l><lb/>
              <l>Wo ga&#x017F;tlich euch empfa&#x0364;ngt kein Baum mit gru&#x0364;nem Blatt?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>Von neuem wu&#x0364;rden hier euch fangen bald die Bo&#x0364;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und einer fehlte dann vielleicht um euch zu lo&#x0364;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="13">
              <l>So trug ich &#x017F;ie hinaus zur Stadt, hinaus vom Weg,</l><lb/>
              <l>Ins unzuga&#x0364;nglich&#x017F;te Waldein&#x017F;amkeitsgeheg.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>Und ließ &#x017F;ie los, und wie &#x017F;ie froh empor &#x017F;ich &#x017F;chwangen,</l><lb/>
              <l>Ho&#x0364;rt' ich, wie unter &#x017F;ich &#x017F;ie &#x017F;prachen oder &#x017F;angen:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>Womit vergelten wir dem Manne, der &#x017F;ein Geld</l><lb/>
              <l>Daran verwendet, uns zu bringen frei ins Feld?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>Mo&#x0364;g' ein geliebtes Weib er &#x017F;ein in Zukunft nennen,</l><lb/>
              <l>Daß er ein Vogelpaar nicht grau&#x017F;am wollte trennen.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0088] Allein ſie ſind vielleicht ein Paar, ſollt' ich ſie ſcheiden? Da blieben beſſer in Gefangenſchaft die beiden. Doch wollt' er fuͤr die zwei durchaus zwei Silberſtuͤcke; Die beiden gab ich hin, und mir blieb keins zuruͤcke. Der dieſe ſpeiſt und traͤnkt, wird traͤnken dich und ſpeiſen, Er wird wie ihnen dir den Weg zur Heimat weiſen. Doch ließ' ich hier euch los in der euch fremden Stadt, Wo gaſtlich euch empfaͤngt kein Baum mit gruͤnem Blatt? Von neuem wuͤrden hier euch fangen bald die Boͤſen, Und einer fehlte dann vielleicht um euch zu loͤſen. So trug ich ſie hinaus zur Stadt, hinaus vom Weg, Ins unzugaͤnglichſte Waldeinſamkeitsgeheg. Und ließ ſie los, und wie ſie froh empor ſich ſchwangen, Hoͤrt' ich, wie unter ſich ſie ſprachen oder ſangen: Womit vergelten wir dem Manne, der ſein Geld Daran verwendet, uns zu bringen frei ins Feld? Moͤg' ein geliebtes Weib er ſein in Zukunft nennen, Daß er ein Vogelpaar nicht grauſam wollte trennen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/88
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/88>, abgerufen am 23.11.2024.