dalis war fast meine einzige Gehülfin in der Pfle- ge dieser unglücklichen Gespielin. Alles opferte sie dieser Pflege freudig auf, die liebsten Lehrstunden, die sie sonst um keinen Preis hingegeben hätte, die angenehmsten Besuche, die schönsten Spazier- gänge, kurz alles, alles, was sie sonst liebte, gab sie willig hin, bis die kranke Freundin völlig ge- nesen war. Oft fürchtete ich, die vielen Nacht- wachen, und der stete Anblick dieser schrecklichen Leiden würden zerstörend auf ihre Gesundheit wir- ken: aber Magdalis blühete während dieser An- strengungen und nachher, wie zuvor. Die Liebe hatte sie über sich selbst erhoben, und ihr eine Kraft gegeben, die ich zuvor in ihr nicht geahnet. Aber wie wirkte auch diese Liebe auf die junge Freundin, welche von dieser Krankheit völlig ge- nas! Es entstand daraus eine Freundschaft, die nur der Tod unterbrechen konnte.
Wenn ich ehedem unsern lieben Mädchens hie- von erzählte, fragte mich Jda oft: sollte ich das auch wohl einmal können? Und sie hat bewiesen, daß sie viel kann. Auch Mathilde und Clärchen
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dalis war faſt meine einzige Gehülfin in der Pfle- ge dieſer unglücklichen Geſpielin. Alles opferte ſie dieſer Pflege freudig auf, die liebſten Lehrſtunden, die ſie ſonſt um keinen Preis hingegeben hätte, die angenehmſten Beſuche, die ſchönſten Spazier- gänge, kurz alles, alles, was ſie ſonſt liebte, gab ſie willig hin, bis die kranke Freundin völlig ge- neſen war. Oft fürchtete ich, die vielen Nacht- wachen, und der ſtete Anblick dieſer ſchrecklichen Leiden würden zerſtörend auf ihre Geſundheit wir- ken: aber Magdalis blühete während dieſer An- ſtrengungen und nachher, wie zuvor. Die Liebe hatte ſie über ſich ſelbſt erhoben, und ihr eine Kraft gegeben, die ich zuvor in ihr nicht geahnet. Aber wie wirkte auch dieſe Liebe auf die junge Freundin, welche von dieſer Krankheit völlig ge- nas! Es entſtand daraus eine Freundſchaft, die nur der Tod unterbrechen konnte.
Wenn ich ehedem unſern lieben Mädchens hie- von erzählte, fragte mich Jda oft: ſollte ich das auch wohl einmal können? Und ſie hat bewieſen, daß ſie viel kann. Auch Mathilde und Clärchen
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dalis war faſt meine einzige Gehülfin in der Pfle-
ge dieſer unglücklichen Geſpielin. Alles opferte ſie
dieſer Pflege freudig auf, die liebſten Lehrſtunden,
die ſie ſonſt um keinen Preis hingegeben hätte,
die angenehmſten Beſuche, die ſchönſten Spazier-
gänge, kurz alles, alles, was ſie ſonſt liebte, gab
ſie willig hin, bis die kranke Freundin völlig ge-
neſen war. Oft fürchtete ich, die vielen Nacht-
wachen, und der ſtete Anblick dieſer ſchrecklichen
Leiden würden zerſtörend auf ihre Geſundheit wir-
ken: aber Magdalis blühete während dieſer An-
ſtrengungen und nachher, wie zuvor. Die Liebe
hatte ſie über ſich ſelbſt erhoben, und ihr eine
Kraft gegeben, die ich zuvor in ihr nicht geahnet.
Aber wie wirkte auch dieſe Liebe auf die junge
Freundin, welche von dieſer Krankheit völlig ge-
nas! Es entſtand daraus eine Freundſchaft, die
nur der Tod unterbrechen konnte.
Wenn ich ehedem unſern lieben Mädchens hie-
von erzählte, fragte mich Jda oft: ſollte ich das
auch wohl einmal können? Und ſie hat bewieſen,
daß ſie viel kann. Auch Mathilde und Clärchen
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/73>, abgerufen am 23.11.2024.
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