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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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wozu ihr Naturell und ihre etwaigen Gaben und
Fähigkeiten sie berufen haben. Wählt ein wacke-
rer Mann sich eine von ihnen zur Gattin, so muß
es die Schuld dieser Bildungsanstalt seyn, wenn
der Gatte durch sie unglücklich wird; vorausge-
setzt, daß sie wirklich in frühester Jugend aufge-
nommen ward, und bis zur völligen Reife in die-
sem Hause blieb. Noch etwas darf bei dieser
Stiftung nicht aus der Acht gelassen werden. Es
gibt in der That eine Erbsünde. Nemlich eine
solche, die in der angestammten Organisation ihren
Sitz hat. Sie ist nicht ganz unaustilgbar. Eine
strenge Zucht von Frühem an kann ihrer mächtig
werden. Aber diese anzuwenden, ist nicht die
Sache sehr gebildeter Menschen. Sie bleibe also
fern von dieser Stiftung. Und damit es ihrer nie
bedürfe, so sehe man bei der Aufnahme von jungen
Kindern wo möglich dahin, daß sie nicht Spröß-
linge eines sehr verderbten Stammes seyen. We-
nigstens müssen die Kinder der rechtschaffensten El-
tern zur Aufnahme immer das Vorrecht haben.
Vor allen Dingen müssen die ersten, welche aufge-
nommen werden, von guter Art seyn. Dies ist



wozu ihr Naturell und ihre etwaigen Gaben und
Fähigkeiten ſie berufen haben. Wählt ein wacke-
rer Mann ſich eine von ihnen zur Gattin, ſo muß
es die Schuld dieſer Bildungsanſtalt ſeyn, wenn
der Gatte durch ſie unglücklich wird; vorausge-
ſetzt, daß ſie wirklich in früheſter Jugend aufge-
nommen ward, und bis zur völligen Reife in die-
ſem Hauſe blieb. Noch etwas darf bei dieſer
Stiftung nicht aus der Acht gelaſſen werden. Es
gibt in der That eine Erbſünde. Nemlich eine
ſolche, die in der angeſtammten Organiſation ihren
Sitz hat. Sie iſt nicht ganz unaustilgbar. Eine
ſtrenge Zucht von Frühem an kann ihrer mächtig
werden. Aber dieſe anzuwenden, iſt nicht die
Sache ſehr gebildeter Menſchen. Sie bleibe alſo
fern von dieſer Stiftung. Und damit es ihrer nie
bedürfe, ſo ſehe man bei der Aufnahme von jungen
Kindern wo möglich dahin, daß ſie nicht Spröß-
linge eines ſehr verderbten Stammes ſeyen. We-
nigſtens müſſen die Kinder der rechtſchaffenſten El-
tern zur Aufnahme immer das Vorrecht haben.
Vor allen Dingen müſſen die erſten, welche aufge-
nommen werden, von guter Art ſeyn. Dies iſt

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[401/0409] wozu ihr Naturell und ihre etwaigen Gaben und Fähigkeiten ſie berufen haben. Wählt ein wacke- rer Mann ſich eine von ihnen zur Gattin, ſo muß es die Schuld dieſer Bildungsanſtalt ſeyn, wenn der Gatte durch ſie unglücklich wird; vorausge- ſetzt, daß ſie wirklich in früheſter Jugend aufge- nommen ward, und bis zur völligen Reife in die- ſem Hauſe blieb. Noch etwas darf bei dieſer Stiftung nicht aus der Acht gelaſſen werden. Es gibt in der That eine Erbſünde. Nemlich eine ſolche, die in der angeſtammten Organiſation ihren Sitz hat. Sie iſt nicht ganz unaustilgbar. Eine ſtrenge Zucht von Frühem an kann ihrer mächtig werden. Aber dieſe anzuwenden, iſt nicht die Sache ſehr gebildeter Menſchen. Sie bleibe alſo fern von dieſer Stiftung. Und damit es ihrer nie bedürfe, ſo ſehe man bei der Aufnahme von jungen Kindern wo möglich dahin, daß ſie nicht Spröß- linge eines ſehr verderbten Stammes ſeyen. We- nigſtens müſſen die Kinder der rechtſchaffenſten El- tern zur Aufnahme immer das Vorrecht haben. Vor allen Dingen müſſen die erſten, welche aufge- nommen werden, von guter Art ſeyn. Dies iſt

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/409>, abgerufen am 29.03.2024.