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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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keit ihren stillen Lebenstag beginnen und enden? --
Wenn sie das soll, so kann bei ihr von der Ehre
nie als etwas Positivem geredet werden.

Gefallen soll das reinweibliche Weib, mißfallen
darf es nimmer: soll aber ihr Streben nach dem
Schönen nicht mit heiligem Herzen zum Schö-
nen, als dem Strebenswerthen gerichtet werden?
Macht die Erziehung des Weibes das Schöne
zum Mittel, und das Gefallen zum letzten Zweck --:
dann ist freilich die stachelnde spornende Eitelkeit
die einzige Bonne, die wir erziehen lassen sollen;
sie wird es am besten ausführen.

Ein gar anderer Hebel im weiblichen Herzen ist
der Wunsch nach Liebe. Der kann nicht früh ge-
nug angehaucht, nicht zart genug gepflegt werden,
im weiblichen Gemüthe. Die erste Richtung im
Kinde nimmt er zur Mutter. O Mütter! ihr
könnt alles durch ihn -- durch ihn leitet ihr euer
Kind wohin ihr wollt. Laßt es euch lieben, laßt
es euch recht lieben. Reine Liebe allein schon ist
höchster Zweck, ist das höchste Schöne, und gibt

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keit ihren ſtillen Lebenstag beginnen und enden? —
Wenn ſie das ſoll, ſo kann bei ihr von der Ehre
nie als etwas Poſitivem geredet werden.

Gefallen ſoll das reinweibliche Weib, mißfallen
darf es nimmer: ſoll aber ihr Streben nach dem
Schönen nicht mit heiligem Herzen zum Schö-
nen, als dem Strebenswerthen gerichtet werden?
Macht die Erziehung des Weibes das Schöne
zum Mittel, und das Gefallen zum letzten Zweck —:
dann iſt freilich die ſtachelnde ſpornende Eitelkeit
die einzige Bonne, die wir erziehen laſſen ſollen;
ſie wird es am beſten ausführen.

Ein gar anderer Hebel im weiblichen Herzen iſt
der Wunſch nach Liebe. Der kann nicht früh ge-
nug angehaucht, nicht zart genug gepflegt werden,
im weiblichen Gemüthe. Die erſte Richtung im
Kinde nimmt er zur Mutter. O Mütter! ihr
könnt alles durch ihn — durch ihn leitet ihr euer
Kind wohin ihr wollt. Laßt es euch lieben, laßt
es euch recht lieben. Reine Liebe allein ſchon iſt
höchſter Zweck, iſt das höchſte Schöne, und gibt

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[265/0273] keit ihren ſtillen Lebenstag beginnen und enden? — Wenn ſie das ſoll, ſo kann bei ihr von der Ehre nie als etwas Poſitivem geredet werden. Gefallen ſoll das reinweibliche Weib, mißfallen darf es nimmer: ſoll aber ihr Streben nach dem Schönen nicht mit heiligem Herzen zum Schö- nen, als dem Strebenswerthen gerichtet werden? Macht die Erziehung des Weibes das Schöne zum Mittel, und das Gefallen zum letzten Zweck —: dann iſt freilich die ſtachelnde ſpornende Eitelkeit die einzige Bonne, die wir erziehen laſſen ſollen; ſie wird es am beſten ausführen. Ein gar anderer Hebel im weiblichen Herzen iſt der Wunſch nach Liebe. Der kann nicht früh ge- nug angehaucht, nicht zart genug gepflegt werden, im weiblichen Gemüthe. Die erſte Richtung im Kinde nimmt er zur Mutter. O Mütter! ihr könnt alles durch ihn — durch ihn leitet ihr euer Kind wohin ihr wollt. Laßt es euch lieben, laßt es euch recht lieben. Reine Liebe allein ſchon iſt höchſter Zweck, iſt das höchſte Schöne, und gibt (34)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/273>, abgerufen am 03.05.2024.