Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.Meynung auch noch in Worte gekleidet; hier ist sie. Aller Heroismus des männlichen Muthes nährt sich an dieser Quelle. Ohne diesen Stachel kann ich mir keine Kriegsthaten, keine Verläugnung der Lebenslust, noch anderer mächtiger Naturtriebe denken. Wo also in irgend einem Staate des Mannes einziger Beruf Krieg wäre, da müßte dieser Trieb in dem Knaben schon angefacht, und durch alles, was man mit ihm thut, genährt und gestärkt werden. Aber es gibt kein Sparta und keine Spartaner mehr, und der Mensch soll vorab Mensch werden, ehe er Krieger wird. Dennoch braucht der Mann, als Mann, als Haupt einer Familie, wann und wo er auch lebe, Muth, und wenn die Natur ihn nicht reich damit ausgestattet, so muß er dem Knaben mit Hülfe des Ehrtriebes anerzogen werden; denn ermangeln darf der Mann seiner nicht ganz, wenn er mit dem weichern Ge- schlechte nicht im umgekehrten Verhältnisse stehen soll. Und wenn wir das Wort Tugend im gewöhn- lichen Sinne der Alten nehmen wollten, bei denen sie in Kraftäußerung bestand, ohne moralische Rücksicht auf die Richtung der Kraft, so könnte Meynung auch noch in Worte gekleidet; hier iſt ſie. Aller Heroismus des männlichen Muthes nährt ſich an dieſer Quelle. Ohne dieſen Stachel kann ich mir keine Kriegsthaten, keine Verläugnung der Lebensluſt, noch anderer mächtiger Naturtriebe denken. Wo alſo in irgend einem Staate des Mannes einziger Beruf Krieg wäre, da müßte dieſer Trieb in dem Knaben ſchon angefacht, und durch alles, was man mit ihm thut, genährt und geſtärkt werden. Aber es gibt kein Sparta und keine Spartaner mehr, und der Menſch ſoll vorab Menſch werden, ehe er Krieger wird. Dennoch braucht der Mann, als Mann, als Haupt einer Familie, wann und wo er auch lebe, Muth, und wenn die Natur ihn nicht reich damit ausgeſtattet, ſo muß er dem Knaben mit Hülfe des Ehrtriebes anerzogen werden; denn ermangeln darf der Mann ſeiner nicht ganz, wenn er mit dem weichern Ge- ſchlechte nicht im umgekehrten Verhältniſſe ſtehen ſoll. Und wenn wir das Wort Tugend im gewöhn- lichen Sinne der Alten nehmen wollten, bei denen ſie in Kraftäußerung beſtand, ohne moraliſche Rückſicht auf die Richtung der Kraft, ſo könnte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0271" n="263"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Meynung auch noch in Worte gekleidet; hier iſt ſie.<lb/> Aller Heroismus des männlichen Muthes nährt<lb/> ſich an dieſer Quelle. Ohne dieſen Stachel kann<lb/> ich mir keine Kriegsthaten, keine Verläugnung<lb/> der Lebensluſt, noch anderer mächtiger Naturtriebe<lb/> denken. Wo alſo in irgend einem Staate des<lb/> Mannes einziger Beruf Krieg wäre, da müßte<lb/> dieſer Trieb in dem Knaben ſchon angefacht, und<lb/> durch alles, was man mit ihm thut, genährt und<lb/> geſtärkt werden. Aber es gibt kein Sparta und<lb/> keine Spartaner mehr, und der Menſch ſoll vorab<lb/> Menſch werden, ehe er Krieger wird. Dennoch<lb/> braucht der Mann, als Mann, als Haupt einer<lb/> Familie, wann und wo er auch lebe, Muth, und<lb/> wenn die Natur ihn nicht reich damit ausgeſtattet,<lb/> ſo muß er dem Knaben mit Hülfe des Ehrtriebes<lb/> anerzogen werden; denn ermangeln darf der Mann<lb/> ſeiner nicht ganz, wenn er mit dem weichern Ge-<lb/> ſchlechte nicht im umgekehrten Verhältniſſe ſtehen<lb/> ſoll. Und wenn wir das Wort Tugend im gewöhn-<lb/> lichen Sinne der Alten nehmen wollten, bei denen<lb/> ſie in Kraftäußerung beſtand, ohne moraliſche<lb/> Rückſicht auf die Richtung der Kraft, ſo könnte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [263/0271]
Meynung auch noch in Worte gekleidet; hier iſt ſie.
Aller Heroismus des männlichen Muthes nährt
ſich an dieſer Quelle. Ohne dieſen Stachel kann
ich mir keine Kriegsthaten, keine Verläugnung
der Lebensluſt, noch anderer mächtiger Naturtriebe
denken. Wo alſo in irgend einem Staate des
Mannes einziger Beruf Krieg wäre, da müßte
dieſer Trieb in dem Knaben ſchon angefacht, und
durch alles, was man mit ihm thut, genährt und
geſtärkt werden. Aber es gibt kein Sparta und
keine Spartaner mehr, und der Menſch ſoll vorab
Menſch werden, ehe er Krieger wird. Dennoch
braucht der Mann, als Mann, als Haupt einer
Familie, wann und wo er auch lebe, Muth, und
wenn die Natur ihn nicht reich damit ausgeſtattet,
ſo muß er dem Knaben mit Hülfe des Ehrtriebes
anerzogen werden; denn ermangeln darf der Mann
ſeiner nicht ganz, wenn er mit dem weichern Ge-
ſchlechte nicht im umgekehrten Verhältniſſe ſtehen
ſoll. Und wenn wir das Wort Tugend im gewöhn-
lichen Sinne der Alten nehmen wollten, bei denen
ſie in Kraftäußerung beſtand, ohne moraliſche
Rückſicht auf die Richtung der Kraft, ſo könnte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/271 |
Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/271>, abgerufen am 24.07.2024. |