ein harter Fluch ausgesprochen. Wer nun aber gar die Sorge für ein fremdes Kind freiwillig zu der seinigen macht, wem die Natur sie nicht gab, der hat eine noch viel größere Verpflichtung. Wir wollen alles alles thun, was Du uns vor- schreiben wirst, sagte Mathilde und Clare, und dann werden wir selbst besser, fiel Hertha ein, dann darf ich ja keine muthwillige Störung mehr machen. Nun wohlan, lieber Bruno, Sie haben es gehört, was Hertha freiwillig versprochen.
Jndem trat ein Mädchen hinein, mit einem schwarz gesiegelten Briefe, und mit den Worten, an mich gerichtet: Diesen Brief hat meine un- glückliche Herrschaft zwei Stunden vor ihrem Ende geschrieben, ihn gesiegelt, und noch einmal gesie- gelt, und mir sterbend übergeben, daß ich ihn gleich wann sie verschieden wäre, zu ihnen brächte, ich konnte aber nicht eher. -- Jch hieß die Magd warten, öffnete das erste Siegel, dann das zweite, und las, was mit sehr schwacher zitternder Hand darin geschrieben stand:
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ein harter Fluch ausgeſprochen. Wer nun aber gar die Sorge für ein fremdes Kind freiwillig zu der ſeinigen macht, wem die Natur ſie nicht gab, der hat eine noch viel größere Verpflichtung. Wir wollen alles alles thun, was Du uns vor- ſchreiben wirſt, ſagte Mathilde und Clare, und dann werden wir ſelbſt beſſer, fiel Hertha ein, dann darf ich ja keine muthwillige Störung mehr machen. Nun wohlan, lieber Bruno, Sie haben es gehört, was Hertha freiwillig verſprochen.
Jndem trat ein Mädchen hinein, mit einem ſchwarz geſiegelten Briefe, und mit den Worten, an mich gerichtet: Dieſen Brief hat meine un- glückliche Herrſchaft zwei Stunden vor ihrem Ende geſchrieben, ihn geſiegelt, und noch einmal geſie- gelt, und mir ſterbend übergeben, daß ich ihn gleich wann ſie verſchieden wäre, zu ihnen brächte, ich konnte aber nicht eher. — Jch hieß die Magd warten, öffnete das erſte Siegel, dann das zweite, und las, was mit ſehr ſchwacher zitternder Hand darin geſchrieben ſtand:
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[201/0209]
ein harter Fluch ausgeſprochen. Wer nun aber
gar die Sorge für ein fremdes Kind freiwillig
zu der ſeinigen macht, wem die Natur ſie nicht
gab, der hat eine noch viel größere Verpflichtung.
Wir wollen alles alles thun, was Du uns vor-
ſchreiben wirſt, ſagte Mathilde und Clare, und
dann werden wir ſelbſt beſſer, fiel Hertha ein,
dann darf ich ja keine muthwillige Störung mehr
machen. Nun wohlan, lieber Bruno, Sie haben
es gehört, was Hertha freiwillig verſprochen.
Jndem trat ein Mädchen hinein, mit einem
ſchwarz geſiegelten Briefe, und mit den Worten,
an mich gerichtet: Dieſen Brief hat meine un-
glückliche Herrſchaft zwei Stunden vor ihrem Ende
geſchrieben, ihn geſiegelt, und noch einmal geſie-
gelt, und mir ſterbend übergeben, daß ich ihn
gleich wann ſie verſchieden wäre, zu ihnen brächte,
ich konnte aber nicht eher. — Jch hieß die Magd
warten, öffnete das erſte Siegel, dann das zweite,
und las, was mit ſehr ſchwacher zitternder Hand
darin geſchrieben ſtand:
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/209>, abgerufen am 24.07.2024.
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