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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Jda sagte mir ins Ohr, die Kranke hätte Clare
eine Heilige genannt. Clare geht nun alle Mor-
gen mit der Lisel extra hin, und wiederholt das
Geschäft, lüftet und räuchert, damit wenn die an-
dern kommen, sie es nett und sauber finden. Die
Mamsell Clärchen ist ein wahres Engelsbild, sagte
die Lisel als sie das letztemal mit ihr zurück kam.
Lisel hat außer Jda niemand so lieb als Clärchen.
Ja, Fräulein Mathilde ist wohl auch herzensgut,
aber sie sieht doch gar zu vornehm aus. Unser
Wildfang nennt die Clare jetzt nicht anders als
die barmherzige Schwester. Jda war heute mor-
gen eine Stunde früher auf, um Clarens Bett
mit Blumen zu bestreuen, und ihr einen Kranz
von Myrthen und Jonquillen aufs dunkle Haar zu
legen. Clärchen blühet in den frischesten Farben, aber
nie ist sie schöner als wenn sie die Woche hat, und
sich recht abarbeitet. Jda thut das ihre mit dem
schönsten Anstande, leicht und fröhlich, doch fühlt
man immer heimlich, sie sey zu zart und geistig
für die gröbere Prose des Lebens, wenn man ihr
zusieht. Mathildens feierliche Langsamkeit ist ihr
ein wenig hinderlich, aber wir sind dennoch nicht

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Jda ſagte mir ins Ohr, die Kranke hätte Clare
eine Heilige genannt. Clare geht nun alle Mor-
gen mit der Liſel extra hin, und wiederholt das
Geſchäft, lüftet und räuchert, damit wenn die an-
dern kommen, ſie es nett und ſauber finden. Die
Mamſell Clärchen iſt ein wahres Engelsbild, ſagte
die Liſel als ſie das letztemal mit ihr zurück kam.
Liſel hat außer Jda niemand ſo lieb als Clärchen.
Ja, Fräulein Mathilde iſt wohl auch herzensgut,
aber ſie ſieht doch gar zu vornehm aus. Unſer
Wildfang nennt die Clare jetzt nicht anders als
die barmherzige Schweſter. Jda war heute mor-
gen eine Stunde früher auf, um Clarens Bett
mit Blumen zu beſtreuen, und ihr einen Kranz
von Myrthen und Jonquillen aufs dunkle Haar zu
legen. Clärchen blühet in den friſcheſten Farben, aber
nie iſt ſie ſchöner als wenn ſie die Woche hat, und
ſich recht abarbeitet. Jda thut das ihre mit dem
ſchönſten Anſtande, leicht und fröhlich, doch fühlt
man immer heimlich, ſie ſey zu zart und geiſtig
für die gröbere Proſe des Lebens, wenn man ihr
zuſieht. Mathildens feierliche Langſamkeit iſt ihr
ein wenig hinderlich, aber wir ſind dennoch nicht

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[185/0193] Jda ſagte mir ins Ohr, die Kranke hätte Clare eine Heilige genannt. Clare geht nun alle Mor- gen mit der Liſel extra hin, und wiederholt das Geſchäft, lüftet und räuchert, damit wenn die an- dern kommen, ſie es nett und ſauber finden. Die Mamſell Clärchen iſt ein wahres Engelsbild, ſagte die Liſel als ſie das letztemal mit ihr zurück kam. Liſel hat außer Jda niemand ſo lieb als Clärchen. Ja, Fräulein Mathilde iſt wohl auch herzensgut, aber ſie ſieht doch gar zu vornehm aus. Unſer Wildfang nennt die Clare jetzt nicht anders als die barmherzige Schweſter. Jda war heute mor- gen eine Stunde früher auf, um Clarens Bett mit Blumen zu beſtreuen, und ihr einen Kranz von Myrthen und Jonquillen aufs dunkle Haar zu legen. Clärchen blühet in den friſcheſten Farben, aber nie iſt ſie ſchöner als wenn ſie die Woche hat, und ſich recht abarbeitet. Jda thut das ihre mit dem ſchönſten Anſtande, leicht und fröhlich, doch fühlt man immer heimlich, ſie ſey zu zart und geiſtig für die gröbere Proſe des Lebens, wenn man ihr zuſieht. Mathildens feierliche Langſamkeit iſt ihr ein wenig hinderlich, aber wir ſind dennoch nicht (24)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/193>, abgerufen am 24.11.2024.