Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



sie getreu nachmalt; dann wieder andere, und
kann sie auch die nachzeichnen, dann wieder an-
dere, bis sie das ganze Alphabet schreibt. Daß
sie beim Schreiben die Buchstaben auch nennen
lernt, versteht sich. Jst ihr das recht geläufig,
dann schreibe ihr ganz einfache Sylben vor, dann
die aus vielen Buchstaben zusammengesetzten, und
laß sie auch diese richtig aussprechen. Nun mehr-
sylbige Wörter; dann schreibe ihr kurze Sätze auf,
dann, was von ihr selbst oder von Dir gesprochen
worden. Hernach laß sie Dir auf der Tafel kleine
Briefe schreiben, die Du ihr beantwortest, und so
wird sie schreiben und lesen fast zu gleicher Zeit
können. Wenn Du Dich Anfangs der lateinischen
Buchstaben bedienst, so hast Du den Gewinn da-
von, daß sie auch die Druckschrift schneller lies't,
weil die mit den geschriebenen lateinischen Lettern
mehr Aehnlichkeit hat, als mit den kleinen deut-
schen. Doch bitte ich Dich, mit dem Lesen der
Druckschrift nicht sehr zu eilen, weil es keine Bü-
cher gibt, die ein Kind von vier bis sechs Jahren
versteht, und keine solche geben kann. Alles,
was man der Art für Kinder zusammengekünstelt



ſie getreu nachmalt; dann wieder andere, und
kann ſie auch die nachzeichnen, dann wieder an-
dere, bis ſie das ganze Alphabet ſchreibt. Daß
ſie beim Schreiben die Buchſtaben auch nennen
lernt, verſteht ſich. Jſt ihr das recht geläufig,
dann ſchreibe ihr ganz einfache Sylben vor, dann
die aus vielen Buchſtaben zuſammengeſetzten, und
laß ſie auch dieſe richtig ausſprechen. Nun mehr-
ſylbige Wörter; dann ſchreibe ihr kurze Sätze auf,
dann, was von ihr ſelbſt oder von Dir geſprochen
worden. Hernach laß ſie Dir auf der Tafel kleine
Briefe ſchreiben, die Du ihr beantworteſt, und ſo
wird ſie ſchreiben und leſen faſt zu gleicher Zeit
können. Wenn Du Dich Anfangs der lateiniſchen
Buchſtaben bedienſt, ſo haſt Du den Gewinn da-
von, daß ſie auch die Druckſchrift ſchneller lieſ’t,
weil die mit den geſchriebenen lateiniſchen Lettern
mehr Aehnlichkeit hat, als mit den kleinen deut-
ſchen. Doch bitte ich Dich, mit dem Leſen der
Druckſchrift nicht ſehr zu eilen, weil es keine Bü-
cher gibt, die ein Kind von vier bis ſechs Jahren
verſteht, und keine ſolche geben kann. Alles,
was man der Art für Kinder zuſammengekünſtelt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="82"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ie getreu nachmalt; dann wieder andere, und<lb/>
kann &#x017F;ie auch die nachzeichnen, dann wieder an-<lb/>
dere, bis &#x017F;ie das ganze Alphabet &#x017F;chreibt. Daß<lb/>
&#x017F;ie beim Schreiben die Buch&#x017F;taben auch nennen<lb/>
lernt, ver&#x017F;teht &#x017F;ich. J&#x017F;t ihr das recht geläufig,<lb/>
dann &#x017F;chreibe ihr ganz einfache Sylben vor, dann<lb/>
die aus vielen Buch&#x017F;taben zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten, und<lb/>
laß &#x017F;ie auch die&#x017F;e richtig aus&#x017F;prechen. Nun mehr-<lb/>
&#x017F;ylbige Wörter; dann &#x017F;chreibe ihr kurze Sätze auf,<lb/>
dann, was von ihr &#x017F;elb&#x017F;t oder von Dir ge&#x017F;prochen<lb/>
worden. Hernach laß &#x017F;ie Dir auf der Tafel kleine<lb/>
Briefe &#x017F;chreiben, die Du ihr beantworte&#x017F;t, und &#x017F;o<lb/>
wird &#x017F;ie &#x017F;chreiben und le&#x017F;en fa&#x017F;t zu gleicher Zeit<lb/>
können. Wenn Du Dich Anfangs der lateini&#x017F;chen<lb/>
Buch&#x017F;taben bedien&#x017F;t, &#x017F;o ha&#x017F;t Du den Gewinn da-<lb/>
von, daß &#x017F;ie auch die Druck&#x017F;chrift &#x017F;chneller lie&#x017F;&#x2019;t,<lb/>
weil die mit den ge&#x017F;chriebenen lateini&#x017F;chen Lettern<lb/>
mehr Aehnlichkeit hat, als mit den kleinen deut-<lb/>
&#x017F;chen. Doch bitte ich Dich, mit dem Le&#x017F;en der<lb/>
Druck&#x017F;chrift nicht &#x017F;ehr zu eilen, weil es keine Bü-<lb/>
cher gibt, die ein Kind von vier bis &#x017F;echs Jahren<lb/>
ver&#x017F;teht, und keine &#x017F;olche geben <hi rendition="#g">kann</hi>. Alles,<lb/>
was man der Art für Kinder zu&#x017F;ammengekün&#x017F;telt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0096] ſie getreu nachmalt; dann wieder andere, und kann ſie auch die nachzeichnen, dann wieder an- dere, bis ſie das ganze Alphabet ſchreibt. Daß ſie beim Schreiben die Buchſtaben auch nennen lernt, verſteht ſich. Jſt ihr das recht geläufig, dann ſchreibe ihr ganz einfache Sylben vor, dann die aus vielen Buchſtaben zuſammengeſetzten, und laß ſie auch dieſe richtig ausſprechen. Nun mehr- ſylbige Wörter; dann ſchreibe ihr kurze Sätze auf, dann, was von ihr ſelbſt oder von Dir geſprochen worden. Hernach laß ſie Dir auf der Tafel kleine Briefe ſchreiben, die Du ihr beantworteſt, und ſo wird ſie ſchreiben und leſen faſt zu gleicher Zeit können. Wenn Du Dich Anfangs der lateiniſchen Buchſtaben bedienſt, ſo haſt Du den Gewinn da- von, daß ſie auch die Druckſchrift ſchneller lieſ’t, weil die mit den geſchriebenen lateiniſchen Lettern mehr Aehnlichkeit hat, als mit den kleinen deut- ſchen. Doch bitte ich Dich, mit dem Leſen der Druckſchrift nicht ſehr zu eilen, weil es keine Bü- cher gibt, die ein Kind von vier bis ſechs Jahren verſteht, und keine ſolche geben kann. Alles, was man der Art für Kinder zuſammengekünſtelt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/96
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/96>, abgerufen am 25.11.2024.