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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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ren, sondern auch gegen die des Schönen und
Schicklichen seyn soll, muß er früh zur Natur wer-
den, und sich in Gefühl verwandeln, das mit
Blitzesschnelle wirkt. Ehe von Gründen nur die
Rede seyn kann, muß die weibliche Seele schnell
das Schicklichste für jeden Moment erkannt, er-
griffen, und durch ihr Handeln dargestellt haben.
Damit nun diese Gesetze sich tief in ihr Wesen
eindrücken, muß ein leises, mißbilligendes Kopf-
schütteln von Dir schon genug seyn, Jda von dem
abzuhalten, was sie nicht thun würde, wenn ihr
Verstand reif genug wäre, seine Unzulässigkeit zu
begreifen. Dein Urtheil sey, bis ihr eigenes sich
gebildet, für sie das Tribunal der Schicklichkeit,
von dem nicht appellirt werden kann. Bei der fast
anbetenden Liebe zu Dir wird es der Kleinen auch
so bald noch nicht einfallen, zu fragen: Warum
soll ich das nicht thun? warum das nicht sagen?
Doch, mit dem zunehmenden Verstande und mit
dem Gefühle der Kraft wird auch der eigene Wille
hervortreten, und das Bedürfniß, das Warum ei-
nes Verbotes zu wissen, kann bei solchen Dingen
nicht ausbleiben, die vor den Richtstuhl der Ver-



ren, ſondern auch gegen die des Schönen und
Schicklichen ſeyn ſoll, muß er früh zur Natur wer-
den, und ſich in Gefühl verwandeln, das mit
Blitzesſchnelle wirkt. Ehe von Gründen nur die
Rede ſeyn kann, muß die weibliche Seele ſchnell
das Schicklichſte für jeden Moment erkannt, er-
griffen, und durch ihr Handeln dargeſtellt haben.
Damit nun dieſe Geſetze ſich tief in ihr Weſen
eindrücken, muß ein leiſes, mißbilligendes Kopf-
ſchütteln von Dir ſchon genug ſeyn, Jda von dem
abzuhalten, was ſie nicht thun würde, wenn ihr
Verſtand reif genug wäre, ſeine Unzuläſſigkeit zu
begreifen. Dein Urtheil ſey, bis ihr eigenes ſich
gebildet, für ſie das Tribunal der Schicklichkeit,
von dem nicht appellirt werden kann. Bei der faſt
anbetenden Liebe zu Dir wird es der Kleinen auch
ſo bald noch nicht einfallen, zu fragen: Warum
ſoll ich das nicht thun? warum das nicht ſagen?
Doch, mit dem zunehmenden Verſtande und mit
dem Gefühle der Kraft wird auch der eigene Wille
hervortreten, und das Bedürfniß, das Warum ei-
nes Verbotes zu wiſſen, kann bei ſolchen Dingen
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[59/0073] ren, ſondern auch gegen die des Schönen und Schicklichen ſeyn ſoll, muß er früh zur Natur wer- den, und ſich in Gefühl verwandeln, das mit Blitzesſchnelle wirkt. Ehe von Gründen nur die Rede ſeyn kann, muß die weibliche Seele ſchnell das Schicklichſte für jeden Moment erkannt, er- griffen, und durch ihr Handeln dargeſtellt haben. Damit nun dieſe Geſetze ſich tief in ihr Weſen eindrücken, muß ein leiſes, mißbilligendes Kopf- ſchütteln von Dir ſchon genug ſeyn, Jda von dem abzuhalten, was ſie nicht thun würde, wenn ihr Verſtand reif genug wäre, ſeine Unzuläſſigkeit zu begreifen. Dein Urtheil ſey, bis ihr eigenes ſich gebildet, für ſie das Tribunal der Schicklichkeit, von dem nicht appellirt werden kann. Bei der faſt anbetenden Liebe zu Dir wird es der Kleinen auch ſo bald noch nicht einfallen, zu fragen: Warum ſoll ich das nicht thun? warum das nicht ſagen? Doch, mit dem zunehmenden Verſtande und mit dem Gefühle der Kraft wird auch der eigene Wille hervortreten, und das Bedürfniß, das Warum ei- nes Verbotes zu wiſſen, kann bei ſolchen Dingen nicht ausbleiben, die vor den Richtſtuhl der Ver-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/73>, abgerufen am 22.11.2024.