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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Von der Hausfrau, die sich selbst und ihre Ge-
räthe täglich mehrere Male zur bestimmten Stunde
waschen wollte, ohne ein Stäubchen an sich oder
den Sachen wahrzunehmen; die ihre Stuben und
Kammern ohne weitere Veranlassung täglich wa-
schen ließ, und darüber im Winter fast nie einen
trockenen Fußboden und nie eine dunstreine Luft im
Zimmer hätte, von der würde ich nicht sagen, daß
sie zu reinlich sey: ich würde das ohne Bedenken
Reinlichkeitspedanterie nennen.

Eben so wenig kann man zu ordentlich seyn,
wenn nämlich Ordnung Charakterzug am Weibe
ist. Wohl aber kann man die Mechanik der äußer-
lichen Ordnung zu weit treiben, und durch klein-
liche Pedanterieen in diesem, wie in vielen Stük-
ken, ein freies, großes Gemüth gewaltig ängsti-
gen, wenn man ihm nämlich seine Ordnung auf
eine läppische Art gerade in dieser Form vorschrei-
ben will. Laß unsern Liebling diese schönen weib-
lichen Tugenden in der lieblichsten Gestalt sehen
und üben lernen. Fern sey von ihr alles Aengst-
liche dabei. Jhr heftiges Weinen, als Woldemar

(8)


Von der Hausfrau, die ſich ſelbſt und ihre Ge-
räthe täglich mehrere Male zur beſtimmten Stunde
waſchen wollte, ohne ein Stäubchen an ſich oder
den Sachen wahrzunehmen; die ihre Stuben und
Kammern ohne weitere Veranlaſſung täglich wa-
ſchen ließ, und darüber im Winter faſt nie einen
trockenen Fußboden und nie eine dunſtreine Luft im
Zimmer hätte, von der würde ich nicht ſagen, daß
ſie zu reinlich ſey: ich würde das ohne Bedenken
Reinlichkeitspedanterie nennen.

Eben ſo wenig kann man zu ordentlich ſeyn,
wenn nämlich Ordnung Charakterzug am Weibe
iſt. Wohl aber kann man die Mechanik der äußer-
lichen Ordnung zu weit treiben, und durch klein-
liche Pedanterieen in dieſem, wie in vielen Stük-
ken, ein freies, großes Gemüth gewaltig ängſti-
gen, wenn man ihm nämlich ſeine Ordnung auf
eine läppiſche Art gerade in dieſer Form vorſchrei-
ben will. Laß unſern Liebling dieſe ſchönen weib-
lichen Tugenden in der lieblichſten Geſtalt ſehen
und üben lernen. Fern ſey von ihr alles Aengſt-
liche dabei. Jhr heftiges Weinen, als Woldemar

(8)
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[57/0071] Von der Hausfrau, die ſich ſelbſt und ihre Ge- räthe täglich mehrere Male zur beſtimmten Stunde waſchen wollte, ohne ein Stäubchen an ſich oder den Sachen wahrzunehmen; die ihre Stuben und Kammern ohne weitere Veranlaſſung täglich wa- ſchen ließ, und darüber im Winter faſt nie einen trockenen Fußboden und nie eine dunſtreine Luft im Zimmer hätte, von der würde ich nicht ſagen, daß ſie zu reinlich ſey: ich würde das ohne Bedenken Reinlichkeitspedanterie nennen. Eben ſo wenig kann man zu ordentlich ſeyn, wenn nämlich Ordnung Charakterzug am Weibe iſt. Wohl aber kann man die Mechanik der äußer- lichen Ordnung zu weit treiben, und durch klein- liche Pedanterieen in dieſem, wie in vielen Stük- ken, ein freies, großes Gemüth gewaltig ängſti- gen, wenn man ihm nämlich ſeine Ordnung auf eine läppiſche Art gerade in dieſer Form vorſchrei- ben will. Laß unſern Liebling dieſe ſchönen weib- lichen Tugenden in der lieblichſten Geſtalt ſehen und üben lernen. Fern ſey von ihr alles Aengſt- liche dabei. Jhr heftiges Weinen, als Woldemar (8)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/71>, abgerufen am 10.10.2024.