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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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mit ihr verweilst. Jst's eine Tulpe oder Nelke,
nenne sie ihr zuerst mit dem allgemeinen Namen:
Blume. Fängt sie an, Farben zu unterscheiden,
so füge den Namen der Farbe hinzu, und lehre
sie gelbe Blume, blaue Blume, rothe oder bunte
Blume sagen, aber nicht eher, als bis sie wirk-
lich die Farben unterscheiden kann, und übe sie
oft darin.

Jst die Witterung rauh und kannst Du mit ihr
nicht im Freien seyn: so mache sie auf die Gegen-
stände in ihrem Stübchen aufmerksam, lehre sie
nach und nach alles kennen, unterscheiden und be-
nennen, was darin ist; und eben deshalb wünsch'
ich, daß ihr Zimmerchen sehr einfach dekorirt sey,
damit Du über alle Gegenstände, die darin sind,
mit ihr reden könntest. Aber laß ja die Gegen-
stände nicht schnell wechseln.

Jn einem sehr begüterten Hause fand ich einst
die Kinderstube mit alten Haute-Lisse-Tapeten
verunziert. Der Wiege des kleinsten Kindes ge-
genüber war der König Saul abgebildet, wie er



mit ihr verweilſt. Jſt’s eine Tulpe oder Nelke,
nenne ſie ihr zuerſt mit dem allgemeinen Namen:
Blume. Fängt ſie an, Farben zu unterſcheiden,
ſo füge den Namen der Farbe hinzu, und lehre
ſie gelbe Blume, blaue Blume, rothe oder bunte
Blume ſagen, aber nicht eher, als bis ſie wirk-
lich die Farben unterſcheiden kann, und übe ſie
oft darin.

Jſt die Witterung rauh und kannſt Du mit ihr
nicht im Freien ſeyn: ſo mache ſie auf die Gegen-
ſtände in ihrem Stübchen aufmerkſam, lehre ſie
nach und nach alles kennen, unterſcheiden und be-
nennen, was darin iſt; und eben deshalb wünſch’
ich, daß ihr Zimmerchen ſehr einfach dekorirt ſey,
damit Du über alle Gegenſtände, die darin ſind,
mit ihr reden könnteſt. Aber laß ja die Gegen-
ſtände nicht ſchnell wechſeln.

Jn einem ſehr begüterten Hauſe fand ich einſt
die Kinderſtube mit alten Haute-Liſſe-Tapeten
verunziert. Der Wiege des kleinſten Kindes ge-
genüber war der König Saul abgebildet, wie er

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[20/0034] mit ihr verweilſt. Jſt’s eine Tulpe oder Nelke, nenne ſie ihr zuerſt mit dem allgemeinen Namen: Blume. Fängt ſie an, Farben zu unterſcheiden, ſo füge den Namen der Farbe hinzu, und lehre ſie gelbe Blume, blaue Blume, rothe oder bunte Blume ſagen, aber nicht eher, als bis ſie wirk- lich die Farben unterſcheiden kann, und übe ſie oft darin. Jſt die Witterung rauh und kannſt Du mit ihr nicht im Freien ſeyn: ſo mache ſie auf die Gegen- ſtände in ihrem Stübchen aufmerkſam, lehre ſie nach und nach alles kennen, unterſcheiden und be- nennen, was darin iſt; und eben deshalb wünſch’ ich, daß ihr Zimmerchen ſehr einfach dekorirt ſey, damit Du über alle Gegenſtände, die darin ſind, mit ihr reden könnteſt. Aber laß ja die Gegen- ſtände nicht ſchnell wechſeln. Jn einem ſehr begüterten Hauſe fand ich einſt die Kinderſtube mit alten Haute-Liſſe-Tapeten verunziert. Der Wiege des kleinſten Kindes ge- genüber war der König Saul abgebildet, wie er

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/34>, abgerufen am 25.11.2024.