Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

die, unter Knaben, von Männern auferzogen
wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang
etwas Unweibliches an sich.

Jch. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei-
ber, die unter lauter Weibern aufwuchsen, z. B.
in Klöstern, in sehr zahlreichen Pensionsanstal-
ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgeiste bald
ganz und gar beherrscht worden, und ihm später-
hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts
elenderes, als diesen weiblichen Kleingeist.

Pfarrer. Das ist die unausbleibliche Folge
solcher Einseitigkeit des Lebens. So wie die Män-
ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti-
gen Einfluß Jhres Geschlechts leben, dafür mit
der jämmerlichsten Pedanterei gestraft werden.
Das ist die Rache der beleidigten Natur.

Das Uebrige dieses Gesprächs ist mir entfallen.
Mir war aber in dieser Stunde theils durch eig-
nes Aussprechen meiner Gedanken, theils durch
des Pfarrers Ansichten manches klarer und ent-
schiedener über diesen Punkt geworden, worüber
ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs

die, unter Knaben, von Männern auferzogen
wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang
etwas Unweibliches an ſich.

Jch. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei-
ber, die unter lauter Weibern aufwuchſen, z. B.
in Klöſtern, in ſehr zahlreichen Penſionsanſtal-
ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgeiſte bald
ganz und gar beherrſcht worden, und ihm ſpäter-
hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts
elenderes, als dieſen weiblichen Kleingeiſt.

Pfarrer. Das iſt die unausbleibliche Folge
ſolcher Einſeitigkeit des Lebens. So wie die Män-
ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti-
gen Einfluß Jhres Geſchlechts leben, dafür mit
der jämmerlichſten Pedanterei geſtraft werden.
Das iſt die Rache der beleidigten Natur.

Das Uebrige dieſes Geſprächs iſt mir entfallen.
Mir war aber in dieſer Stunde theils durch eig-
nes Ausſprechen meiner Gedanken, theils durch
des Pfarrers Anſichten manches klarer und ent-
ſchiedener über dieſen Punkt geworden, worüber
ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0321" n="307"/>
die, unter Knaben, von Männern auferzogen<lb/>
wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang<lb/>
etwas Unweibliches an &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei-<lb/>
ber, die unter lauter Weibern aufwuch&#x017F;en, z. B.<lb/>
in Klö&#x017F;tern, in &#x017F;ehr zahlreichen Pen&#x017F;ionsan&#x017F;tal-<lb/>
ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgei&#x017F;te bald<lb/>
ganz und gar beherr&#x017F;cht worden, und ihm &#x017F;päter-<lb/>
hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts<lb/>
elenderes, als die&#x017F;en weiblichen Kleingei&#x017F;t.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Das i&#x017F;t die unausbleibliche Folge<lb/>
&#x017F;olcher Ein&#x017F;eitigkeit des Lebens. So wie die Män-<lb/>
ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti-<lb/>
gen Einfluß Jhres Ge&#x017F;chlechts leben, dafür mit<lb/>
der jämmerlich&#x017F;ten Pedanterei ge&#x017F;traft werden.<lb/>
Das i&#x017F;t die Rache der beleidigten Natur.</p><lb/>
          <p>Das Uebrige die&#x017F;es Ge&#x017F;prächs i&#x017F;t mir entfallen.<lb/>
Mir war aber in die&#x017F;er Stunde theils durch eig-<lb/>
nes Aus&#x017F;prechen meiner Gedanken, theils durch<lb/>
des Pfarrers An&#x017F;ichten manches klarer und ent-<lb/>
&#x017F;chiedener über die&#x017F;en Punkt geworden, worüber<lb/>
ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0321] die, unter Knaben, von Männern auferzogen wurden, behielten minder oder mehr ihr lebenlang etwas Unweibliches an ſich. Jch. Setzen Sie aber auch hinzu, daß Wei- ber, die unter lauter Weibern aufwuchſen, z. B. in Klöſtern, in ſehr zahlreichen Penſionsanſtal- ten, von dem weiblichen Kleinigkeitsgeiſte bald ganz und gar beherrſcht worden, und ihm ſpäter- hin nie mehr entrinnen mögen. Es gibt nichts elenderes, als dieſen weiblichen Kleingeiſt. Pfarrer. Das iſt die unausbleibliche Folge ſolcher Einſeitigkeit des Lebens. So wie die Män- ner, die lange oder immer ohne den wohlthäti- gen Einfluß Jhres Geſchlechts leben, dafür mit der jämmerlichſten Pedanterei geſtraft werden. Das iſt die Rache der beleidigten Natur. Das Uebrige dieſes Geſprächs iſt mir entfallen. Mir war aber in dieſer Stunde theils durch eig- nes Ausſprechen meiner Gedanken, theils durch des Pfarrers Anſichten manches klarer und ent- ſchiedener über dieſen Punkt geworden, worüber ich bis dahin nicht auf dem Reinen war, wie ichs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/321
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/321>, abgerufen am 22.11.2024.