Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Mann von mäßigen Fähigkeiten kommen,
und über denselben Gegenstand sich auslassen,
um mich völlig aus dem Traume zu reißen.

Pfarrer. Und dies Erkennen ist weibliche
Größe.

Jch. Weil wir nur durch demüthiges Gefühl
unsers Unvermögens etwas seyn können?

Pfarrer. Nicht also, meine Freundin. Nur
das Erkennen und Unterscheiden ihres Gebietes
von dem Männlichen macht das Weib zu dem
Höchsten, was es seyn kann. Vergebens würden
wir nach ihrer leichten liebenswürdigen Schnell-
kraft des Geistes ringen. Vergebens streben sie
nach der Tiefe, nach der Jdeenverkettung, nach
dem Zusammenhang und der Ordnung im Den-
ken, die jede ernste Wissenschaft fodert. Und da-
rum kann nur der Mann den weiblichen Geist
zur Ordnung im Denken, und zum eigentlichen
Wissen führen; aber darum kann auch das kind-
liche Herz nur am weiblichen Herzen gedeihen.
Und darum kann der zarte weibliche Sinn nur
vom Weibe entfaltet werden. Alle Mädchen,

ein Mann von mäßigen Fähigkeiten kommen,
und über denſelben Gegenſtand ſich auslaſſen,
um mich völlig aus dem Traume zu reißen.

Pfarrer. Und dies Erkennen iſt weibliche
Größe.

Jch. Weil wir nur durch demüthiges Gefühl
unſers Unvermögens etwas ſeyn können?

Pfarrer. Nicht alſo, meine Freundin. Nur
das Erkennen und Unterſcheiden ihres Gebietes
von dem Männlichen macht das Weib zu dem
Höchſten, was es ſeyn kann. Vergebens würden
wir nach ihrer leichten liebenswürdigen Schnell-
kraft des Geiſtes ringen. Vergebens ſtreben ſie
nach der Tiefe, nach der Jdeenverkettung, nach
dem Zuſammenhang und der Ordnung im Den-
ken, die jede ernſte Wiſſenſchaft fodert. Und da-
rum kann nur der Mann den weiblichen Geiſt
zur Ordnung im Denken, und zum eigentlichen
Wiſſen führen; aber darum kann auch das kind-
liche Herz nur am weiblichen Herzen gedeihen.
Und darum kann der zarte weibliche Sinn nur
vom Weibe entfaltet werden. Alle Mädchen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0320" n="306"/>
ein Mann von mäßigen Fähigkeiten kommen,<lb/>
und über den&#x017F;elben Gegen&#x017F;tand &#x017F;ich ausla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
um mich völlig aus dem Traume zu reißen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Und dies Erkennen i&#x017F;t weibliche<lb/>
Größe.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Weil wir nur durch demüthiges Gefühl<lb/>
un&#x017F;ers Unvermögens <hi rendition="#g">etwas</hi> &#x017F;eyn können?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Nicht al&#x017F;o, meine Freundin. Nur<lb/>
das Erkennen und Unter&#x017F;cheiden ihres Gebietes<lb/>
von dem Männlichen macht das Weib zu dem<lb/>
Höch&#x017F;ten, was es &#x017F;eyn kann. Vergebens würden<lb/>
wir nach ihrer leichten liebenswürdigen Schnell-<lb/>
kraft des Gei&#x017F;tes ringen. Vergebens &#x017F;treben &#x017F;ie<lb/>
nach der Tiefe, nach der Jdeenverkettung, nach<lb/>
dem Zu&#x017F;ammenhang und der Ordnung im Den-<lb/>
ken, die jede ern&#x017F;te Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft fodert. Und da-<lb/>
rum kann nur der Mann den weiblichen Gei&#x017F;t<lb/>
zur Ordnung im Denken, und zum eigentlichen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en führen; aber darum kann auch das kind-<lb/>
liche Herz nur am weiblichen Herzen gedeihen.<lb/>
Und darum kann der zarte weibliche Sinn nur<lb/>
vom Weibe entfaltet werden. Alle Mädchen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0320] ein Mann von mäßigen Fähigkeiten kommen, und über denſelben Gegenſtand ſich auslaſſen, um mich völlig aus dem Traume zu reißen. Pfarrer. Und dies Erkennen iſt weibliche Größe. Jch. Weil wir nur durch demüthiges Gefühl unſers Unvermögens etwas ſeyn können? Pfarrer. Nicht alſo, meine Freundin. Nur das Erkennen und Unterſcheiden ihres Gebietes von dem Männlichen macht das Weib zu dem Höchſten, was es ſeyn kann. Vergebens würden wir nach ihrer leichten liebenswürdigen Schnell- kraft des Geiſtes ringen. Vergebens ſtreben ſie nach der Tiefe, nach der Jdeenverkettung, nach dem Zuſammenhang und der Ordnung im Den- ken, die jede ernſte Wiſſenſchaft fodert. Und da- rum kann nur der Mann den weiblichen Geiſt zur Ordnung im Denken, und zum eigentlichen Wiſſen führen; aber darum kann auch das kind- liche Herz nur am weiblichen Herzen gedeihen. Und darum kann der zarte weibliche Sinn nur vom Weibe entfaltet werden. Alle Mädchen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/320
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/320>, abgerufen am 05.10.2024.