Jda. O gerade so ging mir es mit dem Kla- vier. Wenn ich die Mütter so schnell spielen hör- te, und das so herrlich klang, da konnte ich es gar nicht fassen, wie so viele Töne und Klänge immer wieder nur eins ausmachten. Wenn sie dann hinaus war, schlich ich ans Klavier, und wollte das auch so machen wie sie, und griff ge- waltig ins Klavier hinein. Aber das klang ab- scheulich.
Jch. Und als du nun schreiben lerntest, Clärchen, wie war es da?
Cl. Ja da mußte ich erst Buchstaben nach- machen, hernach sie zusammensetzen zu Sylben, dann zu Wörtern, dann mußt' ich mehrere Wör- ter so zusammensetzen, daß sie irgend einen Ge- danken ausdrückten, dann mehrere Gedanken zu- sammen ordnen, so als ob ich zu jemand spräche, und da war, ehe ich michs versah, ein Briefchen fertig, und ich konnt' es begreifen, wie es gewor- den war.
Jch. Und du, Mathilde, als du Stricken lern- test, wie machte es deine Lehrmeisterin?
(31)
Jda. O gerade ſo ging mir es mit dem Kla- vier. Wenn ich die Mütter ſo ſchnell ſpielen hör- te, und das ſo herrlich klang, da konnte ich es gar nicht faſſen, wie ſo viele Töne und Klänge immer wieder nur eins ausmachten. Wenn ſie dann hinaus war, ſchlich ich ans Klavier, und wollte das auch ſo machen wie ſie, und griff ge- waltig ins Klavier hinein. Aber das klang ab- ſcheulich.
Jch. Und als du nun ſchreiben lernteſt, Clärchen, wie war es da?
Cl. Ja da mußte ich erſt Buchſtaben nach- machen, hernach ſie zuſammenſetzen zu Sylben, dann zu Wörtern, dann mußt’ ich mehrere Wör- ter ſo zuſammenſetzen, daß ſie irgend einen Ge- danken ausdrückten, dann mehrere Gedanken zu- ſammen ordnen, ſo als ob ich zu jemand ſpräche, und da war, ehe ich michs verſah, ein Briefchen fertig, und ich konnt’ es begreifen, wie es gewor- den war.
Jch. Und du, Mathilde, als du Stricken lern- teſt, wie machte es deine Lehrmeiſterin?
(31)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0255"n="241"/><p><hirendition="#g">Jda</hi>. O gerade ſo ging mir es mit dem Kla-<lb/>
vier. Wenn ich die Mütter ſo ſchnell ſpielen hör-<lb/>
te, und das ſo herrlich klang, da konnte ich es<lb/>
gar nicht faſſen, wie ſo viele Töne und Klänge<lb/>
immer wieder nur eins ausmachten. Wenn ſie<lb/>
dann hinaus war, ſchlich ich ans Klavier, und<lb/>
wollte das auch ſo machen wie ſie, und griff ge-<lb/>
waltig ins Klavier hinein. Aber das klang ab-<lb/>ſcheulich.</p><lb/><p><hirendition="#g">Jch</hi>. Und als du nun ſchreiben lernteſt,<lb/>
Clärchen, wie war es da?</p><lb/><p><hirendition="#g">Cl</hi>. Ja da mußte ich erſt Buchſtaben nach-<lb/>
machen, hernach ſie zuſammenſetzen zu Sylben,<lb/>
dann zu Wörtern, dann mußt’ ich mehrere Wör-<lb/>
ter ſo zuſammenſetzen, daß ſie irgend einen Ge-<lb/>
danken ausdrückten, dann mehrere Gedanken zu-<lb/>ſammen ordnen, ſo als ob ich zu jemand ſpräche,<lb/>
und da war, ehe ich michs verſah, ein Briefchen<lb/>
fertig, und ich konnt’ es begreifen, wie es gewor-<lb/>
den war.</p><lb/><p><hirendition="#g">Jch</hi>. Und du, Mathilde, als du Stricken lern-<lb/>
teſt, wie machte es deine Lehrmeiſterin?</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">(31)</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[241/0255]
Jda. O gerade ſo ging mir es mit dem Kla-
vier. Wenn ich die Mütter ſo ſchnell ſpielen hör-
te, und das ſo herrlich klang, da konnte ich es
gar nicht faſſen, wie ſo viele Töne und Klänge
immer wieder nur eins ausmachten. Wenn ſie
dann hinaus war, ſchlich ich ans Klavier, und
wollte das auch ſo machen wie ſie, und griff ge-
waltig ins Klavier hinein. Aber das klang ab-
ſcheulich.
Jch. Und als du nun ſchreiben lernteſt,
Clärchen, wie war es da?
Cl. Ja da mußte ich erſt Buchſtaben nach-
machen, hernach ſie zuſammenſetzen zu Sylben,
dann zu Wörtern, dann mußt’ ich mehrere Wör-
ter ſo zuſammenſetzen, daß ſie irgend einen Ge-
danken ausdrückten, dann mehrere Gedanken zu-
ſammen ordnen, ſo als ob ich zu jemand ſpräche,
und da war, ehe ich michs verſah, ein Briefchen
fertig, und ich konnt’ es begreifen, wie es gewor-
den war.
Jch. Und du, Mathilde, als du Stricken lern-
teſt, wie machte es deine Lehrmeiſterin?
(31)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/255>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.