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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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türliche absichtlose, in der sich alle Regungen der
Seele leicht und ungehindert ausdrücken können,
die nichts Eckiges, Verbogenes noch Genirtes hat,
kurz die, deren man sich gar nicht bewußt ist. --
Sie ist das angenehme Produkt einer ungestörten
harmonisch entfalteten Natur, und eine der schö-
nen Belohnungen, womit eine naturgemäße Be-
handlung der Kinder von der ersten Lebensperiode
an uns erfreut.

Am vollkommensten zeigt sich bei unsern Kin-
dern diese Naturgrazie in Jda, die in Ansehung
der Haltung fast gar keiner Erinnerung bedarf.
Jn Mathildens Bewegungen, Gang, Haltung
und ganzem Anstande drückt sich ihr heftiger Cha-
rakter noch zu viel aus. Jst der erst noch mehr ge-
mildert, so wird es sich auch mit dem Ausdrucke
desselben schon finden. Um Clärchens willen muß
ich es eigentlich wünschen, daß wir bald ein
tüchtiges Subjekt finden. Sie hat gerade keine
schlimmen Verwöhnungen der Haltung; aber ihre
Manieren sind etwas roh, und gränzen oft an das
Bäurische. Und dem kann die Kunst abhelfen,
und soll es. Denn es thut einem weh, bei äus-

türliche abſichtloſe, in der ſich alle Regungen der
Seele leicht und ungehindert ausdrücken können,
die nichts Eckiges, Verbogenes noch Genirtes hat,
kurz die, deren man ſich gar nicht bewußt iſt. —
Sie iſt das angenehme Produkt einer ungeſtörten
harmoniſch entfalteten Natur, und eine der ſchö-
nen Belohnungen, womit eine naturgemäße Be-
handlung der Kinder von der erſten Lebensperiode
an uns erfreut.

Am vollkommenſten zeigt ſich bei unſern Kin-
dern dieſe Naturgrazie in Jda, die in Anſehung
der Haltung faſt gar keiner Erinnerung bedarf.
Jn Mathildens Bewegungen, Gang, Haltung
und ganzem Anſtande drückt ſich ihr heftiger Cha-
rakter noch zu viel aus. Jſt der erſt noch mehr ge-
mildert, ſo wird es ſich auch mit dem Ausdrucke
deſſelben ſchon finden. Um Clärchens willen muß
ich es eigentlich wünſchen, daß wir bald ein
tüchtiges Subjekt finden. Sie hat gerade keine
ſchlimmen Verwöhnungen der Haltung; aber ihre
Manieren ſind etwas roh, und gränzen oft an das
Bäuriſche. Und dem kann die Kunſt abhelfen,
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[236/0250] türliche abſichtloſe, in der ſich alle Regungen der Seele leicht und ungehindert ausdrücken können, die nichts Eckiges, Verbogenes noch Genirtes hat, kurz die, deren man ſich gar nicht bewußt iſt. — Sie iſt das angenehme Produkt einer ungeſtörten harmoniſch entfalteten Natur, und eine der ſchö- nen Belohnungen, womit eine naturgemäße Be- handlung der Kinder von der erſten Lebensperiode an uns erfreut. Am vollkommenſten zeigt ſich bei unſern Kin- dern dieſe Naturgrazie in Jda, die in Anſehung der Haltung faſt gar keiner Erinnerung bedarf. Jn Mathildens Bewegungen, Gang, Haltung und ganzem Anſtande drückt ſich ihr heftiger Cha- rakter noch zu viel aus. Jſt der erſt noch mehr ge- mildert, ſo wird es ſich auch mit dem Ausdrucke deſſelben ſchon finden. Um Clärchens willen muß ich es eigentlich wünſchen, daß wir bald ein tüchtiges Subjekt finden. Sie hat gerade keine ſchlimmen Verwöhnungen der Haltung; aber ihre Manieren ſind etwas roh, und gränzen oft an das Bäuriſche. Und dem kann die Kunſt abhelfen, und ſoll es. Denn es thut einem weh, bei äuſ-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/250>, abgerufen am 25.11.2024.