Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Paul. Jch habe mein Gelübde gebrochen!

Jda. Wie meynst du das? Jch verstehe dich
nicht. Was hast du gebrochen?

Paul. Als ich an der Heerstraße an Jhrem
Wagen stand, und Sie mir sagten: "Trinke kei-
nen solchen Trank, wovon die Leute toll werden"
da habe ich es Gott und Jhnen leise versprochen,
daß ich keinen Branntwein je wieder anrühren
wollte. Und nun habe ich mich am Mittwoch be-
trunken, und habe die Nacht auf der Straße ge-
legen, und nun darf ich Sie nicht mehr lieb ha-
ben, und Sie auch nicht, Jhr Gnaden, und ich
weiß nicht 'mal, ob ich noch für Sie beten darf;
denn Gott wird mein Gebet nicht erhören. Jetzt
will ich gehen und fasten und sterben, wenn Gott
will. --

Jda weinte, daß sie laut schluchzte. "Willst
du denn gar nicht wieder kommen?"

Paul. Vielleicht, Fräulein, komme ich noch
einmal wieder. Es ist mir ja, als wenn ich in
Gottes Himmel käme, wenn ich in Jhr Haus trete.

Paul. Jch habe mein Gelübde gebrochen!

Jda. Wie meynſt du das? Jch verſtehe dich
nicht. Was haſt du gebrochen?

Paul. Als ich an der Heerſtraße an Jhrem
Wagen ſtand, und Sie mir ſagten: „Trinke kei-
nen ſolchen Trank, wovon die Leute toll werden‟
da habe ich es Gott und Jhnen leiſe verſprochen,
daß ich keinen Branntwein je wieder anrühren
wollte. Und nun habe ich mich am Mittwoch be-
trunken, und habe die Nacht auf der Straße ge-
legen, und nun darf ich Sie nicht mehr lieb ha-
ben, und Sie auch nicht, Jhr Gnaden, und ich
weiß nicht ’mal, ob ich noch für Sie beten darf;
denn Gott wird mein Gebet nicht erhören. Jetzt
will ich gehen und faſten und ſterben, wenn Gott
will. —

Jda weinte, daß ſie laut ſchluchzte. „Willſt
du denn gar nicht wieder kommen?‟

Paul. Vielleicht, Fräulein, komme ich noch
einmal wieder. Es iſt mir ja, als wenn ich in
Gottes Himmel käme, wenn ich in Jhr Haus trete.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0236" n="222"/>
          <p><hi rendition="#g">Paul</hi>. Jch habe mein Gelübde gebrochen!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jda</hi>. Wie meyn&#x017F;t du das? Jch ver&#x017F;tehe dich<lb/>
nicht. Was ha&#x017F;t du gebrochen?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Paul</hi>. Als ich an der Heer&#x017F;traße an Jhrem<lb/>
Wagen &#x017F;tand, und Sie mir &#x017F;agten: &#x201E;Trinke kei-<lb/>
nen &#x017F;olchen Trank, wovon die Leute toll werden&#x201F;<lb/>
da habe ich es Gott und Jhnen lei&#x017F;e ver&#x017F;prochen,<lb/>
daß ich keinen Branntwein je wieder anrühren<lb/>
wollte. Und nun habe ich mich am Mittwoch be-<lb/>
trunken, und habe die Nacht auf der Straße ge-<lb/>
legen, und nun darf ich Sie nicht mehr lieb ha-<lb/>
ben, und Sie auch nicht, Jhr Gnaden, und ich<lb/>
weiß nicht &#x2019;mal, ob ich noch für Sie beten darf;<lb/>
denn Gott wird mein Gebet nicht erhören. Jetzt<lb/>
will ich gehen und fa&#x017F;ten und &#x017F;terben, wenn Gott<lb/>
will. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Jda weinte, daß &#x017F;ie laut &#x017F;chluchzte. &#x201E;Will&#x017F;t<lb/>
du denn gar nicht wieder kommen?&#x201F;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Paul</hi>. Vielleicht, Fräulein, komme ich noch<lb/>
einmal wieder. Es i&#x017F;t mir ja, als wenn ich in<lb/>
Gottes Himmel käme, wenn ich in Jhr Haus trete.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0236] Paul. Jch habe mein Gelübde gebrochen! Jda. Wie meynſt du das? Jch verſtehe dich nicht. Was haſt du gebrochen? Paul. Als ich an der Heerſtraße an Jhrem Wagen ſtand, und Sie mir ſagten: „Trinke kei- nen ſolchen Trank, wovon die Leute toll werden‟ da habe ich es Gott und Jhnen leiſe verſprochen, daß ich keinen Branntwein je wieder anrühren wollte. Und nun habe ich mich am Mittwoch be- trunken, und habe die Nacht auf der Straße ge- legen, und nun darf ich Sie nicht mehr lieb ha- ben, und Sie auch nicht, Jhr Gnaden, und ich weiß nicht ’mal, ob ich noch für Sie beten darf; denn Gott wird mein Gebet nicht erhören. Jetzt will ich gehen und faſten und ſterben, wenn Gott will. — Jda weinte, daß ſie laut ſchluchzte. „Willſt du denn gar nicht wieder kommen?‟ Paul. Vielleicht, Fräulein, komme ich noch einmal wieder. Es iſt mir ja, als wenn ich in Gottes Himmel käme, wenn ich in Jhr Haus trete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/236
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/236>, abgerufen am 19.05.2024.