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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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aber Du wirst wohl sehen, wie sie dann weiter
folgen. Dies ist mein zweiter Brief, lieber Wol-
demar. Jch wüßte Dir noch wohl viel zu schrei-
ben, wenn ich nur wüßte, wie ich es schreiben
sollte. Jch bin so ungeduldig, Dich zu sehen,
daß ich gar nicht mehr schreiben kann. Komm
nur bald, Herzens Woldemar." --

Nun wußt' ich erst, warum das liebe Geschöpf
heute so früh aus dem Bette wollte. Jn einem
angefeuchteten Tuche hatte sie noch ein Kränzchen
aufbewahrt, das legte sie den Mittag um Wol-
demar's Trinkglas. Unter seiner Serviette fand
er Deinen und Deines Mannes Briefe, die
gestern für ihn ankamen, da war er ganz felig.

Und wie er des Vaters Lob und Zufriedenheit
las, glühete er über und über. Als er an die
Worte kam: werde nur ein braver Mensch, und
nicht zu weich, da sah er Platov an, den er mit-
lesen ließ, und fragte: bin ich es denn noch im-
mer? der sagte: noch wohl, mein Junger; aber
das wird sich schon geben. Lerne nur brav. Und

aber Du wirſt wohl ſehen, wie ſie dann weiter
folgen. Dies iſt mein zweiter Brief, lieber Wol-
demar. Jch wüßte Dir noch wohl viel zu ſchrei-
ben, wenn ich nur wüßte, wie ich es ſchreiben
ſollte. Jch bin ſo ungeduldig, Dich zu ſehen,
daß ich gar nicht mehr ſchreiben kann. Komm
nur bald, Herzens Woldemar.‟ —

Nun wußt’ ich erſt, warum das liebe Geſchöpf
heute ſo früh aus dem Bette wollte. Jn einem
angefeuchteten Tuche hatte ſie noch ein Kränzchen
aufbewahrt, das legte ſie den Mittag um Wol-
demar’s Trinkglas. Unter ſeiner Serviette fand
er Deinen und Deines Mannes Briefe, die
geſtern für ihn ankamen, da war er ganz felig.

Und wie er des Vaters Lob und Zufriedenheit
las, glühete er über und über. Als er an die
Worte kam: werde nur ein braver Menſch, und
nicht zu weich, da ſah er Platov an, den er mit-
leſen ließ, und fragte: bin ich es denn noch im-
mer? der ſagte: noch wohl, mein Junger; aber
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[214/0228] aber Du wirſt wohl ſehen, wie ſie dann weiter folgen. Dies iſt mein zweiter Brief, lieber Wol- demar. Jch wüßte Dir noch wohl viel zu ſchrei- ben, wenn ich nur wüßte, wie ich es ſchreiben ſollte. Jch bin ſo ungeduldig, Dich zu ſehen, daß ich gar nicht mehr ſchreiben kann. Komm nur bald, Herzens Woldemar.‟ — Nun wußt’ ich erſt, warum das liebe Geſchöpf heute ſo früh aus dem Bette wollte. Jn einem angefeuchteten Tuche hatte ſie noch ein Kränzchen aufbewahrt, das legte ſie den Mittag um Wol- demar’s Trinkglas. Unter ſeiner Serviette fand er Deinen und Deines Mannes Briefe, die geſtern für ihn ankamen, da war er ganz felig. Und wie er des Vaters Lob und Zufriedenheit las, glühete er über und über. Als er an die Worte kam: werde nur ein braver Menſch, und nicht zu weich, da ſah er Platov an, den er mit- leſen ließ, und fragte: bin ich es denn noch im- mer? der ſagte: noch wohl, mein Junger; aber das wird ſich ſchon geben. Lerne nur brav. Und

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/228>, abgerufen am 14.10.2024.