Stunde war noch nicht da. Mathilde ist bei Jda's Gebet immer gegenwärtig. Auch sind ihr wirklich schon früher, ehe sie zu mir kam, Jdeen von Gott gegeben; aber etwas Gegebenes will auch empfan- gen seyn, und sie hat sie nicht liebend in sich auf- genommen. So wie ihr Herz sich veredelt, wird ihr auch das Bedürfniß kommen, aus allen Kräf- ten zu lieben. Was ich ihr jetzt von Gott sagte, ohne Wunsch und Bedürfniß bei ihr, würde nicht Wurzel fassen können, und würde vielleicht eine entgegengesetzte Wirkung haben von der ge- wünschten.
Pfarrer. Jch ehre Jhr Prinzip: erwarten Sie denn die Stunde. Aber lassen Sie mich's wissen, wann und wie sie bei diesem seltsamen un- kindlichen Kinde gekommen, das bitte ich Sie.
Jetzt waren wir dem Hause nahe, und schieden höchst zufrieden von einander.
Daß Du mir aus Deiner glänzenden Welt nichts mittheilen willst, ist unfreundlich von Dir. Und wenn nun alles, was Du mir mittheilen
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Stunde war noch nicht da. Mathilde iſt bei Jda’s Gebet immer gegenwärtig. Auch ſind ihr wirklich ſchon früher, ehe ſie zu mir kam, Jdeen von Gott gegeben; aber etwas Gegebenes will auch empfan- gen ſeyn, und ſie hat ſie nicht liebend in ſich auf- genommen. So wie ihr Herz ſich veredelt, wird ihr auch das Bedürfniß kommen, aus allen Kräf- ten zu lieben. Was ich ihr jetzt von Gott ſagte, ohne Wunſch und Bedürfniß bei ihr, würde nicht Wurzel faſſen können, und würde vielleicht eine entgegengeſetzte Wirkung haben von der ge- wünſchten.
Pfarrer. Jch ehre Jhr Prinzip: erwarten Sie denn die Stunde. Aber laſſen Sie mich’s wiſſen, wann und wie ſie bei dieſem ſeltſamen un- kindlichen Kinde gekommen, das bitte ich Sie.
Jetzt waren wir dem Hauſe nahe, und ſchieden höchſt zufrieden von einander.
Daß Du mir aus Deiner glänzenden Welt nichts mittheilen willſt, iſt unfreundlich von Dir. Und wenn nun alles, was Du mir mittheilen
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Stunde war noch nicht da. Mathilde iſt bei Jda’s
Gebet immer gegenwärtig. Auch ſind ihr wirklich
ſchon früher, ehe ſie zu mir kam, Jdeen von Gott
gegeben; aber etwas Gegebenes will auch empfan-
gen ſeyn, und ſie hat ſie nicht liebend in ſich auf-
genommen. So wie ihr Herz ſich veredelt, wird
ihr auch das Bedürfniß kommen, aus allen Kräf-
ten zu lieben. Was ich ihr jetzt von Gott ſagte,
ohne Wunſch und Bedürfniß bei ihr, würde nicht
Wurzel faſſen können, und würde vielleicht eine
entgegengeſetzte Wirkung haben von der ge-
wünſchten.
Pfarrer. Jch ehre Jhr Prinzip: erwarten
Sie denn die Stunde. Aber laſſen Sie mich’s
wiſſen, wann und wie ſie bei dieſem ſeltſamen un-
kindlichen Kinde gekommen, das bitte ich Sie.
Jetzt waren wir dem Hauſe nahe, und ſchieden
höchſt zufrieden von einander.
Daß Du mir aus Deiner glänzenden Welt nichts
mittheilen willſt, iſt unfreundlich von Dir.
Und wenn nun alles, was Du mir mittheilen
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/207>, abgerufen am 22.11.2024.
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