edle Freundin! ich weiß, ich darf in so ernsten Augenblicken das Weib in Jhnen vergessen -- den Unglauben eben so auf Treu' und Glauben an, wie sie fast alle Resultate des forschenden Verstan- des annimmt, und annehmen muß, da sie aus wohlbekannten Gründen nicht selbst forschen kann.
Jch. Eine traurige Wahrheit, lieber Pfarrer!
Pfarrer. Nicht so gar traurig, meine Freun- din! Wenn das Gebiet des forschenden Verstan- des und der spekulirenden Vernunft in der Regel Jhrem Geschlechte verbotenes Land, und die herbe Frucht vom Baume des Erkenntnisses Jhnen nicht gedeihlich ist; o! es ward Jhnen schöner Ersatz dafür! Sie sollten -- Vestalinnen in einem ho- hen Sinne -- die heiligen Himmelsfunken: Glau- be, Liebe und Hoffnung, in der Menschenbrust be- wahren; Sie sollten sie der keimenden Mensch- heit, die Jhnen zunächst anvertraut ward, auf die unmittelbarste Weise, ohne Kunst und fast ohne Absicht, wie durch innere Nothwendigkeit, mit- theilen. Da mußte aber Jhr ganzes Wesen da- von durchdrungen seyn. Es mußte dieser heilige
edle Freundin! ich weiß, ich darf in ſo ernſten Augenblicken das Weib in Jhnen vergeſſen — den Unglauben eben ſo auf Treu’ und Glauben an, wie ſie faſt alle Reſultate des forſchenden Verſtan- des annimmt, und annehmen muß, da ſie aus wohlbekannten Gründen nicht ſelbſt forſchen kann.
Jch. Eine traurige Wahrheit, lieber Pfarrer!
Pfarrer. Nicht ſo gar traurig, meine Freun- din! Wenn das Gebiet des forſchenden Verſtan- des und der ſpekulirenden Vernunft in der Regel Jhrem Geſchlechte verbotenes Land, und die herbe Frucht vom Baume des Erkenntniſſes Jhnen nicht gedeihlich iſt; o! es ward Jhnen ſchöner Erſatz dafür! Sie ſollten — Veſtalinnen in einem ho- hen Sinne — die heiligen Himmelsfunken: Glau- be, Liebe und Hoffnung, in der Menſchenbruſt be- wahren; Sie ſollten ſie der keimenden Menſch- heit, die Jhnen zunächſt anvertraut ward, auf die unmittelbarſte Weiſe, ohne Kunſt und faſt ohne Abſicht, wie durch innere Nothwendigkeit, mit- theilen. Da mußte aber Jhr ganzes Weſen da- von durchdrungen ſeyn. Es mußte dieſer heilige
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edle Freundin! ich weiß, ich darf in ſo ernſten
Augenblicken das Weib in Jhnen vergeſſen — den
Unglauben eben ſo auf Treu’ und Glauben an,
wie ſie faſt alle Reſultate des forſchenden Verſtan-
des annimmt, und annehmen muß, da ſie aus
wohlbekannten Gründen nicht ſelbſt forſchen kann.
Jch. Eine traurige Wahrheit, lieber Pfarrer!
Pfarrer. Nicht ſo gar traurig, meine Freun-
din! Wenn das Gebiet des forſchenden Verſtan-
des und der ſpekulirenden Vernunft in der Regel
Jhrem Geſchlechte verbotenes Land, und die herbe
Frucht vom Baume des Erkenntniſſes Jhnen nicht
gedeihlich iſt; o! es ward Jhnen ſchöner Erſatz
dafür! Sie ſollten — Veſtalinnen in einem ho-
hen Sinne — die heiligen Himmelsfunken: Glau-
be, Liebe und Hoffnung, in der Menſchenbruſt be-
wahren; Sie ſollten ſie der keimenden Menſch-
heit, die Jhnen zunächſt anvertraut ward, auf
die unmittelbarſte Weiſe, ohne Kunſt und faſt ohne
Abſicht, wie durch innere Nothwendigkeit, mit-
theilen. Da mußte aber Jhr ganzes Weſen da-
von durchdrungen ſeyn. Es mußte dieſer heilige
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/203>, abgerufen am 09.10.2024.
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