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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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"etwas, dem man im Kriege das rechte Bein ab-
"geschossen."

Jda muß noch keinen verstümmelten Menschen
gesehen haben. Sie schauderte heftig, und besah
ihn doch immer wieder mit der gespanntesten Neu-
gier. "Tante Selma, schenk' mir ein Brot aus
unserm Reisekorbe." Jch gab ihr eins, und et-
was Münze dazu: "Da, armer Mann, sagte
sie, und reichte ihm Brot und Geld hin: ich wollt',
ich könnte dir ein besseres Bein schenken, auf dem
da kannst du doch nicht gut gehen." Er sah das
Kind mit komischer Freude an, und sagte: "Ja,
Mamsellchen, ich kann auch noch damit tanzen"
indem er vor ihr lustig herumhinkte. "Armer lu-
stiger Mann, fragte sie, wo willst du denn hin?"
Nach L ..., Mamsellchen. -- Sie maß den Wa-
gen mit den Augen aus, ob sich wohl für ihn ein
Platz darin machen ließ. Als sie sah, daß das
nicht ging, sagte sie: "Tante, laß mich und Wol-
demar zu Fuß hingehen, daß der lahme Mann
fahren kann." Der Lahme hatte Thränen in den
Augen. Nein, Mamsellchen, ich fahre nicht;

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„etwas, dem man im Kriege das rechte Bein ab-
„geſchoſſen.‟

Jda muß noch keinen verſtümmelten Menſchen
geſehen haben. Sie ſchauderte heftig, und beſah
ihn doch immer wieder mit der geſpannteſten Neu-
gier. „Tante Selma, ſchenk’ mir ein Brot aus
unſerm Reiſekorbe.‟ Jch gab ihr eins, und et-
was Münze dazu: „Da, armer Mann, ſagte
ſie, und reichte ihm Brot und Geld hin: ich wollt’,
ich könnte dir ein beſſeres Bein ſchenken, auf dem
da kannſt du doch nicht gut gehen.‟ Er ſah das
Kind mit komiſcher Freude an, und ſagte: „Ja,
Mamſellchen, ich kann auch noch damit tanzen‟
indem er vor ihr luſtig herumhinkte. „Armer lu-
ſtiger Mann, fragte ſie, wo willſt du denn hin?‟
Nach L …, Mamſellchen. — Sie maß den Wa-
gen mit den Augen aus, ob ſich wohl für ihn ein
Platz darin machen ließ. Als ſie ſah, daß das
nicht ging, ſagte ſie: „Tante, laß mich und Wol-
demar zu Fuß hingehen, daß der lahme Mann
fahren kann.‟ Der Lahme hatte Thränen in den
Augen. Nein, Mamſellchen, ich fahre nicht;

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[137/0151] „etwas, dem man im Kriege das rechte Bein ab- „geſchoſſen.‟ Jda muß noch keinen verſtümmelten Menſchen geſehen haben. Sie ſchauderte heftig, und beſah ihn doch immer wieder mit der geſpannteſten Neu- gier. „Tante Selma, ſchenk’ mir ein Brot aus unſerm Reiſekorbe.‟ Jch gab ihr eins, und et- was Münze dazu: „Da, armer Mann, ſagte ſie, und reichte ihm Brot und Geld hin: ich wollt’, ich könnte dir ein beſſeres Bein ſchenken, auf dem da kannſt du doch nicht gut gehen.‟ Er ſah das Kind mit komiſcher Freude an, und ſagte: „Ja, Mamſellchen, ich kann auch noch damit tanzen‟ indem er vor ihr luſtig herumhinkte. „Armer lu- ſtiger Mann, fragte ſie, wo willſt du denn hin?‟ Nach L …, Mamſellchen. — Sie maß den Wa- gen mit den Augen aus, ob ſich wohl für ihn ein Platz darin machen ließ. Als ſie ſah, daß das nicht ging, ſagte ſie: „Tante, laß mich und Wol- demar zu Fuß hingehen, daß der lahme Mann fahren kann.‟ Der Lahme hatte Thränen in den Augen. Nein, Mamſellchen, ich fahre nicht; (18)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/151>, abgerufen am 09.10.2024.