Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



fahrten u. s. w. man dafür haben könne; dann
sagt man ihm: All' dies Geld ist dein! wenn du
groß bist, so bekommst du das alles zu deinem Ge-
brauche! Man läßt das Kind jedesmal vergeblich
um einen Dukaten aus diesem Schatze bitten,
wenn es etwa einmal eine Anwandlung zu einem
schönen Gebrauche in sich verspüren sollte. Es
müßte eine vorzüglich stark ausgeprägte Seele seyn,
wenn auf diesem Wege bei ihr der gehoffte Respekt
vor dem Gelde nicht endlich eintreten sollte!

Wie die Lehre vom Eigenthumsrecht auch klei-
nen Kindern beizubringen sey, und was sie da
wirke, wo sie den Zunder im Kinde findet, davon
sahe ich manches Beispiel. Höre, wie eine Mut-
ter mit ihrem einzigen Kinde dabei zu Werke ging,
und wie es ihr gelang.

Vor etwa fünf Jahren besuchte sie meine Schwe-
ster mit ihrem damals vier Jahre alten Knaben.
Es war eins der unbändigsten Kinder, und zeigte
viel Charakter, wie man das nennt. Meine
Schwester, welche Kinder eben so leidenschaftlich



fahrten u. ſ. w. man dafür haben könne; dann
ſagt man ihm: All’ dies Geld iſt dein! wenn du
groß biſt, ſo bekommſt du das alles zu deinem Ge-
brauche! Man läßt das Kind jedesmal vergeblich
um einen Dukaten aus dieſem Schatze bitten,
wenn es etwa einmal eine Anwandlung zu einem
ſchönen Gebrauche in ſich verſpüren ſollte. Es
müßte eine vorzüglich ſtark ausgeprägte Seele ſeyn,
wenn auf dieſem Wege bei ihr der gehoffte Reſpekt
vor dem Gelde nicht endlich eintreten ſollte!

Wie die Lehre vom Eigenthumsrecht auch klei-
nen Kindern beizubringen ſey, und was ſie da
wirke, wo ſie den Zunder im Kinde findet, davon
ſahe ich manches Beiſpiel. Höre, wie eine Mut-
ter mit ihrem einzigen Kinde dabei zu Werke ging,
und wie es ihr gelang.

Vor etwa fünf Jahren beſuchte ſie meine Schwe-
ſter mit ihrem damals vier Jahre alten Knaben.
Es war eins der unbändigſten Kinder, und zeigte
viel Charakter, wie man das nennt. Meine
Schweſter, welche Kinder eben ſo leidenſchaftlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="96"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
fahrten u. &#x017F;. w. man dafür haben könne; dann<lb/>
&#x017F;agt man ihm: All&#x2019; dies Geld i&#x017F;t dein! wenn du<lb/>
groß bi&#x017F;t, &#x017F;o bekomm&#x017F;t du das alles zu deinem Ge-<lb/>
brauche! Man läßt das Kind jedesmal vergeblich<lb/>
um einen Dukaten aus die&#x017F;em Schatze bitten,<lb/>
wenn es etwa einmal eine Anwandlung zu einem<lb/>
&#x017F;chönen Gebrauche in &#x017F;ich ver&#x017F;püren &#x017F;ollte. Es<lb/>
müßte eine vorzüglich &#x017F;tark ausgeprägte Seele &#x017F;eyn,<lb/>
wenn auf die&#x017F;em Wege bei ihr der gehoffte Re&#x017F;pekt<lb/>
vor dem Gelde nicht endlich eintreten &#x017F;ollte!</p><lb/>
          <p>Wie die Lehre vom Eigenthumsrecht auch klei-<lb/>
nen Kindern beizubringen &#x017F;ey, und was &#x017F;ie da<lb/>
wirke, wo &#x017F;ie den Zunder im Kinde findet, davon<lb/>
&#x017F;ahe ich manches Bei&#x017F;piel. Höre, wie eine Mut-<lb/>
ter mit ihrem einzigen Kinde dabei zu Werke ging,<lb/>
und wie es ihr gelang.</p><lb/>
          <p>Vor etwa fünf Jahren be&#x017F;uchte &#x017F;ie meine Schwe-<lb/>
&#x017F;ter mit ihrem damals vier Jahre alten Knaben.<lb/>
Es war eins der unbändig&#x017F;ten Kinder, und zeigte<lb/>
viel Charakter, wie man das nennt. Meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter, welche Kinder eben &#x017F;o leiden&#x017F;chaftlich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0110] fahrten u. ſ. w. man dafür haben könne; dann ſagt man ihm: All’ dies Geld iſt dein! wenn du groß biſt, ſo bekommſt du das alles zu deinem Ge- brauche! Man läßt das Kind jedesmal vergeblich um einen Dukaten aus dieſem Schatze bitten, wenn es etwa einmal eine Anwandlung zu einem ſchönen Gebrauche in ſich verſpüren ſollte. Es müßte eine vorzüglich ſtark ausgeprägte Seele ſeyn, wenn auf dieſem Wege bei ihr der gehoffte Reſpekt vor dem Gelde nicht endlich eintreten ſollte! Wie die Lehre vom Eigenthumsrecht auch klei- nen Kindern beizubringen ſey, und was ſie da wirke, wo ſie den Zunder im Kinde findet, davon ſahe ich manches Beiſpiel. Höre, wie eine Mut- ter mit ihrem einzigen Kinde dabei zu Werke ging, und wie es ihr gelang. Vor etwa fünf Jahren beſuchte ſie meine Schwe- ſter mit ihrem damals vier Jahre alten Knaben. Es war eins der unbändigſten Kinder, und zeigte viel Charakter, wie man das nennt. Meine Schweſter, welche Kinder eben ſo leidenſchaftlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/110
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/110>, abgerufen am 22.11.2024.