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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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senheit seiner selbst. Es ist ein großes Wort und
darf nicht zu früh verlauten, wenn es nicht als
ein leerer Schall am Ohre vorüberströmen, oder
die Kleinen zu redseligen Moralsprechern verbil-
den soll.

Laß Jda also ungehindert zuerst alles für sich
thun, wenn das ihre kindliche Thätigkeit stärker
anfeuert. Zeigt sie mehr Trieb für den Bruder
zu arbeiten: bezeige freundliches Wohlgefallen
darüber, doch ohne sie zu loben. Hat sie das
einfache Stricken und Nähen hinlänglich begrif-
fen und recht geübt, dann gehe zu den künstli-
chern weiblichen Arbeiten über; und so, daß die
Erlernung von etwas neuem immer die Belohnung
ihres anhaltenden Fleißes in dem schon Erlernten
werde. Auch beobachte, wo es nur immer mög-
lich, so eine Stufenfolge vom Leichteren zum
Schwerern.

Doch laß sie die Belohnung nicht so lange er-
warten, bis sie der ersten Beschäftigungen völlig
überdrüssig geworden. Verschaffe ihr Abwechse-



ſenheit ſeiner ſelbſt. Es iſt ein großes Wort und
darf nicht zu früh verlauten, wenn es nicht als
ein leerer Schall am Ohre vorüberſtrömen, oder
die Kleinen zu redſeligen Moralſprechern verbil-
den ſoll.

Laß Jda alſo ungehindert zuerſt alles für ſich
thun, wenn das ihre kindliche Thätigkeit ſtärker
anfeuert. Zeigt ſie mehr Trieb für den Bruder
zu arbeiten: bezeige freundliches Wohlgefallen
darüber, doch ohne ſie zu loben. Hat ſie das
einfache Stricken und Nähen hinlänglich begrif-
fen und recht geübt, dann gehe zu den künſtli-
chern weiblichen Arbeiten über; und ſo, daß die
Erlernung von etwas neuem immer die Belohnung
ihres anhaltenden Fleißes in dem ſchon Erlernten
werde. Auch beobachte, wo es nur immer mög-
lich, ſo eine Stufenfolge vom Leichteren zum
Schwerern.

Doch laß ſie die Belohnung nicht ſo lange er-
warten, bis ſie der erſten Beſchäftigungen völlig
überdrüſſig geworden. Verſchaffe ihr Abwechſe-

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[87/0101] ſenheit ſeiner ſelbſt. Es iſt ein großes Wort und darf nicht zu früh verlauten, wenn es nicht als ein leerer Schall am Ohre vorüberſtrömen, oder die Kleinen zu redſeligen Moralſprechern verbil- den ſoll. Laß Jda alſo ungehindert zuerſt alles für ſich thun, wenn das ihre kindliche Thätigkeit ſtärker anfeuert. Zeigt ſie mehr Trieb für den Bruder zu arbeiten: bezeige freundliches Wohlgefallen darüber, doch ohne ſie zu loben. Hat ſie das einfache Stricken und Nähen hinlänglich begrif- fen und recht geübt, dann gehe zu den künſtli- chern weiblichen Arbeiten über; und ſo, daß die Erlernung von etwas neuem immer die Belohnung ihres anhaltenden Fleißes in dem ſchon Erlernten werde. Auch beobachte, wo es nur immer mög- lich, ſo eine Stufenfolge vom Leichteren zum Schwerern. Doch laß ſie die Belohnung nicht ſo lange er- warten, bis ſie der erſten Beſchäftigungen völlig überdrüſſig geworden. Verſchaffe ihr Abwechſe-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/101>, abgerufen am 19.05.2024.