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Rubens, Heinrich: Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. Berlin, 1910.

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Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch.

Meister der physikalischen Meßkunde Henri Victor Regnault auf eine
Stufe stellen.


Unter Friedrich Kohlrauschs metrologischen Arbeiten sind in erster
Linie seine Ohmbestimmung und die in Gemeinschaft mit seinem Bruder
Wilhelm 1885 ausgeführte Messung des elektrochemischen Äquivalents
des Silbers zu nennen. Die große Bedeutung dieser beiden klassischen
Untersuchungen liegt nicht nur in der bewundernswerten Genauigkeit des
gewonnenen Zahlenergebnisses, welche durch neuere Arbeiten nicht über-
troffen worden ist; ein fast ebenso großer Nutzen ist in der für die ge-
samte Physik äußerst wichtigen Durchbildung der erdmagnetischen Meß-
methoden und in der Konstruktion bequemer und genauer magnetischer
Meßinstrumente zu erblicken, welche in jenen Arbeiten zur Anwendung
gelangten. Auch verdanken wir ihnen dasjenige Verfahren zur Vergleichung
kleiner Widerstände, welches bis auf den heutigen Tag als das beste gilt,
die Methode des übergreifenden Nebenschlusses.


Aus der Fülle seiner übrigen Arbeiten sollen an dieser Stelle nur
wenige hervorgehoben werden, welche einen besonders großen Einfluß auf
die Entwicklung unserer Wissenschaft ausgeübt haben.


Wertvollen Einblick in ein bis dahin wenig aufgeklärtes Gebiet ge-
währte Kohlrauschs Untersuchung über Thermoelektrizität, Wärme- und
Elektrizitätsleitung. Angeregt durch einen zuerst von seinem Freunde L. Her-
mann in Zürich ausgesprochenen Gedanken, hat Kohlrausch den erfolg-
reichen Versuch unternommen, die elektromotorische Kraft der Thermo-
elemente nicht, wie bis dahin üblich, durch einen in der Kontaktfläche
der aneinander grenzenden Metalle sich abspielenden Vorgang darzustellen,
sondern die beobachteten Erscheinungen auf Grund der Annahme zu be-
schreiben, daß mit jedem Wärmestrom in bestimmtem, von der Natur des
Leiters abhängigen Maße ein elektrischer Strom verbunden sei. Er ergänzte
diese Hypothese durch die weitere Annahme, daß durch einen elektrischen
Strom auch die Wärme in bestimmter Weise mitbewegt würde. Es findet
dann nicht nur das Auftreten des bekannten Peltierschen Phänomens seine
Erklärung, sondern die Kohlrauschsche Strömungstheorie ist auch im-
stande, über den sogenannten Thomsoneffekt Aufschluß zu geben, was die
Kohlrauschsche Erklärungsweise der Thermoelektrizität durch eine auf
die ältere Theorie nicht zu leisten vermochte. Erst in neuester Zeit ist
der modernen Elektronentheorie fußende Anschauung abgelöst worden, welche


Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch.

Meister der physikalischen Meßkunde Henri Victor Régnault auf eine
Stufe stellen.


Unter Friedrich Kohlrauschs metrologischen Arbeiten sind in erster
Linie seine Ohmbestimmung und die in Gemeinschaft mit seinem Bruder
Wilhelm 1885 ausgeführte Messung des elektrochemischen Äquivalents
des Silbers zu nennen. Die große Bedeutung dieser beiden klassischen
Untersuchungen liegt nicht nur in der bewundernswerten Genauigkeit des
gewonnenen Zahlenergebnisses, welche durch neuere Arbeiten nicht über-
troffen worden ist; ein fast ebenso großer Nutzen ist in der für die ge-
samte Physik äußerst wichtigen Durchbildung der erdmagnetischen Meß-
methoden und in der Konstruktion bequemer und genauer magnetischer
Meßinstrumente zu erblicken, welche in jenen Arbeiten zur Anwendung
gelangten. Auch verdanken wir ihnen dasjenige Verfahren zur Vergleichung
kleiner Widerstände, welches bis auf den heutigen Tag als das beste gilt,
die Methode des übergreifenden Nebenschlusses.


Aus der Fülle seiner übrigen Arbeiten sollen an dieser Stelle nur
wenige hervorgehoben werden, welche einen besonders großen Einfluß auf
die Entwicklung unserer Wissenschaft ausgeübt haben.


Wertvollen Einblick in ein bis dahin wenig aufgeklärtes Gebiet ge-
währte Kohlrauschs Untersuchung über Thermoelektrizität, Wärme- und
Elektrizitätsleitung. Angeregt durch einen zuerst von seinem Freunde L. Her-
mann in Zürich ausgesprochenen Gedanken, hat Kohlrausch den erfolg-
reichen Versuch unternommen, die elektromotorische Kraft der Thermo-
elemente nicht, wie bis dahin üblich, durch einen in der Kontaktfläche
der aneinander grenzenden Metalle sich abspielenden Vorgang darzustellen,
sondern die beobachteten Erscheinungen auf Grund der Annahme zu be-
schreiben, daß mit jedem Wärmestrom in bestimmtem, von der Natur des
Leiters abhängigen Maße ein elektrischer Strom verbunden sei. Er ergänzte
diese Hypothese durch die weitere Annahme, daß durch einen elektrischen
Strom auch die Wärme in bestimmter Weise mitbewegt würde. Es findet
dann nicht nur das Auftreten des bekannten Peltierschen Phänomens seine
Erklärung, sondern die Kohlrauschsche Strömungstheorie ist auch im-
stande, über den sogenannten Thomsoneffekt Aufschluß zu geben, was die
Kohlrauschsche Erklärungsweise der Thermoelektrizität durch eine auf
die ältere Theorie nicht zu leisten vermochte. Erst in neuester Zeit ist
der modernen Elektronentheorie fußende Anschauung abgelöst worden, welche

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[9/0009] Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. 7 Meister der physikalischen Meßkunde Henri Victor Régnault auf eine Stufe stellen. Unter Friedrich Kohlrauschs metrologischen Arbeiten sind in erster Linie seine Ohmbestimmung und die in Gemeinschaft mit seinem Bruder Wilhelm 1885 ausgeführte Messung des elektrochemischen Äquivalents des Silbers zu nennen. Die große Bedeutung dieser beiden klassischen Untersuchungen liegt nicht nur in der bewundernswerten Genauigkeit des gewonnenen Zahlenergebnisses, welche durch neuere Arbeiten nicht über- troffen worden ist; ein fast ebenso großer Nutzen ist in der für die ge- samte Physik äußerst wichtigen Durchbildung der erdmagnetischen Meß- methoden und in der Konstruktion bequemer und genauer magnetischer Meßinstrumente zu erblicken, welche in jenen Arbeiten zur Anwendung gelangten. Auch verdanken wir ihnen dasjenige Verfahren zur Vergleichung kleiner Widerstände, welches bis auf den heutigen Tag als das beste gilt, die Methode des übergreifenden Nebenschlusses. Aus der Fülle seiner übrigen Arbeiten sollen an dieser Stelle nur wenige hervorgehoben werden, welche einen besonders großen Einfluß auf die Entwicklung unserer Wissenschaft ausgeübt haben. Wertvollen Einblick in ein bis dahin wenig aufgeklärtes Gebiet ge- währte Kohlrauschs Untersuchung über Thermoelektrizität, Wärme- und Elektrizitätsleitung. Angeregt durch einen zuerst von seinem Freunde L. Her- mann in Zürich ausgesprochenen Gedanken, hat Kohlrausch den erfolg- reichen Versuch unternommen, die elektromotorische Kraft der Thermo- elemente nicht, wie bis dahin üblich, durch einen in der Kontaktfläche der aneinander grenzenden Metalle sich abspielenden Vorgang darzustellen, sondern die beobachteten Erscheinungen auf Grund der Annahme zu be- schreiben, daß mit jedem Wärmestrom in bestimmtem, von der Natur des Leiters abhängigen Maße ein elektrischer Strom verbunden sei. Er ergänzte diese Hypothese durch die weitere Annahme, daß durch einen elektrischen Strom auch die Wärme in bestimmter Weise mitbewegt würde. Es findet dann nicht nur das Auftreten des bekannten Peltierschen Phänomens seine Erklärung, sondern die Kohlrauschsche Strömungstheorie ist auch im- stande, über den sogenannten Thomsoneffekt Aufschluß zu geben, was die Kohlrauschsche Erklärungsweise der Thermoelektrizität durch eine auf die ältere Theorie nicht zu leisten vermochte. Erst in neuester Zeit ist der modernen Elektronentheorie fußende Anschauung abgelöst worden, welche

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Zitationshilfe: Rubens, Heinrich: Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. Berlin, 1910, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rubens_kohlrausch_1910/9>, abgerufen am 22.11.2024.