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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
nährung nöthig sein sollen, schon länger von den Physiologen
angenommen worden. Man denkt sich, dass diese Reize den
Theilen durch besondere trophische Nerven zugeleitet wer-
den, und manche Autoren sind geneigt, ihnen ein ausgebreitetes
Vorkommen und entsprechend hohe Wichtigkeit zuzuschreiben.
Indessen, so sehr mir die trophische Wirkung der Reize richtig
zu sein scheint, ebenso sehr muss ich gegen das gesonderte
Vorkommen solcher Reize und ihrer Leitungsbahnen Einsprache
erheben. Ich schliesse mich darin ganz Sigm. Mayer an,
welcher diese Frage in neuester Zeit ausführlich erörtert hat.1)

Zuerst wurde auf trophische Nerven geschlossen aus den
Folgen der Durchschneidung des Trigeminus (des Empfindungs-
nerven des Gesichts). Es traten danach sehr regelmässig Ent-
zündungen des Auges und Geschwüre in der Mundhöhle auf,
welche man auf eine Störung der Ernährungsfähigkeit der
Theile bezog. Es ist indessen durch die Untersuchungen vieler
Forscher z. B. von Rollett2), und in letzterer Zeit von Senft-
leben
3) und Feuer4) sicher gestellt worden, dass diese Ent-
zündungen eine Folge des Verlustes der Sensibilität und somit
des Ausbleibens der Entfernung von Schädlichkeiten durch
schützende Reflexbewegungen sind.

Ausser diesen entzündlichen Veränderungen zeigen sich
aber noch andere trophische Störungen nach Durchschneidung
der Nerven. Schiff5) fand die Knochen eines Beines dünner,
dessen Nerven (N. ischiadicus und cruralis) durchschnitten
waren, und die Knochenhaut verdickt, aus mehreren Knochenla-
mellen bestehend. Aehnliches fanden Vulpian6) und Kasso-

1) Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. II. Thl. 1.
2) Wiener Sitzungsberichte. Bd. 51. p. 513.
3) Senftleben, Virchow's Archiv. Bd. 65. p. 69; Bd. 72. p. 278.
4) Feuer, Wiener Sitzungsberichte. Bd. 74. p. 63.
5) Schiff, Compt. rend. 1854. p. 1050.
6) Vulpian, Lecons sur l'appareil vasomot. T. II. p. 352. Paris 1875.

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
nährung nöthig sein sollen, schon länger von den Physiologen
angenommen worden. Man denkt sich, dass diese Reize den
Theilen durch besondere trophische Nerven zugeleitet wer-
den, und manche Autoren sind geneigt, ihnen ein ausgebreitetes
Vorkommen und entsprechend hohe Wichtigkeit zuzuschreiben.
Indessen, so sehr mir die trophische Wirkung der Reize richtig
zu sein scheint, ebenso sehr muss ich gegen das gesonderte
Vorkommen solcher Reize und ihrer Leitungsbahnen Einsprache
erheben. Ich schliesse mich darin ganz Sigm. Mayer an,
welcher diese Frage in neuester Zeit ausführlich erörtert hat.1)

Zuerst wurde auf trophische Nerven geschlossen aus den
Folgen der Durchschneidung des Trigeminus (des Empfindungs-
nerven des Gesichts). Es traten danach sehr regelmässig Ent-
zündungen des Auges und Geschwüre in der Mundhöhle auf,
welche man auf eine Störung der Ernährungsfähigkeit der
Theile bezog. Es ist indessen durch die Untersuchungen vieler
Forscher z. B. von Rollett2), und in letzterer Zeit von Senft-
leben
3) und Feuer4) sicher gestellt worden, dass diese Ent-
zündungen eine Folge des Verlustes der Sensibilität und somit
des Ausbleibens der Entfernung von Schädlichkeiten durch
schützende Reflexbewegungen sind.

Ausser diesen entzündlichen Veränderungen zeigen sich
aber noch andere trophische Störungen nach Durchschneidung
der Nerven. Schiff5) fand die Knochen eines Beines dünner,
dessen Nerven (N. ischiadicus und cruralis) durchschnitten
waren, und die Knochenhaut verdickt, aus mehreren Knochenla-
mellen bestehend. Aehnliches fanden Vulpian6) und Kasso-

1) Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. II. Thl. 1.
2) Wiener Sitzungsberichte. Bd. 51. p. 513.
3) Senftleben, Virchow’s Archiv. Bd. 65. p. 69; Bd. 72. p. 278.
4) Feuer, Wiener Sitzungsberichte. Bd. 74. p. 63.
5) Schiff, Compt. rend. 1854. p. 1050.
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[125/0139] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. nährung nöthig sein sollen, schon länger von den Physiologen angenommen worden. Man denkt sich, dass diese Reize den Theilen durch besondere trophische Nerven zugeleitet wer- den, und manche Autoren sind geneigt, ihnen ein ausgebreitetes Vorkommen und entsprechend hohe Wichtigkeit zuzuschreiben. Indessen, so sehr mir die trophische Wirkung der Reize richtig zu sein scheint, ebenso sehr muss ich gegen das gesonderte Vorkommen solcher Reize und ihrer Leitungsbahnen Einsprache erheben. Ich schliesse mich darin ganz Sigm. Mayer an, welcher diese Frage in neuester Zeit ausführlich erörtert hat. 1) Zuerst wurde auf trophische Nerven geschlossen aus den Folgen der Durchschneidung des Trigeminus (des Empfindungs- nerven des Gesichts). Es traten danach sehr regelmässig Ent- zündungen des Auges und Geschwüre in der Mundhöhle auf, welche man auf eine Störung der Ernährungsfähigkeit der Theile bezog. Es ist indessen durch die Untersuchungen vieler Forscher z. B. von Rollett 2), und in letzterer Zeit von Senft- leben 3) und Feuer 4) sicher gestellt worden, dass diese Ent- zündungen eine Folge des Verlustes der Sensibilität und somit des Ausbleibens der Entfernung von Schädlichkeiten durch schützende Reflexbewegungen sind. Ausser diesen entzündlichen Veränderungen zeigen sich aber noch andere trophische Störungen nach Durchschneidung der Nerven. Schiff 5) fand die Knochen eines Beines dünner, dessen Nerven (N. ischiadicus und cruralis) durchschnitten waren, und die Knochenhaut verdickt, aus mehreren Knochenla- mellen bestehend. Aehnliches fanden Vulpian 6) und Kasso- 1) Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. II. Thl. 1. 2) Wiener Sitzungsberichte. Bd. 51. p. 513. 3) Senftleben, Virchow’s Archiv. Bd. 65. p. 69; Bd. 72. p. 278. 4) Feuer, Wiener Sitzungsberichte. Bd. 74. p. 63. 5) Schiff, Compt. rend. 1854. p. 1050. 6) Vulpian, Leçons sur l’appareil vasomot. T. II. p. 352. Paris 1875.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/139>, abgerufen am 05.05.2024.